Zum Beispiel, weil ich manche Punkte trotz aller Erklärungen in der Pressemitteilung nicht verstehe und nochmal genau nachsehen will, worum es sich handelt. Oder weil ich eine Geschichte über die Forschungsarbeit schreiben will, für die ich mehr Details benötige, als in der Pressemitteilung zu finden sind. Oder weil ich eben die ganze Arbeit sehen will und nicht nur die Resultate, die sich die PR-Abteilung als berichtenswert heraus gesucht hat. Oft findet man so Geschichten und Forschungsergebnisse, die bei genauerer Betrachtung noch viel interessanter sind als das, was in der Pressemitteilung steht.
Die freie Verfügbarkeit der Quelle ist aber auch für die Leser meiner Artikel wichtig. Ich möchte nicht nur darauf verweisen können, wo ich meine Informationen her habe. Ich möchte auch, dass jeder die Möglichkeit hat, selbst nachzusehen, ob das was ich geschrieben habe, auch tatsächlich richtig ist. Bei Interesse soll auch jeder selbst weiter und tiefer recherchieren können. Und dazu muss eben nicht nur ich Zugriff auf die Quelle haben, sondern eben auch meine Leser.
Und genau das ist eben leider oft nicht der Fall. Oft ist der einer Pressemitteilung zugrunde liegende Fachartikel nicht frei verfügbar sondern bei den wissenschaftlichen Verlagen nur gegen eine (meist absurd hohe) Gebühr zu erhalten. Wenn das so ist, dann werde ich nicht über die Geschichte berichten, auch wenn sie noch so interessant ist. Natürlich gäbe es Möglichkeiten, trotzdem irgendwie an die Fachartikel zu kommen. Ich könnte die Forscher direkt anschreiben und darum bitten. Auch meine ehemaligen Kollegen an den Universitäten haben oft durch ihre Institutionen Zugriff auf die Arbeiten und könnten sie mir besorgen. Aber das ist keine Lösung für die Probleme, die ich eben alle beschrieben habe. Es geht nicht darum, ob ich den Artikel lesen kann oder nicht. Es geht ums Prinzip!
Ganz pauschal und ein wenig polemisch formuliert: Eine PR-Abteilung die eine Pressemitteilung verschickt deren Quellen nicht frei verfügbar sind sagt eigentlich nichts anderes als: “Unsere Wissenschaftler haben tolle Forschung gemacht und wir hätten es gerne, wenn du darüber berichtest. Aber verwende für deine Berichterstattung doch bitte nur die Informationen die wir dir geben und sonst nichts!” Dass das einem vernünftigen und vielfältigen Wissenschaftsjournalismus nicht zuträglich ist, sollte offensichtlich sein.
Mir ist auch klar, dass das Problem nicht gezwungenermaßen von den PR-Abteilungen verursacht wird. Die Entscheidung, ob eine Arbeit frei verfügbar ist oder nicht, liegt bei den Wissenschaftlern selbst. Wenn sie ihre Arbeiten in Zeitschriften veröffentlichen, die keinen freien Zugang ermöglichen und auch darauf verzichten, ihre Artikel anderweitig (zum Beispiel über Preprint-Server wie arXiv) verfügbar zu machen, kann die PR-Abteilung auch nichts daran ändern. Aber sie könnte (sollte) dann eigentlich auch darauf verzichten, eine Pressemitteilung zu verschicken! Und wenn die Wissenschaftler sich dann beschweren, dass ihre Ergebnisse nicht in der Öffentlichkeit auftauchen, kann man ihnen ja erklären, warum das so ist.
Natürlich ist das ganze Problem sehr komplex. Es geht um Open Access und darüber habe ich schon anderswo lange Artikel geschrieben und erklärt, wieso die Fixierung der Wissenschaft auf “wichtige” Journalen mit “gutem” Impact Faktor wenig zielführend ist und man lieber dafür sorgen sollte, dass die Arbeiten frei verfügbar sind. Dieser Artikel hier und mein Boykott nicht frei zugänglicher Forschung wird die Welt ebenfalls nicht ändern.
Es wäre aber eigentlich nicht schwer; zumindest wenn es nur darum geht, Pressemitteilungen mit freien Quellen auszustatten. Es braucht dazu keine große Politik; es braucht keine zusätzliche Finanzierung oder sonst irgendeinen großen Aufwand. Es braucht eigentlich nur eine zusätzliche Richtlinie in der PR-Abteilung: Eine Pressemitteilung kann nur dann verfasst werden, wenn die Wissenschaftler ihre Arbeit zuvor bei einem Preprint-Server hochgeladen haben. Das kostet kein Geld, kaum Arbeit und selbst die “wichtigen” Journale wie Nature und Science erlauben das mittlerweile.
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