Wie ich gestern angekündigt habe fehlt mir momentan die Zeit, neue Artikel für das Blog zu schreiben. Ich habe leider zu viel andere Arbeit und werde erst im Laufe der nächsten oder übernächsten Woche den normalen Blogbetrieb wieder aufnehmen können. Ich hatte aber auch gesagt, ich würde mal in meinen Archiven kramen und nachsehen, ob sich da schon fertige Texte finden, die ich in der Zwischenzeit veröffentlichen kann. Und dabei bin ich auf einen Text gestoßen, den ich schon fast vergessen hatte: Es geht um das Tao Te King beziehungsweise das Daodejing wie die moderne Schreibweise laute. Und was genau “Tao” und “Te” bzw “Dao” und “De” bedeuten lässt sich kaum sagen. Oft wird “Tao” mit “Weg” übersetzt und “Te” mit “Kraft” (und “King” bzw. “Jing” mit “Leitfaden”). Es handelt sich dabei auf jeden Fall um eine knapp 2500 Jahre alte Textsammlung aus China, die als Grundlage der Philosophie/Weltanschauung/Religion des Daoismus gilt.

Dao (Bild: Shibo77, CC-BY-SA 3.0)

Dao (Bild: Shibo77, CC-BY-SA 3.0)

Ich hatte mich vor knapp 15 Jahren längere Zeit mit diesem Text beschäftigt; das Thema kam irgendwann beim Gespräch unter Freunden auf (ein typisches Studentengespräch eben, spätabends nach ein paar Flaschen Bier…). Ich hab mir dann eine deutsche Übersetzung des Buches besorgt und fand die seltsame Mischung aus Kosmologie, humanistischer Staatslehre und Lebensratgeber sehr faszinierend. Nicht, dass ich irgendwie zum Taoisten geworden wäre: Aber es war eben ein sehr interessantes Buch, über das sich gut nachdenken und diskutieren ließ. Eine Freundin behauptete dann dass sich der Text in der Originalfassung reimen würde – und ich habe keine Ahnung ob das stimmt… Die Übersetzungen tun das aber nicht und es gibt wirklich jede Menge Übersetzungen. Und natürlich ist es nicht einfach, einen Text aus dem Chinesischen in eine so ferne Sprache wie Deutsch zu übersetzen. Das führt dazu, dass sich die verschiedenen Übersetzungen alle sehr unterschiedlich lesen und man oft gar nicht glauben möchte, dass allen das gleiche Original zu Grunde liegt…

Jedenfalls hatten die Freundin und ich dann begonnen, aus all den verschiedenen Übersetzungen eine sich reimende Version zusammenzubasteln. Das Original konnte natürlich keiner lesen. Aber ich habe einfach verschiedene deutsche, englische, italienische und französische Übersetzungen gelesen und zwar so lange, bis ich das Gefühl hatte einigermaßen zu verstehen, was das jeweilige Kapitel aussagen sollte. Und habe diese Aussage dann – mal mehr und mal weniger – frei in eine sich reimende deutsche Version “übersetzt”. Mit dem Resultat habe ich damals nichts beeindruckendes angestellt (als Student hat man ja noch Zeit für solche sinnfreien Spielereien 😉 ); die entsprechende Datei lag seit 2002 auf meinem Computer herum. Aber als Lückenfüller im Blog reicht sie alle mal – und da auch einige Kapitel dabei sind, die ein paar kosmologische Vorstellungen der damaligen Zeit (zum Beispiel Kapitel 25, das mir immer besonders gut gefallen hat) beschreiben, passt es auch thematisch ein wenig ins Blog.

Wer eine offiziell und kompetent übersetzte und ausführlich kommentierte Version des Tao Te King lesen möchte, den verweise ich auf die Ausgabe von Richard Wilhelm die online und frei zugänglich ist. Und wer ein bisschen was über die Philosophie hinter dem Text erfahren möchte, dem kann ich das sehr interessante und amüsante Buch “Das Tao ist Stille”* des Mathematikers Raymond Smullyan empfehlen.

P.S. Ich hab meinen Text einfach direkt aus der Datei hier ins Blog kopiert. Kann gut sein, dass da noch der eine oder andere Tippfehler drin ist….
P.P.S. Es sollte eigentlich klar sein, aber bevor dann doch wieder darüber diskutiert wird, sage ich es sicherheitshalber noch dazu: Nur weil ich diesen Text “übersetzt” habe, folgt daraus nicht, dass ich dem Inhalt auch immer zustimme. Der Inhalt stammt von denen, die sich Ding vor 2500 Jahren ausgedacht haben. Ich habe nur mit der Form des Textes ein wenig herumgespielt, ohne mir den Inhalt deswegen zu eigen zu machen.

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Tao Te King 1

Nichtsprechend nur kannst du das Tao kennen.
Nichtwissend nur kannst du den Namen nennen.

Alles was ist, war Nichtsein davor.
Und aus dem Sein treten die Dinge hervor.

Durch Nichtsein nur kannst dem Tao gleichen:
auf diesem Weg fühlst du es überall.
Folgst du dem Sein, wirst du Raum nur erreichen
und Tao ist hier nur Widerhall

Doch auch wenn die
Menschen sie verschieden benennen
läßt sich in Wahrheit
kein Unterschied kennen.

Und das, was beide untrennbar verbindet,
ist das Geheimnis, das der Weise findet

Und des Geheimnisses Geheimnis : das ist das Tor
Und alle Wunder treten daraus hervor.

Tao Te King 2

Man kann die Schönheit und Güte nicht kennen
ohne auch Hass und Gemeinheit zu nennen.
Denn das was ist und das was nicht
ist wie Dunkelheit und Licht :
Keines kann ohne das andre bestehen
ohne Vergang’nes nichts Neues entstehen,
um zu führen muß einer als Letzter gehen
ohne Leichtes muß Schweres vergehen
und nur von oben kann man nach unten sehen.

Dieses hat der Weise verstanden :
ohne wirken ist Wirkung vorhanden.
Nichts von dem was er tut ist schwer
und von dem was er tut ist nichts leicht.
Er macht was nötig ist und nichts mehr
und so wird alles Nötige erreicht.
Er lehrt und ohne zu belehren,
läßt er sich dafür nicht verehren.
So bleibt seine Lehre auf ewig bestehen
und seine Größe wird nie vergehen.

Tao Te King 3

Der Weise beherrscht die folgende Kunst:
Er behandelt alle gleich –
Und daher herrscht Friede in seinem Reich.
Und niemand eifert um seine Gunst.

Der Weise erwirbt nichts und hat nichts von Wert.
Und trotzdem wird er immer satt.
Er neidet niemandem was er hat –
Und daher wird nichts was er hat begehrt.

Der Weise hat sein Volk mit Weitblick geleitet.
Und daher wird es nie in die Irre gehen.
Und jeder wird seine Befehle verstehen.
Er führt und hat so das Tao verbreitet.

Aber all das muss verborgen geschehen.
Und handelt der Weise, tut er es ohne zu handeln.
Dann werden Gelüste und Neid sich verwandeln.
Und die Menschen können die Wahrheit verstehen.

Denn gibt es nichts mehr zu erringen,
kann nichts mehr den Fluss zum Stillstand bringen.

Tao Te King 4

Ins Leben strömend und sich ergießend,
alles erfüllend und niemals geleert:
Das Tao ist Quelle und immer fließend.
Es hat die gesamte Welt genährt.

Es rundet die Kanten und mildert den Glanz.
Es entwirrt die Knoten und glättet sie ganz.

Wir kennen das Tao, das Tao ist –
und doch kennen wir dessen Ursprung nicht.
Es ist das, was die Formen der Dinge ermisst,
immer schon – seit dem ersten Licht.

Tao Te King 5

Die Natur erwartet keinen Dank von dir,
wenn sie dir das Leben schenkt.
Der Weise erwartet keinen Dank von mir,
wenn er mich auf dem Weg des Tao lenkt.

Der Raum zwischen Himmel und Erde ist leer.
Doch alles ist in ihm vorhanden.
Bewege ihn, und aus wenig wird mehr.
Und doch wird nichts davon verstanden.

Lass dich nicht blenden vom Glanz des Lichts.
Verharre im Zentrum und denke nichts!

Tao Te King 6

So wie der Himmel: kein Ende findend.
So wie der Fluss: sich endlos windend.
Der Atem der Erde: niemals verschwindend.
So ist das Tao: allesverbindend.

Das Wirken der Welt ist ohne Muss.
Und wie ein formlos strömender Fluss,
der unsichtbar auf seinen Reisen
und niemals endend nicht versiegt:
ist der Geist, der über allem liegt.
sind Weg und Wirken eines Weisen.
ist das Tao: die Welt erfindend!

Tao Te King 7

Himmel und Erde können ewig leben:
Das Universum wird ewig bestehen.
Denn es ist frei von jedem Streben,
und wird deswegen nie vergehen.

So ist der Weise, der die Menschen lenkt:
wünscht er sich nichts, wird ihm alles geschenkt.
Ohne an seine Begierden zu denken,
kann er die Begierden aller lenken!

Tao Te King 8

So wie der Weg des Wassers ist,
so ist auch der Weg des Weges!
Und was der Weise mit Geist ermisst,
siehst du, blickst du vom Rand des Steges:

Sie hinab auf des Wassers Lauf.
Frei fließt es von Ort zu Ort,
und vernimmst du des Wassers Wort –
dann höre und höre zu denken auf.

