Es dauerte bis zum Jahr 1838, bevor die Teleskope ausreichend gut waren und der deutsche Astronom Friedrich Wilhelm Bessel die Parallaxe des Sterns 61 Cygni messen und feststellen konnte, dass er ungefähr 10 Lichtjahre weit entfernt sein musste. Bessels Messung zeigte den Menschen, wie unermeßlich groß das Universum war, in dem sie lebten.
Und die Messungen von Perlmutter, Riess und Adams zeigten uns 160 Jahre später, dass dieses unvorstellbar große Universum immer schneller immer größer wurde. In jahrelanger Arbeit gelang es ihnen, ihre Beobachtungstechniken so zu verbessern, dass sie viele Galaxien auf einmal beobachten und damit ausreichend viele Supernova-Explosionen entdecken konnten. Die Ergebnisse waren völlig anders, als sie es erwartet hatten. Anstatt zu zeigen, dass die Gravitationskraft der Materie im Universum die Expansion des Kosmos im Laufe der Zeit langsam abbremst, beobachteten sie das Gegenteil. Die Ausdehnung des Alls beschleunigt sich!
So überraschend die Ergebnisse waren, so eindrücklich waren sie auch. Unabhängig von Saul Perlmutter und seinen Kollegen kamen Brian Schmidt und Adam Riess mit ihrer Arbeitsgruppe zum gleichen Ergebnis: Die Expansion des Universums beschleunigt sich. Für diese Entdeckung bekamen die drei Forscher den Physik-Nobelpreis und wer auch immer in Zukunft die Ursache dieser Beschleunig identifizieren wird, wird mit Sicherheit ebenfalls mit einem Nobelpreis ausgezeichnet werden. Denn diese Frage ist immer noch offen. Momentan führt man die Expansion des Alls auf die “dunkle Energie” zurück, was aber genau genommen nichts anderes als ein Platzhalter für eine echte Erklärung ist. An Erklärungsversuchen mangelt es nicht: Perlmutter schätzt, das alle 24 Stunden ein neuer Fachartikel mit einer Hypothese zur Deutung der dunklen Energie publiziert wird.
Perlmutter ist sich aber auch sicher, dass man hier noch lange nicht am Ende der Erkenntnis angekommen ist:
“Die Kosmologie ist eine junge Disziplin. Wir haben bis jetzt noch jedes Mal etwas Neues entdeckt, wenn wir die Präzision der Messungen erhöht haben.”
Und mehr Präzision ist dringend nötig, zum Beispiel wenn es darum geht heraus zu finden, wie die Expansion im ganz jungen Universum abgelaufen ist. Hier existieren noch sehr wenig Daten, da man dazu besonders weit entfernte Galaxien beobachten muss. Die fehlenden Informationen soll das Wide Field Infrared Survey Telescope (WFIRST) liefern, von dem Perlmutter hofft, dass es im nächsten Jahrzehnt in den Weltraum fliegen wird.
Aber er ist es gewohnt, zu warten und Geduld zu haben. Als er sein Projekt zur Beobachtung ferner Supernova-Explosionen begann, rechnete er damit, es in drei Jahren zu Ende zu bringen. Daraus wurden am Ende zehn Jahre und die Erkenntnis, die Perlmutter an erster Stelle anführt, als er sich zum Ende seines Vortrags fragt: “Was haben wir gelernt, als wir gelernt haben, dass sich die Expansion des Universums beschleunigt?”
“Manche Probleme sind es wert, lange Zeit daran zu arbeiten!”
Und manche Probleme sind offensichtlich so fundamental und so faszinierend, dass die Menschen gar nicht anders können, als so lange daran zu arbeiten und darüber nachzudenken, bis sie eine Lösung finden. Selbst wenn es Jahrhunderte dauert, wie bei der Beobachtung der Sternen-Parallaxe oder Jahrzehnte, wie bei der Bestimmung der Expansionsrate des Kosmos. Die Frage nach der wahren Natur der dunklen Energie und dem ultimativen Schicksals des Universums ist eine dieser Fragen. Die Menschen werden weiter darüber nachdenken und die Forscherinnen und Forscher nicht aufgeben. Die Faszination des Fundamentalen wird sie nicht aufgeben lassen und wenn im Jahr 2051 die Lindau Nobel Laureate Meetings ihr 100. Jubiläum feiern, steht hoffentlich ein Preisträger auf der Bühne und erzählt dem Publikum, wie die Antwort auf diese Frage gefunden wurde.
Kommentare (22)