Ein einziges Erlebnis hatte ich, nach dem ich mir gewünscht hätte ich wäre in dieser Situation ein Mann gewesen: nach dem Abschluss meines Bachelors ein letztes Gespräch mit meinem Betreuer an der Fachhochschule. Er fragte mich was meine weiteren Pläne für die Zukunft seien. Ich erklärte, ich wolle an einer Uni weiterstudieren und dann in die Grundlagenforschung gehen. Woraufhin er mir entrüstet entgegnete „Aber, willst du das wirklich? Das muss dir schon klar sein, dass das sich das sehr schwer mit einer Familienplanung vereinbaren lässt!“ Er hat es sicherlich nicht böse gemeint, und daher nehme ich ihm diese Aussage nicht übel. Aber irgendwie nagte es doch an mir. Wieso muss ich mir nach Abschluss meines ersten Studienabschnittes mit ausgezeichnetem Erfolg so etwas anhören? Wieso werde ich auf meine Gebärfähigkeit reduziert? Wieso wird davon ausgegangen dass ich, nur weil ich eine Frau bin, die ersten 3 Lebensjahre meines Kindes zu Hause bleiben und auf meine Karriere verzichten möchte (und dass das nicht genausogut mein Partner übernehmen könnte)? Wieso wird überhaupt mal prinzipiell angenommen dass ich vorhabe Kinder zu bekommen? Ich kann damit leben dass mich meine 74-jährige Großtante fragt, wie ich das schaffen will, eine Familie zu gründen wenn ich jetzt mindestens 4 Jahre PhD vor mir habe und einen PostDoc im Ausland machen will. Aber als so eine Aussage von einem meiner Professoren kam, fühlte ich für einen kurzen Moment dass eben doch noch nicht alles getan ist, dass man als Frau eben doch nicht komplett gleichgestellt ist – nicht weil man nicht rein prinzipiell dieselben Möglichkeiten geboten bekommt, sondern weil man in der Gesellschaft leider in vielen Situationen zuerst als Frau gesehen wird, und dann erst kommt alles andere. Und leider können die momentan praktizierten Ansätze diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, das Problem höchstens noch weiter verschlimmern.
Meiner Meinung nach sind wir als Gesellschaft an einem Punkt wo ein Umdenken notwendig wäre. Wem ist geholfen durch den Ruf nach mehr weiblichen Rollenbildern, das Bestreben mehr Mädchen und Frauen für die Forschung motivieren, mehr Frauenförderung, Frauenquote, Frauen-bezogene Themen in den Wissenschaften und so weiter und so fort? Sieht so Gleichberechtigung aus? Können wir so wirklich eine Welt erschaffen, in der Mädchen genau dieselben Voraussetzungen wie Jungen haben, zu erreichen was sie wollen? Kann man ein Mädchen wirklich zu etwas motivieren indem man ihm sagt „Das kannst du sicher schaffen, obwohl du ein Mädchen bist!“ ? Nur damit man jungen Frauen dann erst recht komische Blicke zuwirft wenn sie Karriere und Familie eben nicht unter einen Hut bringen können oder wollen, und sich dann nur für das eine oder andere entscheiden?
Nein, ich denke das ist nicht der Weg den wir gehen sollten. Niemandem ist geholfen indem man ein binäres Geschlechter-Rollenbild noch verstärkt, indem man in den Köpfen der Erwachsenen und Kinder weiterhin den Glauben verankert dass das Geschlecht für die individuelle Person auch nur irgendeine Bedeutung hat.
Geschlecht – naturwissenschaftlich betrachtet und definiert
Wissenschaftlich betrachtet gibt es keinerlei Basis für eine derartig unterschiedliche Behandlung von „Männern“ und „Frauen“. In einer Vorlesung der Evolutionsbiologin Hanna Kokko stellte diese die vermeintlich simple Frage: „Was denken Sie, wie definiert man eigentlich männlich und weiblich?“. Sie zeigte am Beispiel des Seepferdchens, dass weder Paarungsverhalten noch Brutaufzucht (beim Seepferdchen ist es bekanntlich das Männchen, das die Larven in einer Art Bauchtasche aufzieht) die Basis für eine Definition liefern. Noch klarer wird dies bei der Betrachtung von zweihäusigen Pflanzen oder einfachen Lebewesen wir Schwämmen und Anemonen.
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