Wie ein stiller See am Morgen,
unbewegt und unendlich tief.
So sei dein Herz und ohne Sorgen,
hilfst du dem Menschen der dich rief.

Genau dies ist der Weg des Weisen.
Und wie das Wasser auf seinen Reisen,
ist er zufrieden, wo er sich befindet.
Und so wie das Wasser im Boden verschwindet,
Und so wie das Wasser die Felsen umfließt,
Und sich von oben nach unten ergießt,
so weicht der Weise der Gewalt.
In haltlosem Fließen findet er Halt –
Und bleibt dadurch schadlos für alle Zeit.
So wie es das fließende Wasser bleibt.

Tao Te King 9

Ein voller Krug hat keinen Wert,
gerät er aus dem Gleichgewicht.
Das neue, scharf geschliffene Schwert,
wird stumpf und glänzt nicht mehr im Licht.
Ein mit Gold gefüllter Saal,
ist von dir nicht zu bewachen.
Zuviel Besitz bringt zuviel Qual:
darum lass ab von allen Sachen.

Denn kannst du dich nicht von deinen Werken trennen.
Dann kannst du das Tao auch nicht erkennen!

Tao Te King 10

Kannst du deine Seele nähren und dabei das Eine mit Einssein umfangen?
Kannst du dein Qi sammeln und stärken und so die Weisheit des Kindes erlangen?
Kannst du dein geistiges Schauen klären, so dass es nur mehr Klarheit gibt?
Kannst du ein Mensch sein, der ohne zu wissen, doch alle anderen Menschen liebt?
Kannst du dich selbst zur Umkehr bringen, das Yin über dich wachsen lassen?
Kannst du die Welt in ihrer Größe, so wie sie ist, als Ganzes umfassen?

Das Leben immer aufs neue gebärend,
erhaltend und auf ewig nährend.
Das Tao wirkt so für alle Zeiten!
Das Tao wird so immer alle leiten!
Alles gibt es, ohne selbst zu behalten.
Alles weiß es, und ist doch verhalten.

Still und klar ohne Wollen und Streben.
Das ist des Taos Ursprung und Leben!

Tao Te King 11

Ein Wagenrad hat 30 Speichen,
die allesamt zu Mitte streben.
Doch Stoff muss in der Mitte weichen,
und dort den Raum der Leere geben.

Das was den Becher nützlich macht,
ist der Hohlraum innendrin.
Wie das Licht in dunkler Nacht,
gibt erst die Leere ihm den Sinn.

Ein Haus ist Heim für dich erst dann,
wenn es betreten werden kann.
Türen und Fenster, die sind leer –
erst Leere macht aus all dem mehr!

Stoff kann nur den Zweck bedingen,
doch Nutzen kann nur die Leere bringen!

Tao Te King 12

Fünf Farben leuchten und machen das Auge blind.
Fünf Töne klingen, bis sie unhörbar sind.
Fünf Dinge schmecken – und du schmeckst gar nichts mehr.
Alles wird nichts, begehrst du zu sehr.

Rennen und Jagen machen dein Herz zu toll.
Kostbarkeiten machen dein Herz nicht voll.

Drum handelt der Weise Mensch nicht vermessen
und wird all seine Wünsche vergessen.

Tao Te King 13

Die meisten Menschen streben nach Ehre:
Jeder wünscht sich, dass er jemand Besseres wäre.
Doch hast du dies Ziel erst einmal erreicht,
fürchtest du nur mehr, dass das Glück wieder weicht.

Nur weil du glaubst, du bist im Zentrum von allem,
kann das Übel der Welt überhaupt auf dich fallen.
Der Weise wird das Zentrum in seiner Mitte verwahren.
Und kann darum auch kein Übel erfahren.

Denn ehrst du die Welt in deinem Leben,
kann man sie dir getrost übergeben.
Und liebst du die Welt in deiner Person,
dann dienst du ihr und sie lebt davon!

Tao Te King 14

Suchst du etwas und kannst es nicht sehen;
Lauscht du etwas und kannst nichts verstehen;
Greifst du etwas und kannst es nicht fassen:
Die Drei, die sich nicht begreifen lassen,
wurden zu einem einzigen Einem,
untrennbar für dich und begreifbar von keinem!

Oben ist es ohne Licht,
und unten nicht in Dunkelheit.
Entgegengehend hat es kein Gesicht,
kein Rücken folgt in Offenheit.
Beschreiben und kennen lässt es sich nicht –
verschwindend in Nichtwesenheit.

Würden die Menschen den alten Weg gehen,
wären sie Herren über die Zeit.
Und bist du für den Weg bereit –
dann wirst du den Weg des Tao sehen !

Tao Te King 15

Wie Magier waren die alten Meister,
geheimnisvoll auf all ihren Reisen.
Niemand konnte ihr Handeln erkennen
und niemand ihre Ziele nennen.

Wie Soldaten die einen Fluß durchschreiten,
waren sie zögernd und umsichtig.
Wie jemand der um Gefahren weiß,
waren sie wachsam und vorsichtig,
Nachgiebig waren sie wie schmelzendes Eis.
Höflich und absolut undurchsichtig.
Und offen wie der Täler Weiten.

Sie wussten das Trübe in Ruhe zu wandeln –
vermagst du das auch, dann vermagst du zu handeln.
Kannst du so die Klarheit sehen,
dann wirst du das Tao der Alten verstehen!

Tao Te King 16

Der Weise regiert ohne das es ihm nützt –
ganz auf Stille und Frieden gestützt.
Er betrachtet der Zeiten Kommen und Gehen.
Er kann die Dinge wachsen sehen.
Und da er dies sieht, so hat er verstanden:
nur durch die Wurzeln ist Nahrung vorhanden.
Der Rückkehr zur Wurzel kann sich kein Ding erwehren –
dort muss es wachsen und blühen und wiederkehren.

Jedes Ding muss seine Wurzeln haben –
doch findest du sie nicht durch graben.
Unsichtbar wirken die Fasern nur –
dies stille Nähren ist das Prinzip der Natur.

Erkenne das Chang – das Prinzip des Nährens:
und dein Begreifen wird ewig währen.
Doch weißt du das Chang nicht zu begreifen,
werden Unheil und Leid im Inneren reifen.

Der Weise vergisst dies zu keiner Zeit.
Und herrscht darum mit Gerechtigkeit.
Doch jeder kann diese Wahrheit verstehen,
und so den Weg des Himmels gehen.
Und wirst du diesen Weg beschreiten,
wirst du als weiser Mann betrachtet.

Das Leben kann dem Schmerzen bereiten,
der den Weg des Taos nicht achtet.
Doch folgst du ihm, dann wird es dir nützen
das Tao wird dich für immer beschützen !

Tao Te King 17

Der weiseste Herrscher lässt in all seinen Werken
niemanden seine Handlungen merken.
Niedriger wird ein Herrscher betrachtet,
den das Volk liebt und den es achtet.
Noch niedriger steht jener Mann,
der nur durch Angst und Gewalt herrschen kann.
Doch auf der untersten Stufe steht der,
der lügt – denn niemand achtet ihn mehr.

Der weise Herrscher ist ein schweigender Mann.
Er legt seinem Volk keine Fesseln an.
So leben die Menschen zufrieden und sehen,
das alle Dinge von selber geschehen!

Tao Te King 18

Gibt es unter Verwandten Streit,
verkommt die Beziehung zu Förmlichkeit.
Und ist ein Land für loyale Beamte bekannt,
dann herrschen oft Lüge und Missgunst im Land.

Wenn die Menschen vom Weg des Tao abweichen,
wollen sie zwanghaft die Güte erreichen.
Sie versuchen auch oft diesen Verlust,
durch Klugheit und Wissen zu überspielen.
Doch was du als Weiser erkennen musst:
Dies führt nur zur Lüge – zum Leiden von Vielen.

Tao Te King 19

Könnte der Weise von seiner Weisheit ablassen:
hundertfach wäre der Gewinn der Massen!
Und vergäße der Weise die Sittlichkeit:
das Volk wäre dann für Harmonie bereit!
Und verzichtet der Weise auf Gewinn und Streben,
wird es auch keinen Diebstahl mehr geben!

Diese drei Dinge sind wichtig!
Doch ohne eines sind alle nichtig:

Die Menschen selbst müssen die Schlichtheit verstehen,
sodass Einfachheit herrscht und Begierden vergehen!

Tao Te King 20

Strebt nicht nach Gelehrsamkeit:
und das Leben hält weniger Leid bereit!

Ob du Ja sagst, oder Nein:
der Unterschied zwischen beiden ist klein,
wenn du das Nein nicht ehrlich meinst;
dein Handeln nicht mit dem Wollen vereinst.

Ob du wütend oder ärgerlich bist,
oder nur vorgibst es nicht zu sein:
Der Unterschied zwischen beiden ist Schein.
Das ist es, was der Mensch meist vergisst!

Und womit verbringt der Mensch seine Zeit?
Er will Reichtum und Wohlstand erreichen!
Er sucht nach glückverheißenden Zeichen!
Und ist immer zum Feiern bereit!

Nur ich bin faul und ohne Streben.
Mich schert kein Geld in meinem Leben.
Keinerlei Ehrgeiz treibt mich an –
wie ein Kind das noch nicht Lachen kann.

Viele Menschen erscheinen klug und brillant –
an mir selbst hab ich nichts als Stumpfheit erkannt.
Wie ein Stück Holz auf offenem Meer
treibe ich zwischen ihnen umher.

