urlaub (Mobile)Es ist Urlaubszeit! Da will man sich entspannen und keine komplizierten Bücher, Zeitschriften oder gar Blog-Artikel lesen. Ich hab mich also mal in einem Zeitschriftenladen umgesehen und überprüft, welche Themen da in den einschlägigen Publikationen als “leichte” Sommerlektüre durchgehen. Meine Recherche kam zu dem Ergebnis, das auf jeden Fall folgende Themen behandelt werden müssen: Abnehmen. Mode. Kochrezepte. Schnulzige Geschichten. (Schlager/Volks)Musik. Und natürlich irgendwas mit Königen und Adel!

Ich möchte in den nächsten Tagen probieren, ein wenig Urlaub zu machen. Und da ich euch in meiner Abwesenheit nicht mit komplizierter Wissenschaft die Erholung verderben möchte, gibt es hier im Blog ab jetzt Boulevard! Ich habe zu jedem der sechs oben genannten Themen einen Artikel vorbereitet (und konnte dabei natürlich doch nicht ganz darauf verzichten, ein wenig Wissenschaft unter die leichte Sommerlektüre zu mischen). Viel Spaß also; schönen Urlaub (falls ihr das Glück habt, Urlaub machen zu können) und bis bald.

Ein Hinweis noch: Dort wo ich bin, habe ich vermutlich keinen bzw. nur sehr sporadischen Internetzugang. Ich habe auch keinen Laptop mit sondern nur mein Smartphone. Ich werde also nicht auf Kommentare/Emails antworten können. Ich werde auch eure Kommentare nicht so schnell moderieren können wie sonst. Wenn einer eurer Kommentare im Spamfilter landet, müsst ihr in den nächsten Tagen leider damit leben.

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Was für Kleidung tragen Astronomen? Nun, simpel gesagt: Was sie wollen! Wir brauchen für unsere Arbeit normalerweise keine Laborkittel; niemand besteht auf Anzug und Krawatte (ich habe in meinem ganzen Leben weder eine Krawatte besessen noch eine getragen) und da Astronomen auch nur ganz normale Menschen sind, haben sie auch ganz normale Kleidung an.

"Mode-Thorheiten" findet man nicht nur an Sternwarten! (Bild: gemeinfrei)

“Mode-Thorheiten” findet man nicht nur an Sternwarten! (Bild: gemeinfrei)

Aber manchmal ist es dann doch angebracht, etwas besonderes zu tragen! Zum Beispiel wenn man Nachts den Himmel beobachtet. Wenn professionelle Astronomen das heute tun, dann passiert das meistens in großen Sternwarten und von gut beheizten Kontrollräumen aus, wo man nur am Computer ein paar Tasten drücken muss und das Teleskop automatisch gesteuert wird. Nur bei den kleineren Instrumenten ist es oft immer noch nötig, dass man sich im selben Raum wie das Gerät aufhalten muss. Und dann kann es durchaus kalt werden. Denn die Luft in der Beobachtungskuppel muss die gleiche Temperatur haben wie die Luft draußen (Temperaturunterschiede sorgen für störende Luftströmungen und können auch das Teleskop selbst beeinflussen und für unscharfe Bilder sorgen). Klimaanlagen oder Heizungen gibts da nicht und wenn es draußen kalt ist muss man sich auch beim Beobachten mit den niedrigen Temperaturen arrangieren.

Heute machen CCD-Kameras die Aufnahmen und im Idealfall muss man sich immer nur kurz in der kalten Kuppel der Sternwarte aufhalten. Aber die Astronomen früherer Zeiten mussten noch selbst mit ihren eigenen Augen durchs Teleskop schauen. Sie haben also ganze Nächte in kalten und dunklen Sternwarten verbracht und ohne entsprechende Kleidung konnte das schnell sehr unangenehm werden.

Ein Astronom, dessen Kleidung mittlerweile einen gewissen Ruhm erlangt hat, war Nevil Maskelyne. Er war von 1765 bis 1811 der königliche Astronom (siehe dazu auch meinen Artikel über “Astronomie & Adel” und Direktor der Sternwarte in Greenwich bei London. Er hat viel beobachtet und sich darauf auch modisch entsprechend eingestellt.

Sein “Beobachtungsanzug” bestand aus einer Hose aus indischer Seide, die dick wattiert und innen mit Flannelstoff ausgekleidet war. Das besondere Extra: So wie bei einem Pyjama für Kinder hatte die Hose integrierte Füßlinge und das zu Recht! Denn nichts stört astronomische Beobachtungen mehr als kalte Füße (Ok, abgesehen von Wolken, Regen und Seeing vielleicht). Zusätzlich war der hintere Bereich der Hose besonders dick gefüttert, denn wenn man schon die ganze Nacht in der Sternwarte herumsitzen muss, dann will man es dabei auch weich und warm haben! Dazu kam eine passende Jacke und dann wackelte Maskelyne zur Arbeit: ein astronomisch-modisches Michelin-Männchen; vielleicht nicht unbedingt der Hit bei den Fashion-Shows in Paris und Mailand aber dafür warm und bequem ausgestattet für eine weitere lange kalte Beobachtungsnacht.

