Dieser Artikel entstand im Rahmen meiner Arbeit für das Lindau Nobel Laureate Meeting 2015. Ich habe für das Konferenzblog einige Artikel geschrieben die ich nun hier auch in meinem Blog veröffentliche. Dieser Artikel erschien dort am 1. Juli 2015 und der Vortrag auf dem er basiert ist hier online verfügbar.
————————————————————————
Die Fragen, deren Beantwortung den Lindauer Laureaten ihre Nobelpreise eingebracht haben, gehören zweifellos zu den wichtigen Forschungsgebieten der jeweiligen Zeit. Nicht alle dieser Fragen beschäftigen allerdings Wissenschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen. Bei manchen ist das aber sehr wohl der Fall und die, die sich der amerikanische Astronom Saul Perlmutter und seine Kollegen gestellt haben, gehört mit Sicherheit dazu. Schon vor vielen Jahrtausenden müssen die Menschen zum Himmel geblickt haben und sich angesichts der funkelnden Sterne gefragt haben, ob die Welt irgendwo ein Ende hat. Oder irgendwann.
“Geht das Universum immer weiter? Wird es für immer existieren?”
führt Perlmutter als fundamentale Themen an, über die sich die meiste Zeit nur Philosophen Gedanken machen konnten. Eine wissenschaftliche Beantwortung solcher Fragen war bis vor kurze Zeit weder denkbar noch technisch möglich. Und trotzdem gehört das kosmologische Problem von Anfang und Ende zu den Rätseln, die nicht nur für alle Menschen faszinierend, sondern in ihrer Grundlegenheit auch so simpel sind, dass jeder darüber nachdenken kann.
Abschließende Antworten haben wir darauf bis heute nicht gefunden, aber die Beobachtungen, die Perlmutter gemeinsam mit seinen Kollegen Brian Schmidt, Adam Riess und deren Mitarbeitern gemacht haben, bringt uns einem tieferen Verständnis zumindest näher. Die drei Astronomen wurden im Jahr 2011 für ihre Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.
Der Raum, der den Kosmos ausmacht, wird immer größer und die Rate dieser Expansion wird schneller und schneller. Perlmutter weist in seinem Vortrag bei der Nobelpreisträgertagung darauf hin, dass in diesem Fall nicht nur die Frage, sondern auch die Antwort erstaunlich vorstellbar und verständlich ist. Dass das Universum sich immer schneller ausdehnt, ist auch Menschen vermittelbar, die kein wissenschaftliches Hintergrundwissen haben. Es gäbe nur wenige fundamentale Konzepte der Physik, die simpel zu erklären sind und die Expansion des Kosmos gehöre dazu, meint Perlmutter.
Weniger simpel war es dagegen, diese Antwort zu finden. Die Frage nach dem Schicksal des Universums war immer schon da, aber es fehlte sowohl an theoretischen Modellen als auch den technischen Möglichkeiten, nach Antworten zu suchen. Erst als Albert Einstein vor 100 Jahren seine Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte, fanden die Wissenschaftler einen Weg. Einsteins mathematische Gleichungen konnten nicht nur dazu benutzt werden, die gravitative Wechselwirkung zwischen einzelnen Körpern im Universum zu berechnen, sondern ließen sich auch auf den Kosmos als Ganzes anwenden. Dabei lieferten sie allerdings Ergebnisse, die so gar nicht zu den Vorstellungen der Forscher und schon gar nicht zur Überzeugung von Albert Einstein selbst passten. Er war, so wie meisten seiner Kollegen, überzeugt, dass das Universum statisch war. Es sollte keine Anfang und kein Ende haben, weder im Raum noch in der Zeit. Stattdessen schien es nun nur zwei Möglichkeiten zu geben: Entweder der Kosmos dehnt sich aus oder er kollabiert.
Erst als die konkreten astronomischen Beobachtungen von Edwin Hubble in den 1920er Jahren zeigten, dass sich alle Galaxien tatsächlich voneinander entfernen und das um so schneller, je größer die Distanz zwischen ihnen ist, konnte sich die Idee eines Universums, das einen Anfang hat, durchsetzen. Seitdem haben Theorie und Beobachtung immer wieder bestätigt, dass der Kosmos vor etwa 13,8 Milliarden Jahren zu existieren begann und sich von da an immer weiter ausdehnt.
Wie aber wird das Ende aussehen? Wird das Universum einfach weiter expandieren? Oder sorgt die wechselseitige gravitative Anziehung der in ihm enthaltenen Materie dafür, dass die Expansion immer langsamer wird und sich irgendwann umkehrt, so dass alles in ferner Zukunft wieder in sich zusammen stürzt?
Kommentare (22)