Jeder will arbeiten – niemand will ruh’n.
Nur mich kümmert gar nicht und nichts will ich tun.

Ich weiß das ich anders und sonderbar bin.
Nur dem Leben für die Mutter gehört mein Sinn!

Tao Te King 21

Die Essenz des Taos ist unsichtbar,
ist ewig jung und war immer schon alt.
Und das, in dem Anfangs alles war,
ist das formbare Tao ohne Gestalt.

Es ist wie ein verhülltes Licht,
ein allesenthaltendes Samenkorn.
Und wenn der Same die Hülle durchbricht
beginnt der Kreislauf des Lebens von vorn.

Und so wie alles im Tao ist,
ist das Tao in allem enthalten.
Und so wie du Schöpfung des Taos bist,
kann das Tao durch dich erst die Welt gestalten.

Seit damals als die Zeit begann,
dauert das Tao bis heute an.
Denn es ist selbst der Beginn der Zeit,
es ist die Schöpfung, das Leben, das Leid.

Alle Dinge sind im Tao vorhanden.
Und durch diese Dinge, durch deren Präsenz,
kenn ich das Tao und seine Essenz –
und habe so seinen Weg verstanden!

Tao Te King 22

Sei nachgiebig und weich und du wirst überleben.
Sei demütig und du wirst dich über alle erheben.

Mache dich leer und lass dich vom Tao erfüllen.
Schöpfe dich aus um neues Leben zu enthüllen.

Lerne Nichts zu besitzen; streb nicht nach Gewinn.
Dann gehört dir Alles und alles macht Sinn!

So ist es des Weisen Art zu handeln.
Er lässt sich vom Tao vollkommen verwandeln.
Beeindrucken will der Weise nicht.
Und doch strahlt aus ihm ein helles Licht.
Und ohne die Menschen unwissend zu nennen,
bringt er sie dazu den Weg zu erkennen.
Ohne nach Ruhm und Ansehen zu trachten,
werden die Menschen ihn trotzdem achten.
Und da er selbst jeden Streit vermeidet,
gibt es auch niemand der darunter leidet.

“Herrsche gebeugt” – so sagen die Alten.
An diese Worte sollst du dich halten.
Und die Worte merk dir immer aufs Neue:
“Das Leben ist leicht, hältst du dir selber die Treue!”

Tao Te King 23

Starker Regen und Sturm in der Nacht:
beide dauern nicht ewig an;
sie werden von Himmel und Erde gemacht.
Und wenn nicht einmal die Welt das kann:
Wenn nicht einmal sie dauernde Dinge erschafft –
wieso glaubt dann der Mensch, er hätte die Kraft?

Folge dem Tao und nach was du auch strebst –
es gehört dem Tao solange du lebst!
Ist dein Handeln durch Te, die Tugend, bestimmt,
gibt es nichts, was dir diese Kraft wieder nimmt.
Doch verlierst du das Tao, verlierst du Te,
siehst du dein Glück dahinschmelzen wie Schnee.

Den Weg des Tao kannst du nur mit dir selber gehen.
Nur der Weg der Tugend hilft dir zu verstehen.

Doch ist der Weg, den du wählst, der Verlust –
dann ist es das, was du erkennen musst :
Verlust wird auch dein Name sein,
und vom Verlust der Tugend wirst du nie mehr rein.
Niemand wird dir mehr vertrauen.
Und du kannst auch auf niemanden bauen.

Tao Te King 24

Wer auf den Zehenspitzen steht,
der steht zwar hoch, aber nicht fest.
Und wer zu schnell vorwärts geht,
ist langsamer bald als der ruhige Rest.

Beharrt einer nur auf seiner Sicht,
dann wird ihm niemand mehr Neues beibringen.
Stellt einer sich immer nur selber ins Licht,
dann kann auch kein anderer zu ihm durchdringen.
Rühmt einer sich immer und allzu sehr,
dann achtet ihn bald niemand mehr.

Solche Menschen schätzt der weise Mann nicht:
sie sind wertlos wie ein verdorbenes Gericht.
Ein Mensch des Weges weilt nicht bei ihnen.
Es genügt ihm allein dem Tao zu dienen.

Tao Te King 25

Noch bevor die Welt geschaffen war;
noch bevor die Sterne den Himmel gefüllt;
war da ein Körper – unfassbar;
substanzlos in vollkommene Stille gehüllt.

Unmessbar groß umfasst er die Sphären.
Immer schon da, wird er immerdar wären.
Aus ihm entspringt das ganze Leben.
Doch kann ich ihm keinen Namen geben.

Nur als Tao kann ich es kennen;
und zwingst du mich einen Namen zu nennen,
fällt mir nur “Größer als Alles” ein –
denn nichts kann größer als alles sein!

Im Großsein ist es allesdurchdringend –
sich selber in weiteste Ferne bringend;
und wiederzukehren zurück in den Schoß.

Das Tao ist wahrhaftig groß!

Selbst der Himmel kann nicht größer sein.
Selbst die Erde erscheint nur klein.
Selbst der Mensch ist nur gering.

Und doch spricht man von den vier großen Dingen –
und der Mensch ist von ihnen das geringste Ding.
Selbst die, die es zum Herrscher bringen!

Der Mensch baut sein Leben auf der Erde auf;
die Erde kann nicht mit dem Himmel streiten;
der Himmel lässt sich immer vom Tao leiten.
Und das Tao folgt nur seinem eigenen Lauf!

Tao Te King 26

Gewicht ist die Wurzel der Leichtigkeit;
in jede Unruhe dringt Stille ein.
Und nur diese Stille macht dich bereit
von allen Gefühlen frei zu sein.

Der Weise wird nie fern vom Tao bleiben.
Und nie vergisst er dessen Gewicht.
Er nennt vielleicht Herrlichkeiten sein eigen –
doch wünschen wird er sie sich nicht!

Von allen Verlockungen unberührt
ziert nur ein Lächeln sein Gesicht.
Und nichts von allem hat ihn je verführt!

Und auch wenn der Herrscher glorreich erscheint;
man Güte in ihm zu erkennen meint;
so fehlt ihm doch meistens jede Substanz –
und das Gewicht des Taos fehlt ihm ganz!

Und wenn du des Taos Gewicht verlierst
wirst du dich auch von den Wurzeln trennen.
Und wenn du dich in Unruhe verirrst
kannst du auch deinen Ursprung nicht kennen!

Tao Te King 27

Man kann den Weisen dem Weg folgen sehen.
Doch dann sieht man seine Spuren nicht.
Und den Weisen, der die Wahrheit spricht,
sieht niemand in die Irre gehen.

Er macht seine Regeln deutlich und klar,
so dass niemand sie mehr vergessen kann.
Und ob sein Handeln gewinnbringend war,
ist uninteressant für den weisen Mann.

Seine Weisheit hält die Diebe fern.
Und daher kann er in Frieden ruh’n.
Er hat alle anderen Menschen gern –
sich sorgend, wie es nur Eltern tun.

Nur so kann Harmonie existieren.
Verlier den Weg und du wirst sie verlieren!
So ist es der Gute, der die Schlechten führt,
und der Fehlgehende wird von der Güte berührt.

Ein Beispiel des Lehrers zu missachten,
heißt auch das Tao an sich zu verachten.
Dem Weg zu folgen, den der Lehrer geht:
Ein Geheimnis gelüftet hat, wer dies versteht!

Tao Te King 28

Wisse was die Kraft des Yang erreicht!
Doch beachte das dein Wesen dem Yin mehr gleicht.

Sei wie ein Tal das für den Fluss sich teilt.
Sei wie ein Fluss für die Erde ist;
Sei wie ein Fluss dessen Wasser zum Ozean eilt.
Sei wie ein Kind – damit du frei von dir bist!

Lern diese Demut die das Leben erhält.
Sei wie die Erde – ein Tal für die Welt!

Sei ein Kanal für die Kräfte auf Erden:
Wenn du sie auf wahrhafte Art leitest,
und so die Verbindung mit dem Weg bereitest,
können sie wieder zu Einem werden.

Die Einheit bringt alle Dinge hervor:
Der Weise in Einklang mit dieser Einheit,
beherrscht die Dinge mit dieser Reinheit.
Die Einheit zu brechen versucht nur ein Tor !

Tao Te King 29

Wenn jemand die Welt zu erobern strebt:
Diesen Misserfolg habe ich oft erlebt!

Nichts ist heiliger als die Welt:
Niemand kann sie sein eigen nennen.
Und wer meint, dass er sie in Händen hält,
muss diese Unmöglichkeit erkennen:

Du verlierst sie, versuchst du sie festzuhalten.
Du zerstörst sie, versuchst du sie zu behalten.

Einige führen, andre gehen hinterher.
Einige steigen, andre fallen nur mehr.
Einige sind Wintersturm, andere wie Frühlingshauch.
Einige sind stark, andre leicht wie dünner Rauch.

Drum ist der Berufene nur frei,
meidet er die folgenden Drei:

Zuviel und Zugross und Zusehr!

Tao Te King 30

Kann ein Berater das Tao spüren,
empfiehlt er dem Herrscher niemals Gewalt.
Wer Krieg führt verliert nur seinen Halt:
es wird immer nur zur Vergeltung führen.

Dort wo Heere entlang marschieren,
kann man den Boden nicht für Pflanzen bereiten.
Das bedeutet den Tod von Menschen und Tieren.
Das führt immer zu hungrigen Zeiten.

