Gestern war es dann endlich so weit. Nachdem die Raumsonde New Horizons am Dienstag in knapp 13.500 Kilometern an Pluto vorbei geflogen ist wurden endlich die ersten Bilder der Begegnung veröffentlicht. Wie nicht anders zu erwarten, waren sie höchst spektakulär.
Die Oberfläche des fernen Himmelskörpers zeigt beeindruckende Details:
Hier sieht man Berge auf Pluto. Echte Berge, keine Hügel – die Erhebungen sind bis 3500 Meter hoch! Es sind Berge aus Eis (das am kalten Pluto härter ist als Gestein) und sie sind jung. Ihr Alter wird auf 100 Millionen Jahre geschätzt. Das bedeutet, das Pluto geologisch noch aktiv sein muss. Auf der Erde ist für diese Aktivität die Wärme in ihrem Inneren verantwortlich. Der viel kleinere Pluto muss aber schon längst abgekühlt sein; hier muss es einen anderen Mechanismus geben, der dafür sorgt dass die Oberfläche sich auch in der geologischen Gegenwart noch verändern kann. Einen Mechanismus, den man in den nächsten Monaten und Jahren noch entdecken und verstehen muss.
Aber New Horizons hat nicht nur hübsche Bilder gemacht, sondern auch andere Daten gesammelt. Diese hier zum Beispiel:
Man hat hier mit dem Spektroskop an Bord die Menge an Methan gemessen, die man in der Nordpolregion (der grüne Bereich) und in der Nähe des Äquators (roter Bereich) finden kann. Es existiert dort nicht in Form von Gas, sondern gefroren als Eis. Die Daten deuten darauf hin, dass das Methan-Eis am Nordpol durch gefrorenen Stickstoff “verdünnt” ist. Das zeigt, das auf Pluto an verschiedenen Orten verschiedene Bedingungen herrschen und es sich nicht um einen homogenen Himmelskörper handelt.
Und dann gibt es dort ja nicht nur Pluto, sondern auch noch fünf Monde. Der größte davon ist Charon und auch von dem hat man beeindruckende Bilder gemacht:
Über den ganzen Mond zieht sich ein System aus Klippen, das 1000 Kilometer lang ist und rechts oben erkennt man einen gewaltigen Canyon der 7 bis 9 Kilometer tief ist. In der Nordpolregion hat sich irgendetwas dunkles abgelagert und es ist, wie bei Pluto, mehr als deutlich das es sich um einen komplexen Himmelskörper handelt, auf dem einiges zu passieren scheint.
Auf den ersten Blick weniger spektakulär erscheint das Bild des kleineren Mondes Hydra:
Aber angesichts der Tatsache, dass man von Hydra bis jetzt außer einem Lichtpunkt überhaupt nichts gesehen hat, ist diese verpixelte Aufnahme schon ein großer Fortschritt. Sie zeigt uns, dass der Mond eine unregelmäßige Form hat (und ca. 43 mal 20 Kilometer groß ist). Und das es große Helligkeitsunterschiede gibt und damit auch eine strukturierte Oberfläche mit Eis und Kratern.
Das, was man seit gestern über Pluto weiß, ist allerdings nur eine kleine Vorschau, auf das, was noch kommt. So gut wie die gesamten Daten, die während des Vorbeiflugs gesammelt worden sind, befinden sich noch in den Computerspeichern an Bord des Raumfahrzeugs. Die Bilder, die erst noch zur Erde geschickt werden müssen, haben eine noch bessere Auflösung als das, was man bisher gesehen hat. Wegen der großen Entfernung wird es aber noch bis zu einem Jahr dauern, bevor der komplette Datensatz hier angelangt ist. Wir können also in den nächsten Monaten mit immer wieder neuen Überraschungen, tollen Bildern und faszinierenden Erkenntnissen rechnen.
Aber selbst wenn New Horizons jetzt ausfallen sollte und nichts davon mehr zur Erde schicken kann, wäre das was wir bisher haben schon so viel mehr als, was wir bisher hatten, das die Mission nicht anders als mit “erfolgreich” beschrieben werden kann. Ja, selbst wenn New Horizons den Vorbeiflug nicht überlebt hätte (das Risiko dafür lag aber nur bei einer Chance von 1 zu 5000) wären die Bilder, die man bis dahin von der Annäherung bekommen hat schon genug gewesen, um die Wissenschaftler jahrelang zu beschäftigen und unser Verständnis dieser fernen Welten zu revolutionieren. New Horizons ist aber nicht ausgefallen und wir werden noch viel mehr und viel bessere Daten bekommen. Der Besuch beim Pluto ist definitiv ein Höhepunkt der Sonnensystemforschung!
