Die Bewohner von Doggerland waren auch nicht einfach nur kurz zu Besuch sondern siedelten dort für einige Jahrtausende. In der Mittelsteinzeit hat es sich dort vermutlich sogar sehr gut gelebt. Nachdem dort während der Eiszeit vor allem Permafrost und Tundravegetation zu finden war, gab es dort danach jede Menge Wälder mit Birken und Kiefern. Doggerland war von jeder Menge Flüsse durchzogen. Es gab viele kleine Seen und einen großen zentralen See der sich ungefähr vor der heutigen Küste der Niederlande befunden hat. Flüsse und Seen ermöglichten den Fischfang, genauso wie der leichte Zugang zum Meer. Jäger konnten in den Wäldern von Doggerland auf Beute lauern oder zu Fuß auf die dicht bewaldeten späteren britischen Inseln wandern.
Dass Doggerland bewohnt war beziehungsweise überhaupt existiert hat, weiß man übrigens noch gar nicht so lange. Man hat zwar schon früher vor der Küste Englands immer wieder mal alte Baumstümpfe im Meeresboden entdeckt, die immer dann sichtbar wurden, wenn das Wasser bei Ebbe besonders niedrig stand. Die wurden “Noahs Wälder” genannt, aber ihre Bedeutung hat man damals nicht wirklich verstanden. Mehr Informationen gab es erst, als man anfing die Nordsee intensiv mit Schleppnetzen für den Fischfang zu durchforsten. Die Fischer fingen dabei nicht nur Fische, sondern brachten auch immer wieder Knochen an die Oberfläche, die eindeutig von Landtieren stammten. Eine erste systematische Untersuchung dieser Funde hat der britische Botaniker und Geologe Clement Reid im 19. Jahrhundert erstellt. Er war auch der erste, der vermutete, dass dort wo heute nur Meer ist, früher mal Land war und probierte anhand der Funde den Verlauf der damaligen Küsten zu rekonstruieren.
Interessant wurde die Sache dann 1931. Da haben Fischer ein Stück Torf vom Meeresboden nach oben geholt in dem sich eine Harpune befand. Kunstvoll verziert und eindeutig von Menschen gemacht. Und laut radiometrischer C-14-Datierung mehr als 12.000 Jahre alt! So richtig intensiv erforscht wird Doggerland aber eigentlich erst seit den 1990er Jahren, als die britische Archäoloigin Bryony Coles das Doggerland Project ins Leben gerufen hat. Sie war es auch, die der Region den Namen “Doggerland” gegeben hat. Seitdem bemüht man sich, durch Computermodelle und genaue Vermessungen die Geografie von Doggerland nachzuvollziehen; den Verlauf von alten Flüssen zu rekonstruieren und auch nach weiteren Fundstücken zu suchen.
Allzu viel Zeit kann man sich mit der Forschungsarbeit leider nicht lassen, denn die Nordsee ist nicht einfach nur Meer, sondern mittlerweile ein wichtiges Industriegebiet. An den Küsten werden Häfen und andere Objekte gebaut, im Meer entstehen Ölbohrplattformen und wenn die Daten der Ölfirmen – die natürlich auch sehr genau den Meeresboden untersuchen – zwar eine wichtige Informationsquelle für die Forscher waren, stellt die industrielle Aktivität in der Nordsee eine Gefahr für die vorhandenen archäologischen Fundplätze dar. In Zukunft könnten also auch noch die letzten Spuren von Doggerland verschwinden, nachdem zuvor schon das ganze Land untergegangen ist.
Aber warum eigentlich? Einmal lag das natürlich am Ende der Eiszeit. Es wurde wärmer, die Gletscher schmolzen und der Meeresspiegel stieg an. Durchaus schnell: Vor 10.000 Jahren lag er noch 60 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel; 2000 Jahre später waren es nur noch 25 Meter unter Normalnull. Man geht heute davon aus, dass es deswegen so schnell ging, weil auf der anderen Seite der Erde der sogenannte Laurentidische Eisschild zusammengebrochen ist. So nannte man die Eisdecke, die während der letzten Eiszeit große Teile von Kanada und den USA bedeckt hat. Als er schmolz, flossen gewaltige Mengen an Süßwasser in die Ozeane und brachten durch die Veränderung des Salzgehalts auch die Meeresströmungen durcheinander. Was wiederum Auswirkungen auf das globale Klima hatte, da die Meeresströmungen warmes bzw. kaltes Wasser um die Welt transportieren und dadurch die Temperaturen beeinflussen.
Kommentare (26)