Wenn du zum Handeln gezwungen bist,
dann tue nur das, was nötig ist.
Missbrauche niemals deine Macht –
gib auf den Weg des Taos acht!

Bilde auf den Erfolg dir nichts ein!
Und hast du Erfolg: deinen Ruhm halte klein!

Denn wer sich der Gewalt bedient,
hat die Macht auch nicht verdient!

Tao Te King 31

Will ein Herrscher den wahren Weg gehen,
so braucht er keine Gewalt zum Sieg.
An seiner Linken soll der weise Mann stehen;
an seiner Rechten der Herr über den Krieg.

Waffen sind unheilvolle Dinge –
die Menschen des Weges brauchen sie nicht.
Selbst wenn ihr Leben davon abhinge –
keine Gewalt zeigt sich auf ihrem Gesicht.
Der Weise strebt nur nach Frieden und Stille.
Zorn und Gewalt sind nicht sein Wille.

Kein Sieg war jemals ohne Bedauern.
Ihn zu feiern ist völlig unangebracht:
Wenn Lebende ihre Toten betrauern
und Kerzen anzünden in der Nacht.

Wer mit Freuden den Tod betrachtet,
kann nie mit der Welt in Einklang sein.
Er ist nicht geeignet auf die Welt zu achten;
sein Herz ist zum Herrschen viel zu klein.

In glücklichen Zeiten ehrt man den,
der auf der linken Seite steht;
und die, die zur Rechten des Herrschers stehen,
ehrt man, wenn es dem Land schlecht geht.

Sterben viele Menschen im Krieg,
sollst du sie mit Tränen beklagen.
Und erringst du im Kampf den Sieg,
sollst du Trauerkleider tragen!

Tao Te King 32

Das Tao ist ewig namenlos –
formlose Wolke – unendlich groß.

Folgt ein Herrscher ihm ergeben,
wird der ganzen Erde Leben
und alle, die ihn je leben sahen,
aus vollem Herzen ihn bejahen.
Himmel und Erde werden sich vereinen.
Süßer Tau wird von Himmel fallen.
Die Harmonie kehrt zurück zu allen.
Und das woher, das kümmert keinen.

Von Anbeginn an werden die Dinge benannt.
Doch wo ist das Handeln mit Aufhören verbunden?
Dieses Wissen ist als Weisheit bekannt.

Als noch alles Anfang war,
hat der Weise die Namen der Dinge gefunden –
ob sichtbar oder unsichtbar!

Ein Herrscher der den Weg des Tao beschreitet,
ist wie ein Strom, der ins Meer geleitet:
auf seinem langen, sich windenden Lauf
nimmt er die Wasser der Flüsse auf!

Tao Te King 33

Die anderen zu kennen zeigt was Klugheit schafft.
Doch dich selber zu kennen wird die Erleuchtung bringen.
Die anderen zu besiegen zeigt deine Kraft.
Doch dich selbst zu besiegen wird erst alles bezwingen.

Nur wenn dir das, was du hast, genug ist,
dann wirst du im Leben zufrieden sein.
Doch wenn du niemals zufrieden bist,
dann ist dir dein Reichtum immer zu klein.

Kannst du dein Selbst mit dem Tao verbinden.
So wird das was du bist auch kein Ende finden:

Leben wirst du und Leben sehen.
Und auch im Tode nicht vergehen!

Tao Te King 34

Das Tao erstreckt sich ohne Schranken –
endlos reicht es zu beiden Seiten.
Es füllt den Raum für alle Zeiten.

Alle Dinge haben ihm alles zu danken.
Doch Dank ist es nicht, was das Tao will.
Es ist für alle da und still.

Dem Leben gibt es die Nahrung gern
und macht sich nie zu seinem Herrn!

Es erhält das Leben, das es selber schafft
und um es zu erhalten braucht es keine Kraft!

Warum man es das “Große” nennt?
Weil es den Wunsch danach nicht kennt!

Tao Te King 35

Die, die im Licht des Einen regieren,
sind die, denen man trauen kann.
Vetrau dich solch einem Wesen an,
und du wirst dein Glück nicht mehr verlieren.

Süße Musik und köstliche Speisen,
lassen dich rasten auf deinen Reisen.
Doch lauscht du nur im Vorübergehen.

Und wie farblos musst du das Tao sehen!
Nichts Besonderes siehst du daran.
Es hört sich nicht außergewöhnlich an.
Es hat keine Form und keinen Geruch.
Das Tao zu leben – lohnt der Versuch?

Mein Freund – und wie es sich lohnt!
Durch das Tao wirst du vom Ende verschont.

Tao Te King 36

Schwächen kannst du nur starke Sachen.
Nur Großes kannst du kleiner machen.
Nichts nehmen, ohne zuvor auch zu geben.
Nichts überwinden ohne in Demut zu leben.

Dies ist als “klares Urteil” bekannt.
Und der Weise hat erkannt :

Das Starke ist zuerst verschwunden,
es wird vom Weichen überwunden!

Der Fisch in der Tiefe hat keine Sorgen.
Drum halte auch deine Kraft verborgen!

Tao Te King 37

Das Wirken des Taos wird ewig bestehen.
Dieses Wirken nennt man “Wu-Wei”:
Es ist von jeder Handlung frei –
doch nichts bleibt jemals ungeschehen.

Das Tao wirkt, weil es alles ist –
und braucht deswegen nichts zu tun.
Und wo der Mensch dies nicht vergisst,
kann er immer in Frieden ruh’n.
Und wenn sich einmal Teile abspalten,
sucht der wahre Herrscher die Einheit zu halten.

So einfach ist das rechte Leben:
Wenn niemand etwas für sich begehrt;
die namenlose Einheit verehrt;
dann wird es ewig Frieden geben.

Werde wunschlos und dann sieh:
Die Welt ist Musik: voll Harmonie!

Tao Te King 38

Wer das Leben wahrhaftig versteht,
sieht nicht, wie sehr er vor Güte strahlt.
Und das ist es, woraus das Leben besteht.

Wer aber das Leben zu kennen meint;
wer nur mit seinem Leben prahlt,
dessen Weg zeigt keine Wahrhaftigkeit!

Ein Mensch, der Te – die Tugend, kennt,
regiert durch Nichttun – durch “Wu-Wei”.
Nichts tut er, was sich Handeln nennt,
und keine Absichten sind dabei.

Ein Mensch, der Menschen lieben kann,
handelt voll Liebe, doch unbemerkt.
Und ein wahrhaft gerechter Mann,
hat dadurch seine Rechte gestärkt.

Jemand der “Wu-Wei” nicht versteht,
findet nur in der Ordnung halt.
Und wenn nichts nach seinem Willen geht,
braucht und sucht er die Gewalt!

Geht das wahre Tao verloren,
wird es durch “Moral” ersetzt.
Aus deren Verlust wird “Gewissen” geboren,
und an deren Stelle wird “das Recht” gesetzt.

Und wenn auch noch das verschwindet,
gibt es nichts mehr, was das Chaos bindet.
Es herrscht Verwirrung im ganzen Reich;
Weissagungen wollen die Menschen verwirren –
doch keine davon kommt dem Tao gleich.
Und das ist der Grund für all das Irren!

Der Weise bleibt bei Wirklichkeiten.
Er lässt sich durch Äußeres nicht verleiten.
Er weiß was Sein ist und was Schein.

Dort wo die Quelle staubig ist:
das Wasser unter dem Staub ist rein!
Das ist es, was der Weise niemals vergisst.

Tao Te King 39

Am Anfang war nur das Eine vorhanden:
Daraus ist das Universum entstanden.

Die Himmel sind eins: klar und rund.
Die Erde ist eins: ein fester Grund.
Der Geist ist eins und auch das Denken.
Und da alles eins ist kann es Leben schenken.
Die Herrscher sind eins, in einem Reich.
Alles ist so dem Einen gleich.

Doch ist der Himmel nicht klar und rein,
wird das auch seine Stützen schwächen.
Kann die Erde nicht friedvoll sein,
wird sie auseinanderbrechen.
Wenn der Geist die Güte vergisst,
kann ihm niemand mehr vertrauen.
Ist das Leben nicht was es ist,
kann es nichts Neues mehr aufbauen.
Wenn die Herrscher nicht mit dem Einen leben,
wird es im Reich bald Kriege geben.

In allen Dingen findet man Yin und Yang –
und daraus entsteht des Lebens Klang!

Die Erde ist nichts ohne Niedrigkeit.
Hohes kann nicht ohne Tiefe sein.
Der Herrscher schmückt sich mit Einsamkeit –
doch ohne sein Volk bleibt er immer klein.

Sich selbst als außergewöhnlich zu betrachten,
heißt sich von anderen abzuheben.
Doch das was die Leute nicht beachten,
das, dem sie keinen Wert beimessen:
das Einsame, das ohne Wert:
Das ist es, was den Weisen lehrt!

Erfolg bringt dir nicht immer Sinn!
Im Verlust liegt dein Gewinn!

Tao Te King 40

Das Tao kann in alle Richtungen gehen.
Sein Wesen ist geschmeidig und fließt.
Es sorgt dafür, dass das Leben sprießt.
Denn alles kann nur aus Nichtsein entstehen!

Tao Te King 41

Wenn der Weise das Tao dem weisen Schüler lehrt,
so folgt der ihm zu jeder Zeit.
Wenn ein gewöhnlicher Schüler vom Tao erfährt,
ist er nur manchmal zum Folgen bereit.
Und wird ein niedriger Schüler befragt,
so fällt ihm dazu nur Lachen ein –
und lacht er nicht, kann es kein Tao sein!

