Vor 223 Jahren begann die “Herrschaft der Vernunft”. Sie hat allerdings nicht lange durchgehalten. Würde sie noch andauern, dann stünde heute nicht “Freitag, 17. Juli 2015” im Kalender sondern “29. Messidor CCXXIII”. Was der Kalender mit der Vernunft und das ganze mit Astronomie zu tun hat, erfahrt ihr in der aktuellen Folge der Sternengeschichten!
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Transkription
Heute ist Nonidi, der 29. Messidor CCXXIII (223). Das Datum wird den wenigsten etwas sagen und es ist auch eigentlich egal, was für ein Datum das ist. Diese Folge der Sternengeschichten hat nichts mit dem heutigen Datum zu tun. Dafür aber sehr viel mit dem Kalender. Beziehungsweise mit den Versuchen, den Kalender zu verändern. Im Prinzip ist eine Änderung des Kalenders nichts neues. In der Geschichte der Menschheit ist das schon ziemlich oft vorgekommen und es gibt jede Menge unterschiedliche Kalendersysteme die zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten der Welt in Gebrauch waren.
Aber so gut wie alle dieser Reformen haben in der fernen Vergangenheit stattgefunden. Die meisten der modernen Versuche, einen neuen Kalender einzuführen, sind gescheitert. Das Datum, das ich zu Beginn der Folge genannt habe gehört zu so einem gescheiterten Kalender, der aber zumindest ein paar Jahre halbwegs in Gebrauch war und vor allem wunderbar zeigt, welche Probleme bei der Reformation und der Erstellung eines Kalenders auftauchen können.
Es geht heute um den Kalender der französischen Revolution. Gegen Ende des 18. Jahrhundert war man – vor allem in Frankreich – um Rationalität und Aufklärung bemüht. Ein erfolgreiches Projekt der damaligen Zeit war die Einführung des Dezimalsystems bei Längen- und Gewichtseinheiten. Die französischen Astronomen Pierre Méchain und Jean-Baptiste Joseph Delambre vermaßen halb Europa, um den Erdumfang so genau wie möglich zu bestimmen und daraus eine neue Längeneinheit abzuleiten: den Meter. Der wurde dann in Zehner- und Hunderterschritten in Zentimeter und Millimeter unterteilt bzw. auf Kilometer erweitert. Auch beim Gewicht führte man das Kilogramm ein und ersetzte die vielen unterschiedlichen und schlecht definierten Einheiten, die bis dahin in Gebrauch waren. Aus den Bemühungen der französischen Aufklärer hat sich das heute noch verbindliche SI-System entwickelt, das genau festlegt welche physikalischen Größen auf welche Art und Weise in welchen Einheiten gemessen werden. Das “Systéme Internationale” ist Standard in der Wissenschaft und wird auf der ganzen Welt auch im Alltag befolgt. Nur in Liberia, Myanmar und den USA verwendet man immer noch keine metrischen Einheiten.
So erfolgreich die Bemühungen der Franzosen auf diesem Gebiet aber auch waren: Bei der Reformation des Kalenders sind sie grandios gescheitert. Die Geschichte des Revolutionskalenders beginnt im Jahr 1787 mit dem Almanach des Honnêtes Gens, einem Buch das von Sylvain Maréchal verfasst wurde. Er schlug darin vor, die unlogische Einteilung des Jahres in unterschiedlich lange Monate abzuschaffen und stattdessen zwölf Monate zu je 30 Tagen zu benutzen. Auch die siebentägige Woche sollte verschwinden; jeder Monat würde aus drei Dekaden zu je 10 Tagen bestehen.
Die Realität lässt einen vollkommen regelmäßigen Kalender aber leider nicht zu; die Zeit die die Erde für einen Umlauf um die Sonne braucht, also ein Jahr, lässt sich nicht ohne Rest durch die Zeit teilen, die die Erde für eine Drehung um ihre Achse braucht, also einen Tag. Am Ende bleibt immer ein bisschen was übrig und dieses “bisschen was” muss man mit Schalttagen berücksichtigen. Bei Maréchals Kalender kam man mit den 12 Monaten zu 30 Tagen nur auf ein Jahr mit 360 Tagen, weswegen er am Ende noch 5 Extratage hinzufügen musste. Er wollte außerdem die alten Namen für die Monate und Wochentage abschaffen und sie stattdessen nach repräsentativen Personen der Moderne benennen. Und betitelt hatte er das erste Jahr seines neuen Kalenders mit “L´An prémier du règne de la Raison”, das erste Jahr der Herrschaft der Vernunft.
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