Die dunkle Energie ist heute immer noch so unverstanden, wie sie es bei ihrer Entdeckung Ende der 1990er Jahre war. Irgendetwas sorgt dafür, dass sich das Universum immer schneller und schneller ausdehnt, so viel ist klar. Aber was die Ursache dafür ist, weiß niemand. Und sollte das jemand irgendwann mal herausfinden, wird es dafür mit Sicherheit einen Nobelpreis geben. Immerhin wurde die Entdeckung des Phänomens selbst schon im Jahr 2011 mit diesem Preis ausgezeichnet. Um die dunkle Energie erklären zu können, muss man sie zuerst aber einmal besser verstehen. Und um sie zu verstehen, muss man Daten sammeln. Das passiert unter anderem im Rahmen des Dark Energy Survey (DES), einer internationalen Beobachtungskampagne von Wissenschaftlern aus den USA, Großbritannien, Brasilien, Spanien, Deutschland und der Schweiz. Mit dem Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile und einer speziellen Kamera wird der Himmel durchsucht. Man fotografiert ferne Supernova-Explosionen, um aus ihrer Bewegung die Expansionsgeschwindigkeit des Universums zu bestimmen. Man sucht aber auch nach anderen Phänomene, mit denen man die Ausdehnung des Alls besser verstehen kann. Und sammelt dabei jede Menge Daten… Daten, die nicht nur einem Zweck dienen können. Denn andere Astronomen haben darin nun ein paar sehr interessante Entdeckungen gemacht: Zwei neue Trojaner des Neptun!
Über Trojaner (und ich meine damit nicht irgendwelche Computerprogramme!) habe ich ja erst kürzlich berichtet. Damals ging es aber um Trojanerplaneten bei anderen Sternen. Die sucht man schon länger, hat sie aber noch nicht gefunden. In unserem eigenen Sonnensystem hat man dagegen schon sehr viele Trojanerasteroiden gefunden. Das sind Himmelskörper, die sich ihre Bahn mit einem Planeten teilen. Das klingt seltsam, funktioniert aber. Denn entlang der Bahn eines jeden Himmelskörpers gibt zwei besondere Stabilitätspunkte: Die sogenannten Lagrangepunkte L4 und L5. L4 befindet sich immer 60 Grad vor dem Planeten entlang seiner Bahn und L5 60 Grad dahinter. In der Nähe dieser Punkte können sich nun kleinere Himmelskörper aufhalten, ohne von der Gravitationskraft des Planeten gestört zu werden (ich habe das hier genauer erklärt). Sie müssen dabei nicht exakt im Lagrangepunkt sitzen, sondern können sich durchaus auch nur um den Punkt herum bewegen. Sofern sie sich nicht allzu weit entfernen, ist alles in Ordnung. Es ist in den Lagrangepunkten also genug Platz für eine ganze Gruppe kleiner Himmelskörper.
Bei uns im Sonnensystem gibt es diese Gruppen auch tatsächlich: Allein bei Jupiter sind insgesamt schon mehr als 6000 Trojaner gefunden worden und existieren tun wahrscheinlich ein paar Millionen. Auch der Mars hat eine Handvoll bekannte Trojaner und sogar die Erde hat ihren eigenen Trojaner-Asteroid. Merkur und Venus fehlen solche stabilen Begleiter allerdings und auch der Saturn kann keine haben (er wird durch die Störungen von Jupiter zu sehr beeinflusst). Bei Uranus wurden ebenfalls noch keine entdeckt – aber dafür beim äußersten Planeten Neptun!
Bis vor kurzem kannte man zehn Neptun-Trojaner; geben muss es aber viel mehr und man geht sogar davon aus, dass sich dort mehr von ihnen finden lassen als bei Jupiter. Sie sind halt nur schwerer zu entdecken, weil Neptun viel weiter weg ist. Und momentan befindet sich sein Lagrangepunkt L5 auch genau in der gleichen Richtung am Himmel wie das galaktische Zentrum, und dort stören die vielen Sterne die Entdeckung kleiner Asteroiden (und darum sind auch nur zwei der bekannten Neptuntrojaner dort entdeckt worden). Aber wenn man eine Kamera wie die des Dark Energy Surveys hat, die eigentlich dazu gedacht ist, viel weiter entfernte Objekte zu untersuchen und die nichts anderes tut, als ein Bild des Himmels nach dem anderen zu machen, dann klappt es vielleicht doch.