Darum haben die Alten gesagt:
Der klare Sinn ist schwer zu sehen.
Der helle Pfad wird dunkel erscheinen.
Und die, die dem Tao entgegengehen,
scheinen nur zurück zu schreiten.
Und die, die den Weg zu kennen meinen,
findet darauf nur Schwierigkeiten.

Das höchste Leben ist leer wie ein Tal.
Die höchste Reinheit ist nie wahr.
Das starke Leben ist unscheinbar.
Das wahre Wesen hat immer die Wahl.

Ein großes Viereck hat keine Ecken.
Ein großes Werk ist nie zu Ende gebaut.
Ein großer Ton entsteht aus einem unhörbaren Laut.
Die größte Form wird sich gestaltlos erstrecken.

Das Tao in seiner Verborgenheit,
ist ohne Namen und unsichtbar.
Und so wie es immer schon schöpferisch war,
erschafft es auch in Ewigkeit!

Tao Te King 42

Das Eine wird durch das Tao gegeben.
Dieses Eine erzeugt die Zwei.
Diese Beiden erzeugen die Drei.
Und die Drei erzeugen das Leben !

Hinter allen Dingen ist Dunkelheit.
Sie streben nach Licht zu jeder Zeit:
Dies alles wird durch Yin und Yang geschafft
und das strömende Qi gibt dazu die Kraft.

Auch wenn die Menschen Einsamkeit hassen,
bezeichnen sich Herrscher meist selbst als “verlassen”,
Durch Weniger wird aus Dingen mehr.
Durch Füllen wird oft manches leer.
Und das ist als Lehre des Weisen bekannt:
Wer gewalttätig lebt stirbt von fremder Hand!

Tao Te King 43

Das Weichste von allen Dingen,
wird immer vor dem Härtesten sein.
Und so wie die Wasser die Felsen durchdringen,
dringt auch das Unsichtbare überall ein.

Daran kann man den Wert des Nichttun sehen.
Doch wenige nur können das verstehen.

Tao Te King 44

Was von beidem ist wirklich wichtig:
Das was du bist oder als was du erscheinst ?
Was von beidem ist eigentlich nichtig:
Dein Leben oder was du zu besitzen meinst ?
Ob man verliert oder gewinnen kann?
Kommt es darauf wirklich an?

Steckst du all deine Kraft in dein Werk hinein,
wirst du woanders niemals erfolgreich sein.
Und der, der nur nach Schätzen giert
kann sicher sein, dass er alles verliert!

Erst wenn du ablässt von allem Streben
dann kannst du auch in Frieden leben!
Erst wenn du jemand zu sein vergisst,
kannst du sein, was du wirklich bist!
Dann kannst du Tao sehen
und den ganzen Weg verstehen!

Tao Te King 45

Großes kann nie vollkommen sein –
und darum bewirkt es, was es ist.
Wahrer Reichtum ist so, als wäre nichts dein:
das heißt dass du niemals etwas vermisst.

Große Geradheit erscheint of wie krumm!
Große Begabung erscheint wie dumm!
Und große Beredsamkeit wie stumm!

Handle gelassen, doch nicht kalt.
Zorn macht immer vor Frieden halt.
Suchst du die Ordnung der Dinge – dann sieh:
Stille ist es – und Harmonie !

Tao Te King 46

Wenn das Tao die Welt regiert
wird man die Pferde am Felde verwenden.
Wenn die Welt das Tao verliert,
dann werden die Pferde im Krieg verenden!

Verlangen die Menschen immer zuviel,
ist in Wahrheit Verderben ihr Ziel.
Aus Gier folgt nie Zufriedenheit –
wären die Menschen doch endlich soweit,
mit dem was sie haben, zufrieden zu sein.

Doch außer “Ich” fällt ihnen nichts ein!

Tao Te King 47

Ohne aus dem Haus zu gehen,
kannst du die Welt dein eigen nennen.
Ohne aus dem Fenster zu sehen,
kannst du den Weg des Himmels kennen.

Wandre nur herum auf Erden:
dein Wissen wird nur geringer werden!

Der Weise muss nie auf Reisen gehen.
Er kann auch so alles verstehen.
Er sieht obwohl er nicht wirklich sieht.
Er handelt nicht und alles geschieht!

Tao Te King 48

Studierst du das Wissen, dann lernst du täglich.
Studierst du das Tao, dann scheiterst du kläglich.
Durch weniger Wollen kommst du beim Nichttun an.
Und erst durch Nichttun wird alles getan!

Die Welt wird dann am Besten geführt
wenn man sie dabei kaum berührt!

Tao Te King 49

Der Weise ist niemals voreingenommen.
Sein Herz hat er von den Herzen der Menschen bekommen.
Zu guten Menschen ist er gut.
Und spottet man ihn aus mit Hohn,
kennt er nur Güte, keine Wut –
die Güte selber reicht als Lohn.

Er traut denen, die ihm trauen.
Auch die anderen können auf ihn bauen,
Was er gibt ist sein Gewinn.
In Rachsucht findet er keinen Sinn.

Der Mensch des Weges lebt bescheiden –
wegen ihm soll niemand leiden.
Die Leute blicken zu ihm auf.
Und er betrachtet des Weges Lauf.
Und von denen, die zu ihm gekommen sind
behandelt er jeden wie sein eigenes Kind!

Tao Te King 50

Lang leben meist nur drei Menschen von zehn.
Und drei kann man früh sterben sehen,
während die anderen normal durchs Leben gehen.
Und der Grund für dieses Zählen,
ist das, was die Menschen im Leben wählen.

Wenn ihr richtig zu leben wisst,
unternehmt ihr nichts, was bedrohlich ist.
So wie der erfahren reisende Mann
weiß wie er den Tieren ausweichen kann.

Wer sich der Gefahr aussetzt,
weiß den Weg nicht gut zu wählen.
Wer weise lebt, wird nie verletzt
und jeder Angriff, der wird fehlen:
Der Stoß des Büffels trifft ihn nicht.
Der Tiger verfehlt sein Gesicht.
Die Waffe findet nie ein Ziel.
Nur wer falsch lebt, leidet viel.

Du fragst, warum der Weise das Sterben vergisst?
Weil nichts an ihm mehr sterblich ist!

Tao Te King 51

Das Tao ist Erzeugen.
Das Te ist Ernähren.
Stoff und Natur geben Gestalt –
und alles soll sich, ob jung oder alt,
vor dem Tao verbeugen
und das Te verehren –
den beide finden in sich selber halt.

Der Sinn erzeugt, das Leben nährt,
lässt wachsen, pflegt, vollendet, hält.
Nichts wird dabei von ihnen begehrt –
und anspruchslos schenken sie die Welt.
Erkennst du das, dann wird dir klar:
das Wesen dieser Tugend ist wahr!

Tao Te King 52

Alle Wesen kann man im Anfang sehen.
Dieser Anfang wird Mutter genannt.
Und hast du diese Mutter erkannt,
kannst du auch ihre Kinder verstehen.
Und wenn du begreifst, dass du selber ein Kind bist,
erkennst du, das sie dein Ursprung ist!
Und da sie der Ursprung von allen war,
bringt auch der Tod dir keine Gefahr.

Verschließe die Lippen, halt Reden klein –
und dein Leben wird lang und erfolgreich sein.
Doch wer seinen Mund nicht halten kann,
stirbt oft schon als junger Mann.

Schätze die Kleinigkeiten im Leben,
und dir wird wahre Weisheit gegeben.
Sich wie ein Grashalm im Winde zu biegen:
mit dieser Stärke wirst du siegen.
Suche im Leben die lichten Stellen.
Ihr Glanz wird dein ganzes Leben erhellen!

Tao Te King 53

Wenn das, was du weißt nur ein Bruchteil ist,
dann achte das du nicht die Verbindung vergisst.
Der große Weg ist einfach und leicht –
doch wenige haben das Ziel erreicht.

Die Paläste werden gehegt,
doch keine Felder mehr gepflegt.
Die Menschen sind in schöne Gewänder gehüllt,
die Kornspeicher jedoch kaum gefüllt.
Siw wollen prächtige Waffen tragen
und Essen und Trinken bei großen Gelagen.
Sie steigern den Reichtum unverhohlen –
und haben doch nur von den Armen gestohlen.

Sie sind die Räuber unserer Zeit –
und lange noch nicht für das Tao bereit!

Tao Te King 54

Hast du dein Werk auf Fels gestellt,
wird es auch nicht niedergehen.
Und das, was deine Hand festhält,
wird dir nicht verloren gehen.

Meditiere über dein eigenes Leben
und das Leben wird dir offenbart.
Kannst du dies Wissen deiner Familie geben,
wird es für Generationen verwahrt.
Mach dieses Wissen im Dorf bekannt
und jeder Mangel wird verschwinden.
Nutze dies Wissen zur Führung im Land –
so wirst du alles überwinden.
Lass dich bei allem davon leiten:
so kannst du dies Wissen wahrhaftig verbreiten!

Du und die anderen: ihr seid Eins.
Liebe andre Familien so wie du deine liebst.
Gib anderen Dörfern das was du deinen gibst.
Nimm alle Länder als Teil deines Seins.

Sieh die ganze Welt als Mutter an –
und dich in der Mitte stehen.