Oder vielleicht doch eher das Ende einer Ära? Passenderweise genau 50 Jahre vor der Begegnung zwischen New Horizons und Pluto flog die Raumsonde Mariner 4 als erstes irdisches Raumfahrzeug am Mars vorbei und zeigte uns, wie es dort wirklich aussieht. Damit begann eine Epoche, die unser Wissen um die Himmelskörper des Sonnensystems dramatisch erweitert und verändert hat. Wir haben den Mars noch öfter besucht und sind dort gelandet. Wir sind haben die Venus besucht und sind dort gelandet. Wir haben die Pioneer- und Voyager-Raumsonden bis weit hinter die Grenzen des bekannten Sonnensystems geschickt und unterwegs die ersten Nahaufnahmen der großen Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun gemacht. Wir haben mit Raumsonden wie Galileo Jupiter und seine Monde im Detail erforscht und das gleiche hat Cassini mit dem Saturnsystem gemacht (und tut das immer noch). Wir haben Raumsonden zu Asteroiden geschickt und zu Kometen.
Das Jahr 2015 war in der Hinsicht ein ganz besonderes Jahr. Einmal, weil in diesem Jahr MESSENGER seine Mission beendet hat. Diese Sonde hat eine wichtige Lücke bei der Erforschung der Planeten geschlossen. Sie hat – das erste Mal seit den 1970er Jahren – den Merkur besucht. Bis dahin kannten wir nur 45 Prozent seiner Oberfläche; MESSENGER hat die Untersuchung des kleinen, sonnennahen Planeten fortgesetzt und wir haben nun nicht nur ein komplettes Bild des Merkur sondern verstehen ihn auch viel besser als vorher.
2015 war aber auch das Jahr, in dem die Raumsonde Dawn beim großen Asteroid (und Ex-Planet) Ceres angekommen ist. Seit diesem Jahr haben wir also auch detaillierte Bilder dieses Himmelskörpers und werden in den nächsten Monaten noch jede Menge viel bessere Aufnahmen bekommen.
Und dann schließlich New Horizons und Pluto: Mit der detaillierten Beobachtung von Pluto wurde die letzte Lücke geschlossen. Wir haben jetzt alle größeren Himmelskörper zwischen der Sonne und dem Rand des Kuipergürtels aus der Nähe gesehen. Das heißt natürlich nicht, das es nichts mehr zu erforschen gibt! Wir müssen noch so viel verstehen und darum sind ja auch jede Menge weitere Missionen geplant. Nächstes Jahr wird die Raumsonde Juno das Jupitersystem erreichen und u.a. probieren zu klären ob irgendwo in den Tiefen seiner Atmosphäre ein fester Kern steckt. Wir werden wieder zum Mars fliegen und dort landen. Wir werden Bodenproben von einem Asteroiden zur Erde bringen. Vielleicht kehren wir sogar auf den Mond zurück.
Aber eines wird es so schnell nicht mehr geben. Das, was wir in den letzten Tagen bei Pluto erlebt haben: Den ersten Blick auf eine bis dahin völlig unbekannte Welt. Natürlich werden wir in den nächsten Jahren viel ungesehenes das erste Mal sehen: Asteroiden, Monde von Planeten, und so weiter. Aber das, was bei Pluto passiert ist wird so schnell nicht wieder passieren. Um einen ähnlich großen Himmelskörper das erste Mal sehen zu können, müssten wir schon zum Zwergplaneten Eris fliegen und der ist fast doppelt so weit von der Sonne entfernt wie Pluto (und auch wenn New Horizons jetzt noch weiter hinaus ins All fliegt: Eris liegt leider nicht auf dem Weg und kann nicht erreicht werden). Irgendwann werden wir vermutlich auch da mal vorbei fliegen. Irgendwann werden wir vielleicht sogar mal auf Pluto landen. Aber definitiv nicht in naher Zukunft!
Wir werden weiterhin wichtige und großartige Entdeckungen auf den Himmelskörpern unseres Sonnensystems machen. Wir werden die Asteroiden und die Monde besser erforschen und verstehen als zuvor (ich freue mich schon sehr auf die Mission zum Jupitermond Europa). Aber wir werden in absehbarer Zeit keine neuen Welten mehr entdecken. New Horizons Vorbeiflug an Pluto war ein absoluter Höhepunkt bei der Erforschung des Sonnensystems. Und das Ende einer Ära. Ich bin froh, das ich an diesem Ereignis teilhaben konnte!
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