David Gerdes von der Universität Michigan und ein ganzer Haufen anderer Astronomen haben sich die DES-Daten jedenfalls sehr genau angesehen und darin zwei neue L4-Trojaner des Neptun gefunden (“Observation of Two New L4 Neptune Trojans in the Dark Energy Survey Supernova Fields”). Sie tragen die Bezeichnungen 2014 QO441 und 2014 QP441 sind 120 bzw. 70 Kilometer groß und haben beide Bahnen die um circa 18 Grad gegenüber der Ebene des Sonnensystems geneigt sind. Und es sind auch tatsächlich echte Trojaner, die sich für lange Zeit in der Nähe des Lagrangepunkts stabil bewegen, wie entsprechende Computersimulationen gezeigt haben. Das sieht man auf diesem Bild, das die Bewegung der Trojaner im Verlauf von 9000 Jahren zeigt (gerechnet hat man das ganze aber für insgesamt 10 Millionen Jahren). Man sieht allerdings nicht die Bewegung der Asteroiden um die Sonne herum, sondern eine Darstellung, wie sie sich in Bezug auf den Lagrangepunkt bzw. um ihn herum bewegen (QO ist blau; QP ist rot):
Die neuen Trojaner sind eine wirklich coole Sache. Und zwar aus mehreren Gründen! Einmal natürlich, weil wir jetzt zwei Neptuntrojaner mehr kennen als zuvor. Und wenn es nach den Astronomen geht, dann kann man gar nicht genug von den Dingern kennen! Die sind nämlich nicht einfach an sich interessante Studienobjekte sondern auch eine wichtige Entscheidungshilfe wenn es darum geht, die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems zu verstehen. Neptun als äußerster Planet spielt da eine besondere Rolle. Wir wissen ja schon länger, dass Neptun nicht dort entstanden ist, wo er sich heute befindet sondern früher eine Zeit lang durchs Sonnensystem gewandert ist. Diese “Migration” hat natürlich Einfluss auf seine Trojaner. Je nachdem wie sie abläuft, kann er dabei Trojaner eingesammelt oder welche verloren haben. Wenn wir die Trojaner verstehen, verstehen wir auch, wie die Migration abgelaufen. Die Dynamik der Neptuntrojaner kann auch Hinweise auf die Gasmenge im ursprünglichen Nebel liefern, aus dem Sonne und Planeten entstanden sind. Oder auf die Geschwindigkeit, mit der die Planeten entstanden sind. Oder auf Sterne, die gemeinsam mit der Sonne entstanden und vor langer Zeit die Bewegung ihrer Planeten beeinflusst haben. Und so weiter. Neptuntrojaner sind eine wunderbare Informationsquelle und jetzt haben wir zwei mehr als vorher!
Die Entdeckung ist aber auch deswegen cool, weil sie zeigt, dass es sich immer lohnt, hinaus ins Universum zu blicken! Selbst wenn man, wie beim Dark Energy Survey eigentlich eine ganze andere Frage beantworten will: Am Ende muss man halt doch zum Himmel schauen. Und dabei sehen wir immer alles was es dort gerade zu sehen gibt. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wissenschaftliche Daten nicht einfach so in der Schublade verschwinden. Egal ob sie ihren eigentlichen Zweck erfüllt haben oder nicht, für andere Wissenschaftler halten sie vielleicht andere ebenso wichtige oder vielleicht noch viel wichtigere Daten bereit. Die modernen Teleskope liefern immer mehr Bilder und die Menge wird in Zukunft immer rasanter ansteigen. All diese Informationen dürfen nicht verloren gehen und sollten – früher oder später – der gesamten astronomischen Community zur Verfügung gestellt werden. Das Beispiel des Dark Energy Survey zeigt ja, wie gut das funktionieren kann. Gerdes und seine Kollegen haben bei ihrer Auswertung nämlich nicht nur die beiden Trojaner entdeckt sondern auch noch 20 weitere Asteroiden. Zwar keine Trojaner, sondern welche aus dem Kuipergürtel hinter der Bahn des Neptuns. Aber wie interessant es dort sein kann, hat ja der Besuch der Raumsonde “New Horizons” bei Pluto erst kürzlich gezeigt (und übrigens wurde auch der “Asteroid von ganz weit draußen” der letztes Jahr entdeckt worden ist wurde in den Daten des Dark Energy Survey gefunden).
Wenn es um “Trojaner” und “Daten” geht, dann denkt man heutzutage ja meistens gleich an Geheimdienste, Spionage und ähnlich deprimierende Themen. Da tut es gut, diese Begriffe auch mal in einem positiven astronomischen Kontext zu betrachten!
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