Das altehrwürdige Amt des königlichen Astronomen existiert – wie sollte es in Großbritannien auch anders sein – heute immer noch und wird seit 1995 von Martin Rees besetzt. Rees ist kein Unbekannter; abgesehen vom Nobelpreis hat er so gut wie alle wichtigen Astronomie-Preise gewonnen die man gewinnen kann. Er hat sich vor allem mit Kosmologie beschäftigt und gehörte zu den ersten, die die Natur der Quasare korrekt beschrieben haben. Löblicherweise hat sich Rees auch in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert und viele populärwissenschaftliche Bücher geschrieben. Dabei hat er den Schwerpunkt aber auf die eher seltsameren Themen wie Weltuntergangsprognosen oder die Verbindung von Religion und Wissenschaft gelegt (zum Beispiel in Das Rätsel unseres Universums: Hatte Gott eine Wahl?* oder Unsere letzte Stunde: Warum die moderne Naturwissenschaft das Überleben der Menschheit bedroht*).
Großbritannien besteht aber nicht nur aus England; im Norden der Insel befindet sich Schottland, das die Dinge immer gerne ein wenig unabhängig angeht. Deswegen gibt es seit 1834 auch einen Astronomer Royal for Scotland. So wie sein englischer Kollege war dieser Titel für den Direktor des königlichen Observatoriums in Edinburgh reserviert. Erster Träger dieses Titels war der heute eher unbekannte Thomas Henderson. Er wäre wohl berühmter, wenn ihm das gelungen wäre, was er im 19. Jahrhundert versucht hatte: Als erster den Abstand zu einem anderen Stern zu messen. Das gelang dann aber dem deutschen Friedrich Wilhelm Bessel vor ihm…
Sein Nachfolger dagegen ist heute immer noch bekannt. Zumindest unter den Leuten, die der Meinung sind, in Bauwerken wie den Pyramiden von Gizeh wäre irgendeine geheime Botschaft verschlüsselt… Zwischen 1846 und 1888 war Charles Piazzi Smyth Astronomer Royal for Scotland der nicht nur den Himmel vermessen hat sondern auch die ägyptischen Pyramiden und in ihren Abmessungen diverse Prohezeiungen und versteckte Nachrichten zu erkennen glaubte. An dieser Pyramidologie ist bei genauerer Betrachtung natürlich nichts dran, was ihrer Beliebtheit in der Szene der Esoteriker und Pseudowissenschaftler aber nicht geschadet hat.
Seit 1995 ist John Campell Brown der königlich-schottische Astronom. Ich muss zugeben, dass ich im Gegensatz zum Martin Rees noch nie etwas von ihm gehört habe. Aber immerhin hat er eine Homepage und scheint sich mit Asteroiden, Kometen und der Sonne zu beschäftigen. Außerdem hält er Vorträge mit Titeln wie “Professor MacHelium Tours the Planets” oder “Professor MacHelium Tours the Universe” und ist Hobby-Zauberer. Was will man mehr?
Der Rest des Vereinigten Königreichs – Wales und Nordirland – muss ohne eigenen Adels-Astronom auskommen. Dafür gab es seit 1783 einen Royal Astronomer of Ireland, aber seit die Iren 1921 einfach so unabhängig geworden sind und den Unsinn mit der Monarchie bleiben haben lassen, ist dieser Titel verschwunden. Dazwischen hatte aber immerhin der große Physiker William Rowan Hamilton die Gelegenheit, von 1827 bis 1865 die Position des irischen Hofastronomen auszufüllen. Obwohl dessen Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik, Physik und Astronomie eigentlich so gewaltig waren, das kein noch so gewichtiger Adelstitel ihnen gerecht werden kann. Der letzte “Royal Astronomer of Ireland” war übrigens ein gewisser Henry Crozier Keating Plummer, von dem ich noch nie gehört habe (obwohl er einen Beitrag zur Betrachtung des N-Körper-Problems geleistet hat).
Der astronomische Adel ist halt auch nicht anders als der normale Adel. Die diversen königlichen Astronomen waren auch nur Astronomen, genau so wie die Adeligen überall auf der Welt auch nur ganz normale Menschen sind. Warum man ihnen so viel Interesse entgegen bringt, kann ich nicht nachvollziehen (Und wenn man schon in den Klatschblättern ständig über die ganzen Adelssippen berichten muss, könnte man ja wenigstens auch ein klein wenig von den Aktivitäten der königlichen Astronomen erzählen – falls ein entsprechender Kolumnist gesucht wird, sagt Bescheid!)
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