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Können Sie sich noch daran erinnern, wann und wie Sie zum ersten Mal etwas über unser Universum erfahren haben? Ich meine etwas, dass Sie so fasziniert hat, dass Sie es bis heute nicht vergessen haben. Bei mir war es in der 2. Volksschulklasse vor fast 60 Jahren in einem kleinen Dorf am Niederrhein, als ausgerechnet ein Pater aus einem nahe gelegenen Kloster im Religionsunterricht von einem gigantisch großen Karussell erzählte, bestehend aus der Erde, die sich nicht nur um ihre eigene Achse dreht sondern mit noch acht weiteren Planeten um die Sonne kreist und die Sonne zusammen mit Milliarden anderer Sterne das Zentrum der Milchstraße umkreist und ein Umlauf 250 Millionen Jahre dauert. Er malte dabei immer größere Kreise auf die schon bald viel zu kleine Wandtafel, wohl um uns staunenden Dorfkindern an diesem Beispiel die Größe und Allmacht des Schöpfergottes zu demonstrieren. Und ob dies nicht schon genug sei, erzählte er noch, dass die Milchstraße nur eine von vielen hundert Milliarden anderer Galaxien in einem schier unendlich großen Universum sei.
Damals hörte ich es zum ersten Mal das Wort “Galaxis”, welches mir auch heute noch so geheimnisvoll und verlockend in den Ohren klingt. Ich habe dann später im Gymnasium und während meines Physikstudiums nur wenig mehr über das Universum erfahren, obwohl sich die Wissenschaft vom Universum – die Kosmologie – in den vergangenen fünfzig Jahren zur Präzisionswissenschaft von heute weiter entwickelt hat. Die Geschichte des beobachtbaren Universums von seinen Anfängen im Urknall bis zur beschleunigten Expansion des Raumes, welcher die fernsten Galaxien mit Überlichtgeschwindigkeit von uns fort trägt und aus unserem Blickfeld entschwinden lässt, gehört ja heute gewissermaßen zur populärwissenschaftlichen Folklore. Man darf gespannt sein auf die nächsten Kapitel dieser Geschichte, die uns darüber aufklären werden, aus welchen geheimnisvollen Elementarteilchen denn nun die dunkle Materie besteht und welche Quintessenz sich hinter der das Schicksal des Universums bestimmenden dunklen Energie verbirgt.
Was mich heute aber am meisten fasziniert ist die Tatsache, dass das Universum in seiner einzigartigen Gesamtheit wie ein Objekt physikalisch modelliert und verstanden werden kann und dass die kosmologischen Modellparameter mit immer größerer Präzision experimentell bestimmt werden können. Jetzt im Rentenalter habe ich Zeit und Muße, meine schon als Kind von einem klugen Pater geweckte Neugierde endlich zu befriedigen und im wahrsten Sinne des Wortes immer tiefer in die Materie und die Raumzeit vorzudringen. Für mich gehört die Entschlüsselung des Universums mit zu den größten Kulturleistungen der Menschheit. Nur manchmal, wenn führende Kosmologen uns glauben lassen wollen, dass es nicht nur unser so einzigartiges Universum, sondern deren unendlich viele andersartige Universen gäbe, drängt sich mir der Gedanke auf, dass mein kindlicher Glaube an einen Schöpfergott gar nicht mal so phantastisch war.
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Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von “Bruno” geschrieben.
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