In diesem Artikel im Blog der Greenwich-Sternwarte kann man ein Bild des Anzugs sehen. Und eigentlich solltet ihr auch ein Bild sehen können, wenn ich diesen Tweet der Wissenschaftshistorikerin Kate Morant einbinde:

 

Wärme verliert man aber auch, wenn man ohne Mütze in der Kälte arbeitet und darum wird Maskelyne sicherlich auch eine passende Kopfbedeckung gehabt haben. Wie die ausgesehen hat, ist allerdings nicht überliefert. Als Näherung können wir uns aber ansehen, was Henry Chamberlain Russell, australischer Astronom des 19. Jahrhunderts, auf dem Kopf getragen hat. Beziehungsweise wir können es uns nicht ansehen, weil man dafür ins Powerhouse Museum von Sydney fahren muss, wo seine Kopfbedeckung ausgestellt ist. Wer gerade keine Zeit für eine Reise nach Australien hat, kann aber auch auf diesen Link hier klicken und sich sein schickes rotes Käppchen ansehen. Maskelyne wird dann aber wohl doch etwas dickeres und für die kühleren britischen Temperaturen passenderes getragen haben.

Ich selbst habe ja nie als beobachtender Astronom gearbeitet. Nur gegen Ende meiner Zeit an der Unisternwarte Jena habe ich ein paar Nächte in der Beobachtungsstation Großschwabhausen verbracht. Es waren Winternächte und es war tatsächlich ziemlich kalt! Damals war die Sternwarte noch mitten in der Renovierung begriffen. Das Teleskop konnte zwar schon mit dem Computer aus einem geheizten Kontrollraum gesteuert werden. Ein paar Funktionen mussten aber immer noch am alten mechanischen Steuerpult direkt in der Kuppel eingestellt werden und auch der Spalt in der Kuppel musste dort manuell nachgeführt werden. Und natürlich geht man während so einer Beobachtungsnacht immer wieder mal nach draußen, schaut sich den Himmel und sucht nach Wolken (oder, falls die schon da sein sollten, nach Wolkenlöchern). Wie gesagt: Damals war dort alles noch sehr provisorisch und mein Beobachtungskollege und ich sind irgendwo in einem Abstellraum auf ein paar sehr dicke und auch sehr alte Fellmäntel aus den 1960er-Jahren gestoßen, die wir natürlich gleich akquiriert und angezogen haben. So sahen sie aus:

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Heute ist die Sternwarte fertig renoviert, das Teleskop und die Kuppel lassen sich fernbedient vom Kontrollraum aus steuern und die Fellmäntel hängen im Museum des Observatoriums…

Momentan haben wir hier ja Sommer und in den warmen Nächten braucht es keine wattierten Beobachtungsanzüge oder Fellmäntel wenn man den Sternenhimmel betrachten will (nur in Australien ists gerade Winter und dort sollte man Henry Chamberlain Russells Vorbild folgen und sich zumindest ein kleines Käppchen aufsetzen). Die Himmelsbeobachtung kann ich sowieso nur empfehlen, denn es ist ja gerade wieder Sternschnuppenzeit. Also sucht euch ein dunkles Plätzchen, schaut zum Himmel und kümmert euch nicht um die Kleidung. Im Finstren sieht sowieso niemand, was ihr anhabt!

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Die Urlaubsthemen bei Astrodicticum Simplex:

[Abnehmen][Astronomie & Adel][Die Sommergeschichte][Astronomische Mode][Backen mit Planeten][Die Astronomie der Schlagermusik]

Kommentare (5)

  1. #1 turtle of doom
    23. Juli 2015

    Das ist ja vergnüglich. 🙂

    Ich habe schon überlegt, ob das tragen heller Bekleidung eine Langzeitaufnahme ruinieren könnte… ob also die korrekte Astronomen-Abendgarderobe pechschwarz sein müsste.

  2. #2 bewitchedmind
    24. Juli 2015

    Ob das Museum jetzt die Hinweistafel ergänzt um “getragen u.a. von Florian Freistetter, Wissenschaftsautor und Blogger”? 🙂

  3. #3 Florian Freistetter
    24. Juli 2015

    @bewitchedmind: Ob das Museum jetzt die Hinweistafel ergänzt um “getragen u.a. von Florian Freistetter, Wissenschaftsautor und Blogger”?

    Ich glaube, da bin ich nicht wirklich berühmt genug…

  4. #4 Orlonsky
    24. Juli 2015

    “ich habe in meinem ganzen Leben weder eine Krawatte besessen noch eine getragen.” hört sich ein bißchen an wie “In Mathe war ich immer schlecht”.

    (Arbeitsersparnis beim Antworten: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.)

  5. #5 Florian Freistetter
    24. Juli 2015

    @Orlonsky: “hört sich ein bißchen an wie “In Mathe war ich immer schlecht”.”

    Ich hab eigentlich nichts gegen Krawatten. Ich wollte damit nur zeigen, das Astronomie zu den Berufen gehört, in denen man ein Leben krawattenlos verbringen kann 😉