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Wir müssen viel unternehmen, um unseren Körper am Laufen zu halten. Wir müssen essen, trinken und schlafen, aber vor allem müssen wir eines: atmen. Ohne Nahrung können wir Wochen überleben, ohne Wasser über Tage. Ohne Luft aber halten wir nur wenige Minuten durch. Wie direkt der Atem mit unserem Leben verbunden ist, lässt sich am griechischen Wort „Psyche“ ablesen, das sowohl den Atem als auch das gesamte Sein einer Person meint. Obwohl uns jeder Atemzug am Leben hält, fügt er uns aber gleichzeitig auch Schaden zu. Aber der Reihe nach.
Sauerstoff: radikaler Lebensspender
In einem meiner letzten Blogeinträge habe ich angesprochen, dass unser Körper den Sauerstoff aus der Luft braucht, um Stoffe zu verbrennen und daraus Energie zu gewinnen. Das große Problem dabei: der Sauerstoff!
Aus der Werbung wissen wir, dass Anti-Oxidantien gut für uns sind, denn sie schützen uns vor den sogenannten „freien Radikalen“. Anders als man vielleicht denkt, sind diese „Radikale“ keine Extremisten, sondern sehr reaktive Moleküle mit besonderen Eigenschaften. Eine ihrer angenehmeren Eigenschaften ist übrigens, dass Radikale sehr oft farbig sind. Wie zum Beispiel der Sauerstoff, der in seiner flüssigen Form blau ist.
Weil freie Radikale aber nicht nur oft farbig, sondern auch reaktiv sind, stellen sie mit unserem Körper sehr viel Schädliches an: Sie verändern unser Erbgut und beschädigen die Fette und Eiweiße, die überall in unserem Körper vorkommen. Das führt dazu, dass unsere Haare grau werden, die Haut ihre Spannkraft verliert und unser Körper altert. Es ist ein Dilemma, dass ausgerechnet unser Lebensspender Sauerstoff auch so ein freies Radikal ist.
Wir können nicht leben ohne zu atmen. Und wir können nicht atmen, ohne zu altern.
Wir brauchen den Sauerstoff aber als Oxidationsmittel, also zum „Verbrennen“ von Stoffen. Deshalb hat unser Körper viele Sicherheitsmechanismen, die dafür sorgen, dass der Sauerstoff nur dorthin gelangt wo er auch wirklich hin soll. Er wird gut abgeschirmt und „verbrennt“ garnicht direkt unsere Nährstoffe, sondern einen Hilfsstoff: NADH (ausgeschrieben ist das Nicotinamidadenindinukleotid – aber das ist selbst Wissenschaftlern zu lang). Daraus entsteht der „Zwischenträger“ NAD+, der ebenfalls andere Stoffe oxidieren kann, wobei das NADH dann wieder zurückgewonnen wird. Auf diese Weise wird die Oxidations-Fähigkeit des Sauerstoffs auf eine viel weniger gefährliche Substanz übertragen, die unser Körper besser handhaben kann.
Ganz ähnlich ist es mit der Energie, die beim „Veratmen“ unserer Nahrung freigesetzt wird. Hier benutzt unser Körper ebenfalls einen chemischen Zwischenträger – und zwar das Molekül ATP (Adenosin-Triphosphat), bekannt aus dem Biologieunterricht als die „Energiewährung des Körpers“. So gut wie immer wenn ein biochemischer Prozess im Körper ablaufen soll und dafür Energie aufgewendet werden muss, wird dabei ATP verbraucht.
Süße Brennstoffe
ATP wird vor allem aus Zucker und anderen Kohlenhydraten hergestellt. Alle anderen Nährstoffe werden natürlich auch verwertet, aber Fette dienen in erster Linie als Energiereserve und Wärmeisolation, und Eiweiße werden in ihre Bestandteile zerlegt um neue Proteine und Enzyme daraus herzustellen. Um aus den Zuckermolekülen an die begehrte „Energiewährung“ zu kommen braucht es über ein Dutzend verschiedener Reaktionen, die hochspezialisierte Enzyme durchführen.
Vielleicht ist Ihnen schonmal aufgefallen, dass Weissbrot süßlich schmeckt, wenn man es lange genug kaut? Das kommt daher, dass die Enzyme in unserem Speichel die Kohlenhydrate aus dem Brot zerlegen. Kohlenhydrate sind Ketten von Zuckermolekülen; deshalb werden sie manchmal auch „Vielfachzucker“ genannt. Beim Verdauen werden sie in immer kleinere Ketten zerstückelt, bis der Körper irgendwann an die kleinen süßen Zuckermoleküle kommt, aus denen er seine Energie gewinnt.
Mitochondrien: Kraftwerke mit Sicherheitsrisiko
Die eigentliche Atmung findet in besonderen Teilen der Zelle statt: den Mitochondrien, die nicht ohne Grund als „Kraftwerke der Zelle“ gelten. Deshalb haben wir auch besonders viele dieser „Kraftwerke“ in Körperzellen mit einem hohem Energiebedarf – zum Beispiel in den Muskeln. Wie bei jedem Kraftwerk kann es aber auch in einem Mitochondrium mal ein Leck geben. Für die Zellen heisst das, dass mit der Zeit immer wieder ein paar Radikale in ihnen freigesetzt werden und Schaden anrichten. Freie Radikale treten aber nicht nur bei der Atmung auf. Direktes Sonnenlicht, Abgase und andere Umweltbelastungen sind ebenfalls verantwortlich dafür, dass wir „radikal“ altern. Auch bei diesen Radikalen sorgen Sicherheitsmechanismen dafür, dass die Schadstoffe schnellstmöglich unschädlich gemacht werden. Ein wichtiges Hilfsmittel für unseren Körper ist zum Beispiel das Vitamin C, das als „Anti-Oxidans“ ungewünschte Oxidationen in unseren Körperzellen verhindert. Die Werbung hat also garnicht so unrecht, wenn sie uns Anti-Oxidantien anpreist, mit denen wir uns vor freien Radikalen schützen können.
Atmen ist also gefährlicher als man denkt. Vielleicht hatten die alten Griechen das bereits erkannt, als sie mit dem Begriff der „Psyche“ sowohl das Atmen als auch das Sein des Menschen belegten. Oder um es mit Erich Kästner zu sagen: „Leben ist immer lebensgefährlich!“
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Hinweis zum Autor:Dieser Artikel wurde von Marco geschrieben: “Ich bin Chemiker und möchte dazu beitragen, die Chemie verständlich und greifbar zu kommunizieren. Mehr darüber erfahrt ihr in meinem eigenen Blog unter www.chemreporter.wordpress.com.”
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