Warum kann ich die Welt so sehen?
Weil ich die Welt sehen kann!

Tao Te King 55

Du hast das wahre Leben erreicht,
wenn es dem eines Kindes gleicht.

Ein kleines Kind ist biegsam und schwach,
doch stark ist die Hand wenn sie deine ergreift.
Noch sind in ihm keine Begierden gereift –
und doch ist Erregung in ihm wach.

Es wird nicht von Wespen gestochen;
nicht von giftigen Schlangen gebissen;
nicht von jagenden Tigern gerissen
und nicht von wilden Tieren gerochen.

Soviel das kleine Kind auch schreit –
seine Stimme wird niemals leise.
Es lebt auf die richtige Weise.
Es sieht im Leben die Ewigkeit!

Hör auf ständig umherzuhetzen!
Lebenskraft unnütz einzusetzen!
Lass von Kampf mit dir selber los!
So erzeugst du nur unnütze Schmerzen.
Nimm dir die Kraft aus deinem Herzen.
Denn dann bist du wahrhaft groß!

Tao Te King 56

Der Wissende, der redet nicht.
Der Redende hat nichts verstanden.
Schließe deine Pforten dicht –
im Reden ist wenig Weisheit vorhanden.
Löse die wirren Gedanken auf:

Lass deinem Leichtsein seinen Lauf.
Spüre die Gemeinsamkeiten.
Lass dich von diesem Einssein leiten.

Dieses Einssein kann dir alles geben:
Liebe beeinflusst dich nicht mehr.
Feindschaft berührt dich dann nicht sehr.
Schande und Ruhm, Verlust und Gewinne –
Nichts davon trifft deine Sinne.
Du bist Herr über dein Leben !

Tao Te King 57

Gebrauche Gerechtigkeit um ein Land zu regieren.
Bedien dich der List um die Schlacht nicht zu verlieren.
Doch eines bedenke immer dabei:
Der wahre Weg ist einzig Wu-wei:

Je mehr Verbote, desto mehr Leid.
Je mehr Waffen, desto weniger Liebe.
Je mehr Luxus, desto weniger Schlichtheit.
Je mehr Gesetze, desto weniger Diebe.

Und durch diese Wahrheit verwandelt,
weis der Weise, wie er handelt:

Er handelt nicht : so wird das Volk geführt.
Er mischt sich nicht ein: so wird das Volk berührt.
Er benachteiligt nicht: so vermehrt er das Glück.
Er begehrt nicht: so kehrt alles zurück !

Tao Te King 58

Wenn du beim Herrschen großzügig bist
kannst du auf dein Volk jederzeit bauen.
Wenn dein Regieren voll von Gesetzen ist
kannst du dem Volk zu keiner Zeit trauen!

Glück kann leicht aus Unglück entstehen
und Unglück durch Glück sehr leicht vergehen.
Wohin wird dies alles führen
Wer ehrlich sein will sagt bald nicht mehr das Wahre.
Wer gut sein will wird bald Dunkelheit spüren –
und die Zeit der Vollendung dauert of Jahre.

Darum weis der Weise wie er handelt:
Sein Geist ist scharf doch verletzt er nicht.
Der Weise ist echt – doch niemals verwandelt –
und ohne zu blenden ist er doch voll Licht !

Tao Te King 59

Will der Weise die Welt regieren
und nicht den Grund des Himmels verlieren,
wird der Weise Schlichtheit verwenden.
Er erlangt sie nur dann, wenn seine Wünsche enden:

Warst du dir treu, früher im Leben,
strömt das Leben in dich ein.
Dann sind dir große Kräfte gegeben.
Nichts wird dir dann unmöglich sein;
Grenzen keine Barrieren bereiten:
Und so kannst du die Menschen leiten.
Hat der Weise so die Welt gefunden
ist seine Herrschaft mit Dauer verbunden.
Alles dies hat er dem Tao zu danken –
fest verwurzelt wird er nie wanken!

Tao Te King 60

Als Herrscher lass dich von Weisen beraten.
Regieren ist wie kleine Fische zu braten:
Tu es mit Behutsamkeit!
Lässt sich der Weise vom Tao leiten
können die Geister keinen Schaden bereiten –
und so verringert sich das Leid!
Wenn Te und Tao sich verbinden
werden die Dinge sich in Einheit finden!

Tao Te King 61

Ein großes Land ist wie die Mündung an einem Fluss
wo alles zusammenströmt und ineinander aufgehen muss.
Dort wo Weiblichkeit in Dingen schlief,
siegt ihr Yin über jeden Mann.
Es ist ein stille Gefäß und unergründlich tief
in das alles hineinströmen kann.

Wenn sich das große Reich unter das kleine stellt
hat es so dem kleinen die Furcht genommen.
Wenn das kleine Land an der Demut festhält
wird es das große Reich als Freund bekommen.
Es gewinnt das, das nachgiebig ist.
Und wenn du nachgibst – bleib wo du bist.
Ein großes Reich will größer werden.
Schutz braucht das Land, bleibt es klein.
Und es nützt jedem Land auf Erden,
wenn das Große lernt, unten zu sein.

Tao Te King 62

Das Tao ist die Quelle in der Alles ruht –
ein Schatz für dich, verhälst du dich gut.
Auch die Schlechten können Schutz in ihm finden.

Mit schönen Worten kann man Menschen binden.
Doch auch wenn ein Mensch sich schlecht verhält:
Das Tao ist es nicht, das das Urteil fällt!
Der weise Mann gibt niemand verloren.
Denn alle werden gleich geboren!

Krönt man den Kaiser an einem Ort:
Sei überall – doch nur nicht dort!
Besser ist es, im Tao zu verweilen,
als mit Geschenken dorthin zu eilen.

Die Alten wussten auf diese Weise zu leben.
Sie konnten dieses Handeln verstehen –
und darum auch nie einen Fehler begehen.
Nichts Kostbareres kann es geben!

Tao Te King 63

Der Weise scheitert nicht, weil er nicht handelt –
auf diesem Weg kann er nicht irren.
Doch wir scheinen unser Leben immer dann zu verwirren,
wenn es sich zum Guten wandelt.

Und wie ist der weise Mann?
Er lernt, was man nicht wissen kann!
Er hilft uns, unseren Weg zu gehen,
ohne uns jemals im Wege zu stehen.
Doch achte, das du niemals “Wu-Wei” vergisst:
“Wu-Wei” durchfließt den Weisen bei allen Dingen –
er vollbringt alles, ohne den Wunsch zu vollbringen.

Genieße den Geschmack der nicht zu schmecken ist!

Nimm dich den großen Dingen an,
solange man sie noch überschauen kann.
Beginne früh mit den schweren Sachen –
und du wirst dir die Arbeit leichter machen.
Und meinst du immer, nichts sei schwer,
findest du keine leichten Dinge mehr.

Bedenkt der Weise die Schwierigkeiten,
kann nichts im Schwierigkeiten bereiten!

Tao Te King 64

Wenn Frieden herrscht, sei für Gefahr bereit –
und wähnst du dich sicher, vergiß nie die Wachsamkeit.
Denn leicht bricht das Spröde und Harte –
und leicht zerstreut sich das Feine und Zarte.
“Handle bevor etwas geschieht!
Ordne bevor man die Unordnung sieht!”

Ein großer Baum, den niemand umfassen kann,
fängt als Samen zu wachsen an.
Ein neun Stockwerke hohes Haus,
beginnt doch immer vom Boden aus.
Und auch wenn du auf lange Reisen gehst:
die Reise beginnt dort, wo du jetzt stehst.

Wer meint, das er alles wissen kann,
der kommt schnell dem Unheil nah.
Und sieht einer alles als Eigentum an,
steht er bald mit leeren Händen da!

Tao Te King 65

Die alten Herrscher herrschtne klug:
wenig Wissen ist oft schon genug.
Sie ließen die Menschen in Einfachheit leben –
und konnten ihnen so die Freiheit geben.

Wer mit allzu große List regiert,
sieht wie er die Gunst des Volkes verliert.
Wer das Volk ohne Wissen leitet,
sieht wie er Glück und Frieden verbreitet!

Kannst du diese Dinge verstehen,
wirst du den Weg des Lebens gehen.
Dies verborgene Leben kannst du überall spüren –
du findest es anders als bei allen Dingen.
Aber läßt du dich immer davon führen,
bewirkt es zuletzt das große Gelingen!

Tao Te King 66

Der Ozean ist König der Gewässer,
weil alles Wasser hinab zu ihm fällt.
Und auch das Volk lebt immer besser,
wenn der Herrscher sich tiefer stellt.
Nur wenn die Führer hinten stehen,
wird das Volk mit ihnen gehen.

Wenn er die Menschen nicht überwacht,
wird das Volk keine Unterdrückung spüren;
wenn er das Volk und nicht sich glücklich macht,
wird niemand böse Reden führen.

Seine Herrschaft wird so Vetrauen bereiten-
und es gibt keinen der ihr ein Ende bereitet.
Der Weise wird nie mit anderen streiten-
darum gibt es keinen, der mit im streitet!

Tao Te King 67

Drei Schätze nenne ich mein eigen:

Ich kann den Menschen die Liebe geben.
Ich kann in wahrer Genügsamkeit leben.
Ich will in der Welt nicht hoch aufsteigen.

Weil ich euch liebe, liebt ihr mich.
Verschwende ich nichts, schenke ich euch mein Ich.
Und nur durch meine Unvollkommenheit,
bin ich für eure Führung bereit.

