Es ist einfach zu verführerisch, der schlichten Eleganz der Knappheit zu erliegen und dabei die komplexere Seite der Nachfrage zu vernachlässigen. Machen wir diesen Fehler nicht und betrachten eingehender die Struktur und die Prozesse der Nachfrage. Ausgangspunkt sind individuelle Wertepräferenzen, die aus einer simplen Bedürfnisbefriedigung, aus einem Verlangen, rationalen Erwägungen oder riskanten Wetten bestehen können. Besteht überhaupt die Möglichkeit, ein solch merkwürdiges Phänomen, das aus einem Sammelsurium verschiedenster, diffuser Konstrukte besteht, zu messen? Ja, zum Glück ist es fast so einfach zu bestimmen wie die Knappheit. Der Schlüssel liegt in einem einfachen Vergleich. Ein wertvolles Objekt, welches ein Verlangen bei mir auslöst, das ich daher gerne besitzen möchte und auf dem Markt nachfragen will, vergleiche ich mit einem anderen begehrenswerten Objekt. Dieses Vergleichsobjekt verändere ich solange, bis das Begehren nach dem zu bewertenden Objekt und dem Vergleichsobjekt best möglichst übereinstimmt. Hierzu muss das Vergleichsobjekt möglichst leicht in der Begierdenerweckung veränderbar sein, indem sein Wert leicht vergrößert oder verkleinert werden kann, wie dies in etwa mittels Messgewichten bei einer alten Balkenwaage möglich ist. Richtig, dieses Vergleichsobjekt, das eine einfache Messung des Wertes ermöglicht, gibt es schon und heißt in der Umgangssprache Geld.
Geld ist knapp, die Erfahrung kennt jeder, und es löst ein Verlangen bzw. vielmehr eine Gier aus, egal ob das Geld aus Gold, aus Papier oder einer Buchung im Computersystem besteht. Es ist daher wertvoll und es hat praktischerweise seinen Wert bereits aufgedruckt. Somit lässt sich aus Geld leicht ein Vergleichsobjekt zusammenstellen, mit dem der Wert anderer Sachen und Leistungen verglichen und somit bestimmt werden kann. Bei einem Kauf vergleicht der nachfragende Kunde den Angebotspreis mit seiner individuellen Präferenz. Ist der Preis niedriger, greift er möglicherweise zu, ist er höher, lehnt er das Angebot sicherlich ab.
Aus der Tatsache, dass Geld ein Messinstrument für den ökonomischen Wert ist, können wir eine oft gestellte Frage beantworten: Welchen tatsächlichen Wert hat ein 5-Euro Schein? Diese Frage ist ebenso sinnvoll wie die Frage, wie lange ein Kilometer ist oder wie schwer die Eichgewichte einer Waage sind. Geld hat immer exakt den auf ihm notierten Wert, denn die Standardisierung des Geldwertes ist nichts anderes als die Messskala der ökonomischen Wertermittlung.
Wenn das Geld neben der Tauschfunktion auch ein Messinstrument ist, dann muss es einen Messfehler haben, wie jedes andere Messinstrument. Derzeit wird dieses Problem durch das Konzept der Preisstabilität gelöst, indem durch eine eine gezielte Beeinflussung der Knappheit des Geldes, der Geldmengensteuerung mittels Zentralbankzinsen, das Verlangen nach Geld konstant gehalten wird und dadurch ein Messfehler ausgeschlossen werden soll. Diese Strategie stößt an ihre Grenzen. Aber weshalb? Wenn man die etwas unkonventionelle Messmethode der Preisfindung verstanden hat, sich nicht nur auf die abstrakte Knappheit des Geldes konzentriert, sondern auch die niederen, menschlichen Bedürfnisse wie die Gier nach Geld berücksichtigt, erkennt man den Denkfehler an diesem Ansatz. Die Nachfrage nach Geld ist eine Akkumulation zahlreicher individueller Messprozesse. Eine eingehender Betrachtung dieser Struktur findet bisher weder theoretisch noch praktisch statt. Eine individuelle Messung eines Marktangebots ist jedoch abhängig von der zur Verfügung stehenden Geldmenge des einzelnen Anbieters sowie des einzelnen Nachfragenden. Wie sehr die individuell zur Verfügung stehende Geldmenge die Wertmaßstäbe beeinflusst, kann jeder selbst erforschen, in dem er einmal kurz von einem Hauptgewinn im Lotto träumt! Die eigenen ökonomischen Wertmaßstäbe kommen plötzlich gewaltig ins Rutschen!
Verlässt man die individuelle Perspektive und schaut sich wieder das abstraktere Konstrukt der Nachfrage an, wird plötzlich deutlich, dass die Verteilung des Geldes eine wesentliche Determinante der unzähligen individuellen Wertmaßstäbe ist, aus der sich wiederum die Nachfrage zusammen setzt. Die Steuerung der Geldmenge allein gewährleistet daher noch nicht ein fehlerfreies Funktionieren des Wert-Messinstrumentes Geld. Es ist entscheidend, dass eine möglichst optimale Verteilung des Geldes sichergestellt ist, um die individuellen Wertmaßstäbe nicht zu sehr zu verzerren. Eine ungleiche Verteilung des Geldes führt daher zu systematischen Fehlern der Wertermittlungen, das Marktgleichgewicht kann sich nicht mehr ungestört ausbilden, die Preisfindung ist fehlerhaft und der Markt verliert seine Fähigkeit zur effektiven Steuerung der Wirtschaftsgüter.
Kommentare (21)