Wenn sie nur ebenso ausgezeichnet präsentiert werden würde… Aber die Laureaten haben ihren Nobelpreis eben für die Forschung bekommen und nicht für ihre Vortragstechnik. Sie mögen zwar, zumindest unter Wissenschaftlern, eine gewisse Prominenz genießen, aber wenn sie ihre Vorträge halten, dann zeigt sich, das sie auch nur ganz normale Menschen sind.
Gestern habe ich mir zum Beispiel angehört, was Carlo Rubbia, Preisträger für Physik aus dem Jahr 1984, über “Astro-Teilchenphysik und die Zukunft der Beschleunigertechnik” zu erzählen hatte. Wie gesagt, ich habs mir angehört – aber so gut wie nichts verstanden. Die Präsentation bestand aus Folien, die ausschließlich mit Text gefüllt waren und so schnell aufeinander folgten, das man kaum eine Chance hatte, sie zu lesen oder gar zu verstehen. Und wenn sie nicht voller Text waren, dann waren sie voll mit Formeln, die man wohl nur verstehen konnte, wenn man schon so viel Ahnung vom Thema hat, das man sich den Vortrag eigentlich gar nicht mehr anhören müsste. Und die Tatsache, dass die Konferenz in Lindau in diesem Jahr interdisziplinär ist und im Publikum nicht nur Physiker sondern auch Chemiker und Mediziner saßen, hat nicht unbedingt dazu beigetragen, das allgemeine Interesse an Rubbias Ausführungen hoch zu halten. Der Großteil der (noch) Anwesenden fand das eigene Smartphone interessanter als den Vortrag auf der Bühne.
Nicht zum ersten Mal habe ich mich gefragt, ob es sich wirklich lohnt, für solche Vorträge ganze Konferenzen zu veranstalten. Man sitzt den ganzen Tag in irgendwelchen Vortragssälen herum um sich Präsentationen anzuhören, bei denen man nicht sicher ist, ob man sie nicht versteht weil der Vortrag so schlecht war oder weil man zu dumm dafür ist… Und ich bin auch nicht der einzige, der sich so etwas fragt. Der Sinn von wissenschaftlichen Konferenzen wird immer wieder mal in Frage gestellt. Lest zum Beispiel diesen erhellenden Beitrag eines Doktoranden.
Natürlich hab ich in Lindau auch sehr gute Vorträge gehört. Den von Saul Perlmutter über die dunkle Energie fand ich enorm unterhaltsam und informativ. Und selbst als ich zufällig in einen Vortrag von Harald zur Hausen über Darm- und Brustkrebs geraten bin, war ich überrascht, wie interessant und verständlich er ein Thema präsentiert hat, über das ich mich normalerweise nie freiwillig informieren wollen würde.
Aber im Prinzip könnte man sich die Vorträge auf den Konferenzen auch sparen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse, die dort präsentiert werden, stehen auch in den entsprechenden Fachartikeln und sind dort meistens auch noch ausführlicher und verständlicher dargelegt als es in einer kurzen Konferenzpräsentation möglich ist. Das, was eine Konferenz wertvoll macht, sind nicht die Vorträge, sondern die Möglichkeit, mit Kollegen in einer anderen Atmosphäre und losgelöst vom üblichen Arbeitsalltag zu diskutieren. Wenn man die Wissenschaftler einfach eine Woche lang gemeinsam irgendwo an einem netten Ort Urlaub machen lassen würde, wäre das vermutlich sogar effektiver was die wissenschaftliche Arbeit angeht als wenn sie den Großteil ihrer Zeit damit verbringen müssen, sich (schlechte) Vorträge anzuhören…
Ich werde mir in Lindau natürlich trotzdem noch anhören, was es dort in den nächsten Tagen vorgetragen wird. Wenn ich Pech habe, erwische ich wieder eine Präsentationskatastrophe wie bei Rubbia; aber das muss ja nicht immer so sein. Interessante Themen wird es auf jeden Fall geben! Aber ich vermute weiterhin, dass der eigentliche Wert von Konferenzen wie der in Lindau nicht in den Vorträgen, sondern den intensiven Diskussionen danach liegt. Und wenn die Nachwuchsforscher zuvor gesehen haben, das der Nobelpreisträger auch nur ein ganz normaler Mensch ist und nicht besser vortragen kann als jeder andere Wissenschaftler, diskutiert es sich später gleich viel lockerer.
Hmm. Vielleicht machen die Nobelpreisträger das mit den schlechten Vorträgen ja auch genau deswegen absichtlich!
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