“Ab 2030 droht eine Mini-Eiszeit”. “Forscher glauben: Erde steht unmittelbar vor einer Mini-Eiszeit”. Oder “Forscher warnen: 2030 schläft die Sonne ein – und bringt uns eine Mini-Eiszeit”. So lauten einige der vielen Schlagzeilen, die momentan in allen Medien zu finden sind (und auf die mich sehr viele Leserinnen und Leser angesprochen haben). Anscheinend müssen wir uns um den Klimawandel keine Sorgen mehr machen, weil demnächst eine Eiszeit kommt. Aber da diese Eiszeit “droht” und Forscher davor “warnen” sollten wir vielleicht doch ein wenig Angst davor haben? Nein, zuerst sollte man mal nachsehen, ob das alles überhaupt stimmt was da behauptet wird…
All die Medienberichte beziehen sich auf diese Pressemitteilung der Royal Astronomical Society. Es handelt sich definitiv um seriöse Forschung seriöser Forscher; die in diesem Fall unter Valentina Zharkova von der Northumbria University stattgefunden hat. Sie hat sich mit der Sonnenaktivität beschäftigt. Damit ist nicht die Helligkeit oder die Leuchtkraft der Sonne gemeint; es geht um die elektromagnetischen Vorgänge im Inneren unseres Sterns; um die Art und Weise wie das Plasma aus dem sie besteht sich bewegt und die Magnetfelder beeinflusst. Sonnenaktivität ist das, was Sonnenflecken hervor bringt, Protuberanzen erzeugt oder Sonnenstürme auslöst. Ich habe darüber früher schon ausführlich in meinem Blog geschrieben, zum Beispiel hier oder hier.
Wir wissen, dass sich die Sonnenaktivität im Laufe der Zeit periodisch ändert. Sie wird in einem Zyklus von etwa 11 Jahren stärker und schwächer (was wie gesagt nicht heißt, dass die auf der Erde ankommende Menge an Sonnenstrahlung ebenfalls mit diesem Rhythmus stärker und schwächer wird!). Wir verstehen auch einigermaßen, warum das so ist und wie die Vorgänge im Inneren der Sonne dazu führen, das sich die Aktivität verändert. Aber eben nur einigermaßen und nicht wirklich exakt. Es ist schwer, in das Innere der Sonne zu schauen (auch wenn es in gewissen Ausmaß möglich ist). Und es ist noch viel schwerer, exakte Prognosen zu den kurzfristigen Änderungen in der Aktivität zu machen.
Den letzten Höhepunkt der Sonnenaktivität gab es 2013 und es ist der 24. Aktivitätszyklus der Sonne, seitdem im 18. Jahrhundert die ersten Messungen der Aktivität stattgefunden haben. Schon im Jahr 2011 gab es Hinweise darauf, das dieser und die kommenden Zyklen deutlich schwächer ausfallen könnten als zuvor. Der 25. Zyklus könnte so schwach sein, dass er quasi komplett entfallen könnte und diese Vorhersage wird durch die neue Forschung von Valentina Zharkova quasi bestätigt.
Dabei geht es um folgendes: Vereinfacht gesagt erklärte man die Sonnenaktivität bisher durch einen Dynamo im Inneren der Sonne; durch die Bewegung des elektrisch geladenen Plasmas das dort auf- und absteigt und herumwirbelt. Messen kann man das nicht direkt, aber man kann so einen Dynamo am Computer modellieren und nachsehen, wie sich die Beobachtungen der Aktivität am besten reproduzieren lassen. Zharkova und ihre Kollegen haben nun herausgefunden, dass man viel bessere Ergebnisse bekommt, wenn man nicht mit einem sondern mit zwei Dynamos arbeitet. Sie fanden Paare von magnetischen “Wellen” die in unterschiedlichen Schichten der Sonne ihren Ursprung haben und zwischen ihrer nördlichen und südlichen Hemisphäre wechseln. Die Vorhersagen die ihr Modell liefert zeigen auch, dass die beiden Komponenten im nächsten Zyklus nicht synchron laufen werden und im übernächsten Zyklus sogar exakt gegengleich auftreten, was zu einer Reduzierung der Sonnenaktivität führen wird. Sind die beiden Wellen in Phase, dann kann es zu Resonanzen kommen und es gibt eine starke Sonnenaktivität. Je weiter sie auseinander laufen, desto geringer wird die Aktivität und wenn sie komplett asynchron sind, wird die Aktivität besonders schwach.
