Und wie läuft das mit Qualitätskontrolle und Peer Review? Wer prüft die Arbeiten auf Fehler und Mängel? Wer stellt sicher, dass da dann nicht einfach jeder Spinner seinen Unsinn hochlädt und alles mit Pseudowissenschaft überschwemmt? Das Problem existiert ja jetzt auch schon. Und auch jetzt ist das System nicht perfekt. Immer wieder erscheinen auch in den Fachzeitschriften Artikel über Forschung, die fehlerhaft durchgeführt worden ist oder die sogar komplett gefälscht worden sind (und übrigens müssen umso mehr Artikel zurück gezogen werden, je “wichtiger” das Journal ist). Diese Probleme werden nicht verschwinden, wenn die Fachzeitschriften verschwinden.
Aber Qualitätskontrolle kann natürlich trotzdem stattfinden. Dazu braucht es dann natürlich doch ein paar Strukturen, die aber bei weitem nichts mit dem überbordenen Fachverlagswesen der Gegenwart zu tun haben müssen. Nehmen wir wieder arXiv als Beispiel: Dort werden schon jetzt sehr viele Fachartikel aus allen Disziplinen der Astronomie, Physik und Mathematik (hier scheint arXiv sogar schon die Rolle zu spielen, die ich hier beschreibe; viele Ergebnisse werden standardmäßig gleich dort und nicht mehr in Fachzeitschriften publiziert) eingestellt. arXiv wird von der Cornell University betrieben und von vielen Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt unterstützt. arXiv istquasi schon ein internationaler Standard und es fehlt nicht viel an Organisation, das noch weiter zu etablieren. Um pseudowissenschaftlichen Unsinn u.ä. auszusondern reicht eine simple Eingangskontrolle der Texte, so wie sie bei arXiv auch jetzt schon stattfindet. Dazu braucht es nur ein paar informierte Mitarbeiter aber nicht die riesigen Verlage die derzeit existieren. Der Peer-Review kann weiterhin so wie jetzt stattfinden: Durch Peers; durch die wissenschaftlichen Kollegen. Und es spricht absolut nichts dagegen, dass diese Überprüfung öffentlich und nach der Publikation stattfindet!
Wenn ich hier in meinem Blog einen Artikel schreibe, melden sich danach i.A. diverse Kommentatoren, die mir ihre Meinung dazu sagen. Und die auch keine Hemmungen haben, mich auf Fehler hinzuweisen, die ich gemacht habe! Auch das ist eine Form des Reviews und die kann durchaus auch in der wissenschaftlichen Welt so stattfinden. Jeder Artikel der veröffentlicht wird, soll auch kommentiert werden können. Und wenn ich wissen will, was von der Forschung zu halten ist, lese ich einfach die Kommentare in denen die Kollegen ihre Meinung dazu gesagt haben.
Natürlich braucht es auch hier ein Minimum an Struktur. Die Kommentare müssen moderiert werden um Spam und unsachliche Diskussionen zu vermeiden. Die Leute sollten unter ihrem Klarnamen kommentieren und sich auf eine Art und Weise im System registrieren müssen, bei der ihre Identität geprüft wird. Aber im Gegensatz zum Rest des Internets geht es hier ja um einen ganz speziellen Zweck und um eine vergleichsweise überschaubare Gruppe an Menschen. Es sollte also kein Problem sein, diesen öffentlichen Peer-Review zu organisieren.
Es gäbe genug Gründe, wissenschaftliche Fachzeitschriften abzuschaffen. Das Problem mit Open Access und dem freien Zugang für alle hätte sich damit automatisch erledigt; ebenso wie der Impact-Factor-Fetischismus oder die horrenden Kosten für Zeitschriftenabos. Aber ist es realistisch, dass die Zeitschriften deswegen tatsächlich in absehbarer Zeit abgeschafft werden? Nein, natürlich nicht.
Wer sollte sie denn auch abschaffen? Man kann Verlagen nicht einfach verbieten, wissenschaftliche Zeitschriften zu veröffentlichen. Und die Wissenschaft ist nicht weniger konservativ als der Rest der Gesellschaft und grundlegende Veränderungen passieren hier genau so selten von heute auf morgen wie sie es anderswo tun. Mir ist auch völlig klar, dass meine Forderung nach der Abschaffung von Fachzeitschriften unrealistisch ist. Aber ich denke, dass es sich trotzdem lohnt darüber nachzudenken und darüber zu diskutieren. Und sich vielleicht zu überlegen, welche Anreize realistischerweise gesetzt werden können, um das System langfristig doch noch zu verändern.
Es wäre zum Beispiel ein wichtiger Schritt, konsequent dafür zu sorgen, dass Forschung die durch öffentliche Gelder finanziert wird, auch immer frei und öffentlich publiziert wird! Und man könnte entsprechende Anreize setzen, damit das auf dem sogenannten “grünen” Weg des Open Access passiert. Dabei handelt es sich im Prinzip um das, was ich vorhin geschildert habe. Wissenschaftler machen (i.A. zusätzlich zur Publikation in einem normalen Journal) ihre Forschungsergebnisse selbst öffentlich, in dem sie die Artikel bei arXiv oder ähnlichen Plattformen publizieren. Dem gegenüber steht der “goldene” Weg, bei dem ein Artikel wie gehabt in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wird, nur das es hier die Wissenschaftler sind, die den Verlag vorab bezahlen und nicht der Kunde, der am Ende den Text lesen will.
Kommentare (43)