Doch wenn einer beim Mut die Liebe vergißt;
großzügig aber nicht genügsam ist;
-will einer nur immmer vorwärts gehen,
ohne dabei auch zurückzustehen:
Er wird den Weg des Todes finden!

Wenn du beim Herrschen Liebe benützt,
kann niemand dich und dein Volk überwinden –
denn der Himmel hat alle durch Liebe geschützt!

Tao Te King 68

Ein guter Krieger sucht nie nach Streit-
er ist beherrscht zu jeder Zeit.
Ein guter Kämpfer kann den Kampf nicht leiden;
ein guter Führer ist immer bescheiden.

Das ist die Tugend des Nicht-Streiten;
sich mit andrer Menschen Kraft zu verbinden-
schon seit längst vergangenen Zeiten,
ist das der Weg, den Himmel zu finden!

Tao Te King 69

Bei den Soldaten gibt es ein Wort:
“Niemals greif ich als Erster an.
Ich geh lieber zurück anstatt voran.”

Ohne Bewegung bewegst du dich fort-
den Gegner besiegts du so tatenlos.
Auch ohne Waffen erscheinst du groß.

Unterschätze nie den Feind!
So kannst du sicher nicht gewinnen.
Denn wer das zu wissen scheint,
kann dem Unglück nicht entrinnen.

Wenn sich die Menschen zum Kämpfen vereinen,
werden jene siegen, die am schwächsten erscheinen!

Tao Te King 70

Meine Worte sind leicht zu verstehen;
man kann sie leicht ausführen und danach handeln.
Und doch kann niemand auf meinem Weg gehen
und auf dem Weg des Taos wandeln.

Ich kann die Wurzeln meiner Werte nennen;
in meinen Taten sind Vorbilder vorhanden.
Doch haben die Menschen nichts verstanden
und können daher auch mich nicht kennen.

Kaum einer der Menschen geht nicht fehl;
umso wichtiger ist der Sinn!
Und auch wenn ich ärmlich anzusehen bin-
in mir selbst steckt ein Juwel!

Tao Te King 71

Das Wissen der Nichtwissenheit
ist das Höchste zu jede Zeit.
Nicht zu wissen, was Wissen ist,
kann man wahrhaftig Leiden nennen.
Und wenn du so ein Leidender bist,
wirst du dieses Leiden nicht kennen.

Und darum leidet der Weise nicht:
du siehst dies Leiden in seinem Gesicht!

Tao Te King 72

Geben die Menschen nicht auf das Unheil acht,
löst das gerade das Unheil aus.
Bedränge die Menschen nicht in ihrem Haus
und nimm ihnen nicht das, was ihr Leben ausmacht.
Versuche nicht, sie in die Enge zu treiben-
dann wird ihr Leben auch glücklich bleiben-

Drum achtet der Weise, der sich selber kennt
darauf das niemand in prahlerisch nennt.
Er liebt sich selbst dich sucht er die Ehre nicht.
Er legt die Macht ab und zeigt sein wahres Gesicht!

Tao Te King 73

Es stirbt, wer mutig und furchtlos ist,
doch lebst du, wenn du vorsichtig bist.
Beide haben recht und beide irren –
und beide werden den Weg nicht gehen.
Wer kann diese Wahrheit entwirren?

Selbst der Weise kann nicht alles verstehen.
Das Tao streitet nicht und wird immer siegne.
Es fragt nicht und wird immer Antwort kriegen.
Es fordert nicht und bekommt von allen Dingen.
Es handelt nicht und doch wird alles gelingen!

Im Netz des Himmels kann man weite Maschen sehen-
und doch wird ihm absolut nichts entgehen!

Tao Te King 74

Wenn die Leute keine Furcht vor dem Tod in sich tragen,
kannst du sie mit dem Tod nicht schrecken.
Und versuchst du, durch Töten diese Furcht zu wecken:
Wer wird dann noch zu Handeln wagen?

Das Töten ist Sache der Todesmacht.
Diese Macht einem andren zu geben:
ist so wie wenn in dir der Wunsch erwacht,
einen Zimmermann nachzumachen:
Nimm seine Axt für deine Sachen
und bald wird Blut an deinen Händen kleben!

Tao Te King 75

Warum haben die Menschen nichts mehr zu Essen?
Weil die Herrscher sie mit Steuern erpressen!
Warum Aufruhr und Rebellion das Volk durchdringen?
Weil die Herrscher ihnen zuviel Gesetze aufzwingen!
Warum fürchten die Menschen das Sterben nicht?
Weil die Herrscher nach zuviel Reichtümern gieren!
Darum hat das Volk auch nichts zu verlieren.

Nur wer wenig besitzt sieht im Leben das Licht!

Tao Te King 76

So wie du im Leben weich und biegsam bist,
bist du im Tode starr und kalt.
So wie die lebendige Pflanze zart und geschmeidig ist,
ist sie im Tode spröde und ohne Halt.
Drum lent das Harte im Totenreich,
denn die lebendigen Dinge sind weich!

Der Starke ist es nicht, der den Sieg erhält;
der große Baum wird bald gefällt.

Das Harte und Starke wird zugrunde gehen.
Das Weiche und Schwache wird oben stehen!

Tao Te King 77

Das Tao ist wie das Spannen beim Bogen:
was oben ist wird hinab gezogen;
was unten ist, zieht es hinauf.
Es nimmt der Fülle und füllt den Mangel auf.

Wer viel hat dem wird genommen werden.
Wer wenig hat, dem wird gegeben.
Doch wie ist der Weg des Menschen auf Erden?
Wer Reichtümer sammelt in seinem Leben,
der ist es, der den Armen die Armut bringt.

Was das für ein Gefühl sein muß!
Teilst du mit anderen den Überfluß!
Du siehst, wie dich das Tao durchdringt!

Tao Te King 78

Nichts auf der Welt ist wie das Wasser: so weich.
Und doch kann es die härtesten Dinge durchdringen-
und nichts kann es zum stehen bringen.
In seiner Art kommt ihm nichts gleich!

Die Menschen können dieses Wissen verstehen-
und doch nicht den Weg des Wassers gehen.

Der Weise wird an den Kummer von allen denken-
und darum kann er das Land auch lenken.
Als wärs die Welt kann er sein Land beweinen-
und in Wahrheit kann die Wahrheit oft wie ihr Gegenteil erscheinen!

Tao Te King 79

Hast du nach einem großen Streit
die Versöhnung wieder gefunden,
bleibt oft ein Rest von Bitterkeit;
entstehen von neuem große Wunden.

Drum vergiß bei Bitterkeit die Güte nicht!
Wer Te – das Leben – hat, hält sich an seine Pflicht.
Wer Leben hat, wird seinen Teil geben:
deinen Teil von dir verlangen die ohne Leben.

Das Tao des Himmels bevorzugt keinen.
Es mit dem andren so wie mit dem einen!

Tao Te King 80

Ist ein Land und dessen Volk sehr klein,
setzt man für die Arbeit keine großen Maschinen ein.
Das Volk weiß von des Todes Wirklichkeit:
sie fahren nicht fort und reisen nicht weit.
Sie brauchen kein Heer und werden keine Waffen verwenden.
Sie rechnen im Kopf und schreiben mit den Händen.
Ihre Speisen sind einfach – doch jeder wird satt.
Ihre Kleider sind schön und doch nicht teuer.
In ihrem Herd brennt immer ein Feuer.
Jeder ist glücklich mit dem was er hat!

Und können sie auch die Grenzen sehen-
sie verspüren nicht den Wunsch, hinüber zu gehen.

Leben lassen und selber leben-
nicht mehr braucht man ihnen zu geben!

Tao Te King 81

Niemand will die reine Wahrheit hören;
und nur schöne Worte sind entbehrlich.
Ehrliche Worte werden dich nicht betören;
und wer dich verführen will meint es nicht ehrlich.

Der wahre Weise ist nicht gelehrt.
Der Gelehrte weiß auch nicht mehr.
Der Weise wird nicht für Besitz verehrt;
er gibt alles für andere her.
Und durch dieses selbstlose Geben,
findet er allen Reichtum im Leben.

Das Tao des Himmels gibt alles ohne Schaden zu bereiten.
Das Tao des Weisen vollendet alles ohne zu streiten!

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Kommentare (24)

  1. #1 baba
    25. Juni 2015

    Das ist mal eine Überraschung! Ich habe mich im Rahmen meiner Diplomarbeit (Musik) viel mit Taoismus beschäftigt und hätte nicht erwartet, hier im Blog eine Übersetzung des Tao Te King zu finden. Ich finde die gereimte Version sehr gut gelungen! Man merkt, dass Du Dich mit den Versen echt befasst hast. Ich bin auch kein Taoist, aber Du hast recht: Die Gedichte regen wirklich zum Nachdenken an.
    Danke für diesen schönen Einstieg in den Tag und überhaupt mal ein RIESEN Dankeschön für Deine Arbeit!! Ich habe extrem viel von Deinen Texte und den Sternengeschichten gelernt und habe nach wie vor fast täglich Aha-Erlebnisse dadurch 🙂
    Ich kann nur sagen: Erhol Dich gut und dann – WEITER SO 🙂 !!

  2. #2 Florian Freistetter
    25. Juni 2015

    @baba: “eine Übersetzung des Tao Te King zu finden”

    Wie gesagt – es ist eher eine “Übersetzung”. Denn das Original hab ich ja nie gelesen (bzw. schon, ich hab auch ne Fassung des Originaltextes zuhause – aber verstanden hab ich halt nix 😉 )

  3. #3 Crazee
    25. Juni 2015

    Coole Sache das. Da werde ich ein wenig für brauchen.