Laut den Vorhersagen von Zharkova werden die beiden Wellen im übernächsten Zyklus, der zwischen 2030 und 2040 stattfindet, zur gleichen Zeit ihren Höhepunkt erreichen, allerdings auf jeweils unterschiedlichen Hemisphären der Sonne. Die Sonnenaktivität wird in diesem Fall sehr gering sein; so schwach, wie sie das letzte Mal während des sogenannten Maunderminimums war. So bezeichnet man den Zeitraum zwischen 1645 und 1715, als man besonders wenig Sonnenflecken beobachten konnte.
Und wo bleibt die Eiszeit? Die kommt in der Pressemitteilung eigentlich gar nicht vor. Nur im ersten Absatz wird darauf hingewiesen, dass das Maunderminimums in die kleine Eiszeit gefallen ist: Zwischen 15. und 19. Jahrhundert war das Klima auf der Erde ein wenig kühler als davor und danach, was auf das Leben der Menschen damals durchaus einen sehr relevanten Einfluss hatte (ich habe hier mehr davon erzählt). Man weiß allerdings nicht ob es tatsächlich einen klaren ursächlichen Zusammenhang zwischen der geringen Sonnenaktivität und den niedrigen Temperaturen gegeben hat! Tatsächlich gibt es viele mögliche Ursachen (Vulkanismus, Wiederbewaldung durch Bevölkerungsrückgang, Veränderungen beim Golfstrom, usw) die vermutlich alle eine Rolle gespielt haben. Es wäre mit dem aktuellen Wissensstand unredlich zu behaupten, dass eine verringerte Sonnenaktivität zwingend zu einer “Eiszeit” führen muss und die Forscher haben das auch nicht getan!
Aber natürlich wollten es sich die meisten Medien nicht entgehen lassen, diesen Nebenaspekt der Pressemitteilung zur eigentlichen Schlagzeile zu erheben. Und haben dann auch fälschlicherweise behauptet, das Forscher eine Eiszeit “vorhergesagt” oder gar davor “gewarnt” hätten. Das ist schlechter Journalismus und grob irreführend. Es ging bei der Pressemitteilung um die neuen Erkenntnisse zur Vorhersage der Sonnenaktivität. Es ging um die Hypothese, dass sie in den nächsten Jahrzehnten geringer ausfallen wird als zuvor. Und es wurde darauf hingewiesen, dass die Aktivität das letzte Mal während des Maunderminimums so gering war, wie sie demnächst vielleicht werden wird. Irgendwelche “Warnungen” gab es nicht; schon gar nicht vor einer Eiszeit!
Zusammengefasst: Wissenschaftler haben die Vorgänge im Inneren der Sonne ein bisschen besser verstanden und Medien haben schlecht und irreführend darüber berichtet. Es gibt keinen Grund vor einer kommenden Eiszeit Angst zu haben oder den Klimawandel als “erledigt” zu betrachten.
P.S. Eine letzte Anmerkung: Vor kurzem habe ich erklärt, dass Pressemitteilungen ohne frei verfügbaren Quellen schlecht für den Wissenschaftsjournalismus sind. Die Sache mit der Eiszeit bestätigt genau das. Es gibt zu der Forschung von Zharkova nur die oben erwähnte Pressemitteilung und keine wissenschaftliche Facharbeit, in der man mehr und genauere Informationen bekommen hätte können. In diesem Fall handelt es sich um eine besondere Situation weil die Pressemitteilung von einem Vortrag bei einer wissenschaftlichen Konferenz berichtet und auf Konferenzen oft über noch nicht veröffentliche Forschung gesprochen wird. Aber der Fall zeigt eben auch, was passiert wenn nicht genug Informationen über ein Thema frei verfügbar sind…
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