Genau diese Frage war es, auf die Perlmutter, Adams und Riess eine Antwort finden wollten. Nicht durch theoretische Überlegungen, sondern durch ganz konkrete Messungen. Ihre Messgeräte sollten dabei explodierende Sterne sein und die Ausnutzung einer weiteren sehr simplen, aber fundamental wichtigen physikalischen Tatsache: Licht braucht Zeit, um von einem Ort im Universum zu einem anderen zu gelangen. Den Weg von der Sonne zur Erde legt ein Lichtstrahl in 8 Minuten zurück. Zum nächstgelegenen Stern (Alpha Centauri) ist es schon ganze 4 Jahre lang unterwegs. Und kommt es aus fernen Galaxien zu uns, dann kann es Millionen oder gar Milliarden Jahre unterwegs sein. Der Blick hinaus in die Tiefe des Universums ist also immer auch ein Blick zurück in die Vergangenheit. Die Beobachtung ferner Galaxien erlaubt es den Astronomen herauszufinden, wie der Kosmos vor vielen Milliarden Jahren beschaffen war. Und während sich das Licht auf seiner langen Reise durch das Weltall befindet, wird es von dessen Expansion beeinflusst. Die Ausdehnung des Universums streckt auch das Licht selbst und wenn es bei uns auf der Erde ankommt, ist es deswegen röter als es an seinem fernen Ursprungsort war.
Die Messung dieser Rotverschiebung erlaubt es den Astronomen herauszufinden, wie schnell sich das Universums in der Vergangenheit ausgedehnt hat. Dazu braucht man allerdings kosmische Ereignisse, die hell genug sind, um auch in diesen großen Distanzen noch von der Erde aus gesehen zu werden. Die gibt es allerdings: Wenn großen Sternen am Ende ihres Lebens der Brennstoff ausgeht und sie keine Kernfusion mehr durchführen können, dann vergehen sie in riesigen Explosionen, die kurzfristig heller leuchten als ganze Galaxien voll mit Milliarden Sternen. Will man also wissen, wie schnell sich das Universum in der Vergangenheit ausgedehnt hat um daraus Rückschlüsse auf das zukünftige Verhalten der Expansion zu gewinnen, muss man solche “Supernova”-Explosionen in fernen Galaxien beobachten und bestimmen, wie schnell sie sich von uns fort bewegen.
Das Prinzip dahinter ist einfach und die Aussichten waren vielversprechend: Man konnte durch die Beobachtung der Supernovae tatsächlich messen, wie das zukünftige Schicksal des Universums aussehen wird. Beziehungsweise: Man könnte es messen, wenn man eine Technik hätte, die es einem erlaubt. Denn Supernova-Explosionen lassen sich nicht vorhersagen und man weiß nie, wann und wo sie stattfinden werden.
Die Situation, vor der Perlmutter und seine Kollegen in den 1990er Jahren standen, ähnelt der, mit der sich die Wissenschaftler konfrontiert sahen, als sich im 17. Jahrhundert das heliozentrische Weltbild durchgesetzt hatte. Die Frage nach der Rolle der Erde im Gefüge des Kosmos war ähnlich fundamental wie die Frage nach dem Schicksal des Universums. Den Astronomen der damaligen Zeit war auch klar, dass es eine vergleichsweise simple Beobachtung gibt, die ihnen Auskunft über die Ausmaße des Weltalls geben würde. So lange man sich die Erde noch unbewegt im Mittelpunkt des Universums vorstellte, gab es keine Möglichkeit, durch Beobachtungen heraus zu finden, wie weit die Sterne entfernt sind. Aber wenn sich die Erde um die Sonne herum bewegt, dann ändert sich damit auch unser Blickwinkel auf die Sterne am Himmel. Je nachdem, auf welche Seite der Sonne unser Planet sich gerade befindet, schauen wir in unterschiedliche Richtungen hinaus ins All und sollten die Sterne daher auch vor dem Hintergrund scheinbar verschoben sehen. Je näher die Sterne der Erde sind, desto größer musste dieser Effekt sein, der “Parallaxe” genannt wurde. Man musste also nur die Position eines Sterns am Himmel möglichst genau messen und die Daten mit einer zweiten Beobachtung vergleichen, die ein halbes Jahr später durchgeführt wird. Der Unterschied in der Positionsmessung erlaubt dann direkt die Berechnung der Entfernung des Sterns. Das Prinzip war einfach und einfach zu verstehen, genau so wie Perlmutters Idee zur Messung der Expansionsrate des Universums. Und genau wie Perlmutters Idee war sie technisch enorm schwer umzusetzen.
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