Manchmal kommt man auf Umwegen zu sehr guten Büchern. In meinen Buchempfehlungen für Juli habe ich auch über das Buch “The Old Ways: A Journey on Foot”* von Robert Macfarlane berichtet. Darin schreibt Macfarlane u.a. über seine Erlebnisse auf den schottischen Hebriden. Da ich von dieser Gegend noch nicht viel wusste, habe ich mich ein bisschen informiert und habe entdeckt, dass Stornoway, der größte Ort der äußeren Hebriden auch der Geburtsort eines Science-Fiction-Autors ist: Ken MacLeod. Mit den Hebriden haben seine Bücher aber nichts zu tun; ich hab mir trotzdem ein paar besorgt und es nicht bereut!
Gerade habe ich “Learning the World: A Novel of First Contact”* (leider nicht auf deutsch erhältlich) zu Ende gelesen. Das Buch beschreibt ein klassisches Science-Fiction-Thema: Den ersten Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation.
Wenn es irgendwo um den ersten Kontakt geht, dann sind meistens immer wir Menschen diejenigen, die kontaktiert werden (wie zum Beispiel in Carl Sagans großartigem Buch “Contact”* das auf deutsch seltsamerweise auch nur mehr antiquarisch* erhältlich ist). Oft ist der “erste Kontakt” dann auch gleich eine komplette Invasion der Aliens, mit weltweitem Krieg der Menschheit gegen die bösen außerirdischen Angreifer. Oder aber es geht, so wie in der Fernsehserie Star Trek, um die Frage, wie man mit dem unterschiedlichen Entwicklungsstand zwischen den menschlichen Raumfahrern und den nicht ganz so weit fortgeschrittenen fremden Zivilisationen umgehen soll.
Das Buch von MacLeod behandelt alle diese Fragen, ist aber doch ganz anders als die üblichen Bücher zu diesem Thema. Alles beginnt mit einem Generationenschiff der Menschheit. Es ist eines von vielen, mit denen die Menschen schon seit Jahrtausenden durchs Universum fliegen. Ein typisches Schiff besteht aus einer “Gründer”-Besatzung die irgendwann mal genug vom Leben auf ihrem Planeten hatte und ein entsprechendes Schiff konstruierte und einer “Kolonisten”-Generation, die erst auf dem Schiff aufwächst und dann bei der Ankunft in einem neuen Sternensystem dort Habitate baut. Dank der mittlerweile erreichten Langlebigkeit der Menschen muss aber niemand unterwegs sterben; für die Gründer ist so eine Reise von Stern zu Stern eher eine Art ausgedehnte Kreuzfahrt mit dem Potential auf wirtschaftlichen Gewinn (durch die Finanzierung der Habitate). In der Vergangenheit wurden auf diese Weise schon jede Menge Sterne in der Nähe der Sonne von jeder Menge unterschiedlicher Schiffe besucht und kolonialisiert. Intelligentes Leben hat man allerdings nie gefunden. Bis jetzt…
Das Leben auf dem Schiff bildet den einen Teil des Buchs. Die Kapitel wechseln sich aber mit Kapiteln ab, die auf “Ground” spielen, einem Planeten der den Stern umkreist, zu dem die Menschen unterwegs sind. Und dort leben intelligente Wesen. Ihr Entwicklungsstand lässt sich mit dem der Menschheit des späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts vergleichen. Eine der Hauptpersonen ist ein Astronom, der auf der Suche nach unbekannten Planeten seines Sternensystems ist. Dabei entdeckt auf den fotografischen Aufnahmen ein sich bewegendes Objekt, das er zuerst für einen Kometen hält, aber bald bemerkt, dass es nicht natürlichen Ursprungs sein kann…
Ich will gar nicht viel mehr zur Handlung verraten. Aber ich fand es sehr angenehm ein Buch zu dem Thema zu lesen, das einerseits so viele originelle und (im wahrsten Sinne des Wortes, wie ihr bei der Lektüre sehen werdet) abgehobene Ideen hat, andererseits aber auch sehr realistisch ist. Es gibt keine großen Weltraumschlachten, es gibt keine sich aufopfernden Helden die für ihre Heimat sterben und keine pathetischen “Wir kommen in Frieden, bringt uns zu eurem Anführer”-Szenen. Es gibt nur Menschen, die auf etwas treffen mit dem sie nicht gerechnet haben und “Aliens”, die auch nur ein ganz normales Leben führen, das auf einmal ziemlich durcheinander gebracht wird (aber ganz anders, als man sich das so vorstellt).
