Das alles führt dazu, dass ein Stern pro Tag vier Minuten früher auf beziehungsweise untergeht als die Sonne. Beim heliakischen Aufgang eines Sterns tauchen Sonne und Stern gleichzeitig über dem Horizont auf. Ein paar Tage danach hat sich dann alles schon wieder verschoben und der Stern erscheint ein paar Minuten vor der Sonne; ist also in der Morgendämmerung noch sichtbar. Diese Zusammenhänge waren auch schon den frühen Astronomen bekannt und sie wussten daher, dass der heliakische Aufgang nicht lange zurück gelegen haben kann, wenn der Stern in der Morgendämmerung über den Horizont steigt beziehungsweise der heliakische Untergang kurz bevor steht, wenn der Stern in der Abenddämmerung verschwindet.
Besonders gut klappt das, wenn es ein so heller Stern wie Sirius ist. Und aus Sicht der alten Ägypter kommt nun noch ein weiterer Faktor hinzu: Die jährliche Nilflut. Aufgrund des regelmäßig im Frühjahr stattfindenen Monsunregens in Äthiopien führte auch der Nil regelmäßig Hochwasser und überschwemmte einmal im Jahr die Uferregionen. Das war für die Landwirtschaft in Ägypten von großer Bedeutung; ohne die Nilflut wäre nicht genug Wasser und Schlamm für die Felder da gewesen. Und es war daher auch wichtig für die Planung der Bauern, darüber Bescheid zu wissen, wann die nächste Flut kommen würde.
Vor etwa 4000 Jahren stimmte alles so überein, dass der heliakische Aufgang des Sirius mit dem jährlichen Hochwasser des Nils zusammenfiel. Im ägyptischen Kalenderjahr spielte dieser Stern also eine große Rolle. Wenn Sirius wieder gemeinsam mit der Sonne am Himmel auftauchte, dann war der Sommer und die Zeit der Nilflut gekommen.
Die Griechen stellten sich dann später sogar einen kausalen Zusammenhang zwischen Sirius und der Sommerhitze vor: Sonnenlicht und das helle Licht des Sirius würden verschmelzen und so dafür sorgen, dass es gerade zu dieser Zeit im Jahr besonders heiß sei. Entsprechende Andeutungen findet man sogar in Homers berühmter Ilias; der Geschichte des Trojanischen Kriegs. Im zweiundzwanzigsten Gesangt erwartet Hektor den aus der Schlacht zurückkehrenden Held Achilles und als er endlich erblickt wird, kommt er “strahlenvoll wie ein Stern” daher und zwar der Stern, der
“Scheint vor vielen Gestirnen in dämmernder Stunde des Melkens;
Welcher Orions Hund genannt wird unter den Menschen;
Hell zwar glänzt er hervor, doch zum schädlichen Zeichen geordnet,
Denn er bringt ausdörrende Glut den elenden Menschen:”
Der Name “Sirius” war damals noch nicht in Gebrauch; Homer hatte den Stern “Orions Hund” genannt. Daraus hat sich dann auch der Name “Hundsstern” entwickelt, der heute immer noch manchmal für den Sirius verwendet wird. Und natürlich auch die Bezeichnung “Hundstage”.
Im römischen Reich dauerten die Hundstage oder dies caniculares vom 23. Juli bis zum 23. August. Aber die Zeiträume haben sich im Laufe der Jahrtausende ein wenig verschoben. Einerseits bewegen sich die Sterne selbst. Mit freiem Auge und über kurze Zeiten hinweg ist das nicht zu bemerken, aber wenn man genau genug messen kann oder einfach lange genug wartet, dann ändert sich ihre Position am Himmel. Viel stärker ist aber der Effekt der schwankenden Erdachse. Die Rotationsachse unseres Planeten zeigt nicht immer auf den gleichen Punkt am Himmel sondern beschreibt im Verlauf von etwa 26.000 Jahren einen kleinen Kreis. Diese Präzession der Erdachse verschiebt unseren Blickwinkel und beeinflusst auch die Auf- und Untergangszeiten.
Heute kann man den heliakischen Aufgang des Sirius von Deutschland aus erst ab dem 30. August beobachten. Damit wären die Hundstage eher ein Zeichen für den Beginn des Herbstes und nicht mehr für die heißeste Phase des Sommers. Aber die alten Traditionen halten sich länger als die astronomische Realität und wir sprechen immer noch von den Hundstagen, wenn wir die Hitze im Juli oder im August meinen. Und wenn das mit dem Klimawandel so weiter geht, dann stimmt es ja vielleicht auch bald wieder mit der Temperatur…
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