    Wenn ich mal wieder so viel Zeit hätte wie in Studententagen…

  4. #4 Kyllyeti
    25. Juni 2015

    Es ist halt oft so mit schwierigen Sachen
    die dem Verständis Probleme machen
    Du kannst es probieren,
    sie mit Wortkunst neu zu formulieren
    und am Ende kannst du dir einen Reim darauf machen.

    (Losung eines unbekannten alten deutschen Meisters irischer Abstammung)

  5. #5 Braunschweiger
    25. Juni 2015

    @Kyllyeti: Ahh, frisch hergestellte “alte” Chinesische Sprichworte…

    Vielleicht sollten wir solche Reimweisheiten mal sammeln. Vielleicht sogar in einem Extra-Artikel. Ein gewisses Niveau sollte allerdings gewahrt bleiben.
    Ich hätte da einen älteren Beitrag, der von Wilhelm Busch genauso gut wie von Erich Kästner stammen könnte, vielleicht auch von einem früheren “Leserbriefschreiber” an passender Stelle:

    Witz mit Geist ist sehr beliebt,
    da es ihn recht selten gibt.

  6. #6 bikerdet
    25. Juni 2015

    Es war früher üblich Geschichten in Versform vorzutragen. So merkt es sich der Vortragende leichter und die Zuhörer ebenfalls. Bei einer rein mündlichen Überlieferung wird so relativ zuverlässig verhindert, das Texte VERSEHENDLICH falsch weitergegeben werden. Gegen eine absichtliche Verfälschung hilft das nicht, solange der Reim komplett angepasst wird.
    Auch heute noch sind alle unsere ‘Eselsbrücken’ in Reimform, man lernt sie so einfach schneller.

  7. #7 Florian Freistetter
    25. Juni 2015

    Also wenn ich hier mal die ersten Zeilen des Originaltextes kopiere, dann scheinen da schon irgendwelche Reime drin zu sein. Zumindest sind die jeweils letzten Symbole immer gleich (ist aber im Rest des Textes nicht durchgehend so):

    道可道,
    非常道。
    名可名,
    非常名

    (von hier: https://ctext.org/dao-de-jing)

  8. #8 rolak
    25. Juni 2015

    die ersten Zeilen

    Da haste aber gerade noch rechtzeitig aufgehört, Florian, beim dritten Zeilenpaar paßt es nicht mehr. Zeichen 1, 3 und 6 sind übrigens, wie am Anfang des Textes nicht anders zu erwarten, das Zeichen für ‘Dao’.

    Hättest auch ganz lässig eine FortsetzungsPublikation starten können, bummelig bis Mitte Juli wärst Du ganz unauffällig gekommen 😉

  9. #9 LasurCyan
    25. Juni 2015

    Das ist ja fast musikalisch strukturiert^^

    ABA
    CDA
    EBE
    CDE

  10. #10 rolak
    25. Juni 2015

    musikalisch strukturiert

    Das ist im Chinesischen durchaus eingebaut, LasurCyan, deswegen könnte ich mir (im Gegensatz zu sonst) es als Hörbuch sehr unterhaltsam vorstellen (nein, Chinesisch beherrsche ich nicht, nicht einmal ansatzweise).

  11. #11 Dampier
    25. Juni 2015

    Geil. Ich habe mir vor Jahren mal eine Sammlung von Tao Te King-Übersetzungen angelegt (<– immer noch meine Lieblingsschreibweise). Da kommt diese natürlich auch rein. Das muss ich nochmal in Ruhe lesen und mit den anderen Texten vergleichen :]

    Eine Übersetzung kann es gar nicht geben, es werden immer nur Interpretationen sein. Ich fand es ungeheuer faszinierend und es regt wirklich zu Diskussionen an. Eine Zeitlang hab ich es auch als Schriftrolle verschenkt.

  12. #12 Dampier
    25. Juni 2015

    Hier ein freies Audio-Book. Ziemlich abgefahren vorgelesen.

    https://librivox.org/daodejing-by-laozi/

  13. #13 PDP10
    26. Juni 2015

    Ich habe ja mal so meine eigene Erfahrung mit Übersetzungen aus dem Chinesischen gemacht – nicht als Übersetzer, versteht sich (ich kann kein bischen Chinesisch), sondern als Käufer.

    Ich hatte vor einigen Jahren versucht eine möglichst “amtliche” Übersetzung von Sun Tsu’s “Kunst des Krieges” zu finden ..

    Und musste lernen, dass die gefühlten 372tausend deutschen Ausgaben praktisch alle aus dem englischen oder französischen übersetzt waren … äh, ja super. Stille Post.

    Letztlich habe ich genau eine gefunden, die tatsächlich vom chinesischen direkt ins deutsche Übersetzt war …

  14. #14 rolak
    26. Juni 2015

    Letztlich .. genau eine

    Boah wie gemein, PDP10: Welche?

  15. #15 rolak
    26. Juni 2015

    öhm, das war ein wenig flott… Mittlerweile (=gestern schon) fand sich auch eine Lesung in Mandarin, nicht in BambusSchachteln, sondern in Tuben.

    Und eine schräge Animation, von der ich allerdings wegen der bereits erwähnten Sprachfertigkeit überhaupt nicht sagen kann, was genau es ist.

  16. #16 Giannozzo
    26. Juni 2015

    rolak, das Youtube-Video ist eine Einführung in den Laozi, gezeichnet von Tsai Chih-chung. Das Buch dazu gibt es sogar auf deutsch:
    https://www.amazon.de/Das-Tao-King-Laotse-interpretiert/dp/3981114825/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1435310131&sr=1-1&keywords=tsai+chih+chung
    Das Daodejing ist im Original übrigens tatsächlich nicht durchgehend gereimt, sondern nur abschnittsweise – soweit sich das heute feststellen lässt. Denn die Zeichen wurden vor 2.500 Jahren natürlich ganz anders ausgesprochen als heute, und die phonetische Rekonstruktion ist eine Wissenschaft für sich.
    Schließlich, eine gute Übersicht über deutsche DDJ-Ausgaben gibt es hier:
    https://www.das-klassische-china.de/Tao/Ubersicht%20der%20versch%20Ausgaben/index.htm

  17. #17 rolak
    26. Juni 2015

    Schönen Dank für die MetaInformation, Giannozzo, statt FleißKärtchen gabs eine Verlinkung des Kommentars zur Ergänzung der hiesigen MetaDaten 😉

    phonetische Rekonstruktion

    Das wäre ja auch zu einfach, wenn es für jede Sprache solch gut erhaltene AusspracheLehrsysteme gäbe wie für Latein.

  18. #18 PDP10
    26. Juni 2015

    @rolak:

    “Boah wie gemein, PDP10: Welche?”

    Äh, tschuldigung … 🙂

    Jene:

    https://www.amazon.de/%C3%9Cber-die-Kriegskunst-Sun-Zi/dp/7119044869/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1435346812&sr=8-1&keywords=sun+zi+%C3%BCber+die+kriegskunst

    Leider “derzeit nicht verfügbar”. Aber vielleicht lässt die sich irgendwo gebraucht / antiquarisch auftreiben.

  19. #19 rolak
    26. Juni 2015

    nicht verfügbar

    Und auch auf die Schnelle nicht auffindbar, PDP10, doch Danhe!, so kann es immerhin schon mal auf die Suchliste…

  20. #20 Johannes
    1. Juli 2015

    Hier noch eine extreme Kurzfassung 😉 https://weirdoverse.com/weird-comix/tao-raw/

  21. #21 aam
    4. Januar 2016

    Pierre Martin: Dao-De-Ging (Tao-Te-King): Die Gnosis im Alten China

    https://laotse-dao-de-ching.blogspot.com/2007/11/daodejing-tao-te-ching-spruchkapitel-1.html

  22. […] zeitversetzte, Übersetzung des Textes, wie des Dao selbst, immer nur ein Kompromiss ist, der Mehrdeutigkeit möglichst eindeutig zu vermitteln versucht. Gesamtbewusstsein ist auch so ein Begriff, wie das […]

  23. #23 Aleksandar
    31. März 2017

    Wow!Ich bin ihnen sehr dankbar für diese Übersetzung.Das kann ich sehr gut verstehen.Und es war bestimmt sehr viel Arbeit für Sie,aber Sie haben es geschafft und zwar alles so perfekt gemacht!.Und Sie zeigen es kostenlos.Ich bin Ihnen sehr dankbar und bin positiv überrascht,dass es solche Menschen wie Sie gibt.

  24. #24 Michael Hammes
    Bad Homburg
    1. November 2019

    Also, die Übersetzung von Richard Wilhelm ist mehr als in die Jahre gekommen und sicher kein Standard mehr. Mit den vielen nachempfundenen Übertragungen ist es so eine Sache: irgendwann besagen sie mehr über den Verfasser als über Laozi und das Daodejing. Der chinesische Text ist zu tiefgründig, als dass man ihn in der Zielsprache auch noch in Reime fassen könnte, selbst wenn das im Originaltext so vorkommt. Dort gibt es zum Teil Reime aber auch häufig parallelen Satzbau, was in der Poesie ebenfalls genutzt wird. Nicht alle Aspekte kann man sinnvoll in der Zielsprache unterbringen.