Es ist nicht ganz klar, wieso Röntgen gerade dem Vortrag in Stockholm so eine große Abneigung entgegen gebracht hat. Immerhin hielt er regelmäßig Vorlesungen an seiner Universität und hat auch davor schon den einen oder anderen Vortrag in öffentlichen Rahmen gehalten. Vielleicht wollte er aber auch nur dem Konflikt mit dem Physiker Philipp Lenard entgehen. Bei der Entdeckung seiner Strahlen benutzte Röntgen von Lenard gefertigte Instrumente und der sah diesen Beitrag in Röntgens Publikation nicht ausreichend gewürdigt. Bei einem öffentlichen Vortrag über die Entdeckung hätte Röntgen darauf vermutlich eingehen müssen und dem Streit neue Nahrung geliefert.
Welche Gründe Röntgens Entscheidung auch immer zugrunde lagen: Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können das Unbehagen vor öffentlichen Auftritten vermutlich nachvollziehen. Die Forschungsarbeit scheint introvertierte Menschen besonders stark anzuziehen und die Präsentation der Ergebnisse vor einem großen Publikum stellt viele vor Schwierigkeiten. Dabei ist die Öffentlichkeitsarbeit ein unverzichtbarer Bestandteil der Wissenschaft: Wenn die Ergebnisse der Forschung einen nachhaltigen Wert haben sollen, müssen sie den Kollegen und vor allem dem wissenschaftlichen Nachwuchs vermittelt werden.
Wenn sich die Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger jedes Jahr in Lindau versammeln, dann tun sie dabei genau das. Sie sprechen vor hunderten Nachwuchswissenschaftlern aus aller Welt über ihre Arbeit und diese Vorträge dienen nicht nur der Information sondern auch der Inspiration. Große Entdeckungen wie die von Wilhelm Conrad Röntgen sind natürlich auch für sich alleine bedeutend. Aber ihr volles Potential können sie erst dann entfalten, wenn sie in der Öffentlichkeit diskutiert und präsentiert werden. Nur dann besteht die Möglichkeit, die der Wissenschaft innewohnende Faszination auch der nächsten Generation der Forscherinnen und Forscher zu vermitteln.
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