Ich kann euch die Lektüre nur empfehlen; das Buch hat mir wirklich gut gefallen (auch wenn die ersten paar Kapitel ein wenig verwirrend sein können – man muss sich erstmal an die Sache mit dem Generationenschiff gewöhnen die halt absolut nicht so funktioniert, wie wir das aus den üblichen Science-Fiction-Darstellungen gewöhnt sind).
Und natürlich kommt man am Ende nicht umhin zu spekulieren, wie so ein “erster Kontakt” tatsächlich ablaufen würde. Ich bin insofern der Meinung von MacLeod als dass ich überzeugt bin, dass die Sache weit weniger “spektakulär” ablaufen wird als man denkt. Es wird keine plötzlich auf der Erde auftauchende Alienflotten geben wie in “Independence Day” und natürlich auch keine Pseudogötter die vom Himmel herabsteigen und alle unsere Probleme lösen. Wenn, dann werden es – so wie im Buch – wahrscheinlich tatsächlich astronomische Beobachtungen sein, die uns schon lange, lange vor der Ankunft irgendeines Raumfahrzeugs zeigen, dass da etwas ist. Warpantrieb und Tarnvorrichtung gibt es halt nur bei “Star Trek” aber in der Realität wird man eher selten darauf treffen. Wenn sich Aliens auf den Weg von Stern zu Stern machen, dann mit entsprechend großen Generationenschiffen und Habitaten, die dann auch lange vorher sichtbar sind.
Aber wenn, dann würde ich sowieso einen indirekten Kontakt für viel wahrscheinlicher halten. Der Raum zwischen den Sternen ist zu groß, als das da viel Verkehr herrschen würde… Viel eher treffen wir auf unbemannte Raumsonden, die von Aliens zur Erforschung der Milchstraße in alle Richtungen losgeschickt worden sind. Oder empfangen eine Botschaft mit unseren Teleskopen. Das wäre dann zwar immer noch eine revolutionäre Entdeckung, die aber nicht ganz so viel “Action” verspricht wie der typische Hollywoodfilm.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann wird so ein “erster Kontakt” vermutlich sowieso nicht passieren. Ich bin zwar davon überzeugt, dass es unter den vielen anderen Planeten in der Milchstraße auch welche gibt, auf denen Leben existiert. Aber was die “Intelligenz” angeht, bin ich pessimistisch. Auf unserer Erde existiert Leben seit 3 bis 4 Milliarden Jahren: Mehr oder weniger unmittelbar nachdem der Planet lebensfreundlich wurde, entstand das Leben auch. Aber während der langen, langen Zeit seiner Existenz kam dieses Leben wunderbar ohne Intelligenz aus. Wir Menschen existieren erst seit ein paar hunderttausend Jahren; ein verschwindend geringer Zeitraum verglichen mit der gesamten Zeit in der es Leben auf der Erde gibt. Das könnte darauf hindeuten, dass erst sehr viele sehr spezielle Voraussetzungen eintreten müssen, damit aus Leben auch intelligentes Leben wird. Und das intelligentes Leben entsprechend selten im Universum und die Chance auf ein Aufeinandertreffen äußerst gering ist.
Oder vielleicht auch nicht: Solange wir nur unsere Erde als Beispiel haben lässt sich wissenschaftlich seriös kaum etwas über diese Fragen sagen. Aber zum Glück gibt es ja Science-Fiction-Autoren, die sich nur bedingt um die Wissenschaft kümmern und ansonsten hemmungslos spekulieren können. Was Ken MacLeod in “Learning the World”* äußerst gut getan hat. Lest das Buch! Und hier in den Kommentaren können wir ja in der Zwischenzeit ein wenig darüber diskutieren, wie ihr euch das mit dem “ersten Kontakt” vorstellt.
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