Sex vs. Gender
Diese Vermischung der beiden Begriffe schadet dem Ziel einer Gleichberechtigung massiv. Immer und immer wieder werden biologisches und soziales Geschlecht in einen Topf geworfen und in kaum einer Diskussion über die Rolle oder Situationen von Frauen – sei es in den Wissenschaften, generell in der Berufswelt oder allgemein in der Gesellschaft – wird differenziert über diese beiden Aspekte gesprochen. So fällt es natürlich vielen Menschen umso schwerer das Konzept einer Gleichberechtigung ernst zu nehmen oder zu verstehen wenn Argumente wie „Frauen werden in technischen/wissenschaftlichen Berufen/Situation XY benachteiligt“ (sozial) gegenüber Aussagen wie „das Gehirn von Frauen ist anders entwickelt weswegen sie für Situation XY weniger begabt sind“ (biologisch und negativ verallgemeindernd).
Sicherlich gibt es auf physiologischer Ebene Aspekte die Männer und Frauen voneinander Unterscheiden – statistisch gesehen, im Durchschnitt betrachtet. So sind Frauen durchschnittlich kleiner als Männer (haben daher auch durchschnittlich ganz logischerweise ein kleineres Gehirn, wie auch alle anderen Organe kleiner sind). Es mag auch sein dass durchschnittlich weniger Frauen als Männer Begabungen für räumliches Denken oder höhere Mathematik zeigen, und umgekehrt mag es auch stimmen dass mehr Frauen aufgrund ihrer natürlichen Mutterinstinkte sehr fürsorglich sind. Genauso gibt es aber auch Frauen die für einen klassischen „Frauenberuf“ wie Kindergärtnerin oder Krankenpflegerin absolut ungeeignet wären, so wie es auch Männer gibt die dafür quasi prädestiniert sind, weil sie sehr aufopferungsbereit sind. Sicherlich würden mich die meisten Männer in meinem Umfeld beim Armdrücken besiegen. Ich kenne aber auch Frauen die die meisten Männer in meinem Umfeld besiegen würden.
Der Knackpunkt ist, dass jede biologische Voraussetzung oder Veranlagung nur die Rahmenbedingungen stellt, innerhalb derer es große Variabilität gibt. So sind nicht alle Menschen oder Männer oder Frauen gleich groß, nicht alle sind gleich klug oder dumm, und genauso wenig teilen sie sich alle ihre Begabungen nur mit ihren Geschlechtsgenossen. Dennoch beharren viele Menschen darauf, dass diese Unterschiede existieren und Naturgegeben seien – und was viel schlimmer ist, dass sie so wichtig seien, dass sie in unseren Lebensalltag implementiert sein müssten.
Menschen neigen sehr stark dazu, alles kategorisieren zu wollen. Alles braucht einen Begriff um es zu beschreiben, alles muss irgendwie unterteilt werden – vermutlich fühlen sich einige nur dann sicher, wenn sie ihre Welt in „gut“ und „böse“, „Schwarz“ und „weiß“ und eben „Mann“ und „Frau“ einteilen können. Alles andere, alles dazwischen, ist beängstigend und wird daher nicht akzeptiert. So kam es in der Vergangenheit dazu, dass Menschen aufgrund ihrer „Rasse“ unterschiedlich behandelt wurden. Auch diese problematische Einstellung ist leider noch nicht aus der Welt, dennoch sind Menschen unterschiedlicher „Rasse“ soweit gleichgestellt, dass sie theoretisch dieselben Rechte und Möglichkeiten haben (ich sage theoretisch, weil das natürlich aufgrund sozialer Aspekte noch lange nicht in einer realen 100%igen Gleichberechtigung resultiert). Jedenfalls würde niemand mehr heutzutage auf die Idee kommen zu sagen „Natürlich können Sie sich Vorne im Bus hinsetzen OBWOHL Sie Schwarz sind“. Wenn es aber um Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft geht, müssen wir uns aber immer wieder sagen lassen, was wir nicht alles erreichen können „obwohl“ wir Frauen sind.
Ich, du, er, sie, es – und unser aller Gleichberechtigung
Der wahre Sexismus und das eigentliche Problem beginnt schon dort, wo man der Meinung ist dass es unentbehrlich und wichtig ist dass wir Menschen in Männer und Frauen unterteilen – nach welchen Kriterien auch immer – in einem Kontext, wo dies keinerlei reellen Nutzen bringt. Natürlich ist es im Kontext einer Suche nach – zum Beispiel – einem Samenspender wichtig dass dieser ein (biologischer) Mann ist. Aber es gibt realistisch betrachtet nur sehr, sehr wenige solche Situationen, wo die Frage ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, wirklich relevant ist. Während meines Erasmus-Semesters in Finnland sah ich das mit besonderer Deutlichkeit. Im Finnischen gibt es für die Wörter „er“ und „sie“ nur einen Begriff, „hän“. Auf die Frage eines Schülers im Sprachkurs, wie man denn dann wissen könne ob von einem Mann oder einer Frau die Rede sei, überlegte die Finnischlehrerin kurz, und meinte dann: „Meistens ist es einfach nicht wichtig“. Und statt wegzugehen von einem binären Weltbild, einer binären Sprache, versuchen wir im Moment anscheinend alles nur noch immer weiter zu unterteilen – Sprache wird gegendert damit sich Frauen mitangesprochen fühlen können, weibliche Vorbilder müssen her damit kleine Mädchen sich mit jemandem identifizieren können, Frauenförderung muss her damit Frauen gezielt motiviert werden dies oder jenes zu machen. Wollen wir das eigentlich wirklich, eine Welt in der Mädchen sich nur mit Frauen identifizieren können und Jungen nur mit Männern? Eine Welt in der wir genau dieselben blöden Stereotype und Rollenbilder immer und immer wieder durchexerzieren, und nur bei Bedarf ein bisschen erweitern (Frauen dürfen jetzt auch studieren/wählen gehen/Ärzte werden etc.) aber im Endeffekt genau gar keinen Schritt näher an einer realen Gleichberechtigung in den Köpfen der Menschen kommen?
Dabei wäre es so viel wichtiger zu verstehen dass die Unterschiede zwischen zwei Menschen viel, viel größer sind als die gemittelten Unterschiede zwischen „allen Frauen“ und „allen Männern“. Es wäre wichtig zu verstehen, dass es völlig irrelevant ist ob jemand als biologischer Mann oder biologische Frau geboren wurde, sondern welche Fähigkeiten und Begabungen die individuelle Person hat. Keine „Schublade“ in die Menschen andere Menschen steckt ist so gigantisch groß wie die die Schublade „Mann“ oder „Frau“. Und genau das macht sie so lächerlich obsolet dass man doch im Jahr 2015 doch endlich einmal aufhören könnte alles danach zu kategorisieren.
Kommentare (77)