Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
sb-wettbewerb
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Letztens hab ich mal wieder Neuromancer von William Gibson gelesen, ein dystopischer Roman aus dem Jahre 1984. Und wie bei solchen Science-Fiktion-Lektüren nunmal üblich ist die Vorstellung der Zukunft geprägt von anarchischer Gewalt, einem allumfassenden Internet (im Buch “Cyber Space” genannt) und Cyborg-Menschen mit allerlei Prothesen. So verfügt eine der Nebencharaktere nicht nur über ausfahrbare Krallen wie Wolferine, sondern auch über Insekten-ähnelnde Augenmodifikationen. Und das brachte mich auf den Gedanken, ob artifizielle Augen eigentlich irgendwann möglich, weitverbreitet oder überhaupt sinnvoll seien.

Eine erste Internetrecherche zeigt, dass die Idee dafür durchaus vorhanden ist. Das Designer-Studion MHOX bewirbt künstliche Augen, welche ab 2027 das natürliche Augenlicht eines jeden Menschen nicht nur ersetzten, sondern gar verbessern soll. Beim genaueren hinsehen zeigt sich, dass zwar die Idee und ein Vermarktungskonzept vorhanden ist. Die technische Ausführung beruht jedoch auf der naiven Vorstellung, dass mittels Bio-Printing-Methoden in naher Zukunft nahezu alles möglich sein wird. Doch wie könnte den künstliche Sehen technisch realisiert werden?

Augen-Kamera statt Kamera-Auge

Wenn man an künstliche Augen denkt, stellen sich die meisten wohl eine Art Kamera anstelle bzw. innerhalb des Augapfels vor. Eine Kamera hätte, wenn man nur die Pixelzahl mit der Anzahl an Sinnerszellen im Auge vergleicht, in Sachen Auflösung einen klaren Vorteil gegenüber unserem Sehorgan. Das dieser Vergleich sehr hinkt, erklärt Michael von Vsauce sehr gut. Aber gut, ersetzen wir unser Auge durch eine Kamera und stoßen gleich auf das folgen Problem: Wie soll die Bildinformation der Kamera in unser Gehirn gelangen? Einen vielversprechenden Ansatz liefert die Forschung von Dr. Sheila Nirenberg von der Cornwell University. Ihre Gruppe entwickelt Augenprothesen für einige z.B. durch Makuladegeneration erblindete Menschen und es lohnt sich wirklich ein Blick in ihre PNAS-Publikation, ihren TED Talk oder in Irv Arons Blogeintrag darüber. Ich will es euch in etwas geraffter Form erklären.

Im gesunden Auge wird einfallendes Licht an verschiedenen Stellen gebrochen und auf die Netzhaut (Retina) geworfen, die auf der Hinterseite des Auges liegt. In der Retina befinden sich Photorezeptorenzellen und ein dichtes Netz an weiteren Nervenzellen. Es gibt zwei Arten von Photorezeptorzellen, die Stäbchen und die Zäpfchen. Die Zäpfchen erkennen unterschiedliche Wellenlängen und sind für unser Farb- und Kontrastsehen zuständig sind. Die Stäbchen sind deutlich sensitiver gegenüber Licht und für unsere Nachtsicht verantwortlich. Die Rezeptoren geben bei Lichteinfall Signale an den Schaltkreis der Nervenzellen weiter, welcher die eingehende Informationen in eine Abfolge von Impulsen verarbeitet. Diese Impulsfolgen werden an die nachgeschalteten Ganglienzellen weitergeleitet, welche sie wiederum weiter den Sehnerv entlang Richtung Gehirn senden.

Im gesunden Auge wird das von einem Objekt reflektierte Licht beim Eintritt ins Auge gebrochen und auf die Retina reflektiert. Photorezeptoren und Nervenzellen wandeln das Licht in einen elektrischen Impuls um der an das Gehirn weitergeleitet wird (oben). Bei einer Augenprothese übernimmt eine Kamera und ein Computerchip die Bildaufnahme und -prozessierung. Die errechnete Impulsfolge wird mittels einer Photodiode an modifizierte Ganglienzellen übertragen, die das Lichtsignal in einen elektrischen Impuls umwandeln (unten). (Retinaabbildung abgeändert übernommen von Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Im gesunden Auge wird das von einem Objekt reflektierte Licht beim Eintritt ins Auge gebrochen und auf die Retina reflektiert. Photorezeptoren und Nervenzellen wandeln das Licht in einen elektrischen Impuls um der an das Gehirn weitergeleitet wird (oben). Bei einer Augenprothese übernimmt eine Kamera und ein Computerchip die Bildaufnahme und -prozessierung. Die errechnete Impulsfolge wird mittels einer Photodiode an modifizierte Ganglienzellen übertragen, die das Lichtsignal in einen elektrischen Impuls umwandeln (unten). (Retinaabbildung abgeändert übernommen von Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Bei Patienten mit Makuladegeneration ist der Bereich der Retina zurückgebildet, wo sich hauptsächlich die Zäpfchen befinden. Mit Nirenbergs Technik sollen nun die zerstörten Rezeptor- und Nervenzellen umgangen werden und die Ganglienzellen direkt angesteuert werden. Der dazu verwendete Ansatz ist zweigeteilt, bestehend aus einem Encoder und einem Transducer. Der Encoder besteht aus einer Kamera, einem Prozessorchip und einem mini-DLP (minidigital ligth projector). Der Prozesserchip soll das Bildmaterial der Kamera in eine geeignete Abfolge von Impulsen umwandeln und damit den natürlichen Schaltkreis der Retina ersetzen. Die errechnete Impulsabfolge wird nun vom mini-DLP als kurze blaue Lichtstöße abgegeben. Auf der Seite der Ganglienzellen kommt nun der Tranducer ins Spiel. Dieser Tranducer ist der Blaulicht-sensitiver Rezeptor Channelrhodopsin-2 (ChR2), der vom Licht der mini-DLP-Diode angeregt wird und das Signal in einen für den Sehnerv verständlichen elektrischen Impuls umwandelt. Um das ChR2-Protein in die Ganglienzellen hineinzubekommen, braucht es jedoch eine gentherapeutische Behandlung des Patienten bzw. des Versuchstieres.

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Kommentare (15)

  1. #1 rolak
    19. September 2015

    Nicht in Sicht

    Schade schade, sage ich Maulwurf da nur…
    Imho erfrischend einfach, eingängig und gut zu Weiterführendem leitend geschrieben – selbst wenn der Kern der Aussage je nach Einstiegsmotivation des Lesers eher desillusionierend sein mag.

    A-B-C-D /vs/ A-Blinks-Brechts-C

    Brechts übers Knie, doch Brechts ist das neue C! 😉

  2. #2 MartinB
    19. September 2015

    Adler haben 5 Zapfen (ist “Zäpfchen” nicht als Begriff abgeschafft?)? Ich dachte, Vögel hätten generell 4, haben die Adler da noch eins Extra?

  3. #3 rolak
    19. September 2015

    Zapfen /vs/ Zäpfchen

    VaterZitat: Man kann alt wer’n wie ne Kuh und lernt immer noch dazu..

    fälschlich in Analogie zu den Stäbchen auch als Zäpfchen bezeichnet

    4 /vs/ 5

    Da könnte mir beim Suchen (sowas sehe ich selbstverständlich nicht automagisch im Text…) eine mögliche Lösung für die Verzählung vor die Füße gescrollt sein, MartinB:

    beim Menschen haben sich nach neueren Erkenntnissen der Rezeptor für rotes und der für grünes Licht aus einem gemeinsamen entwickelt, so dass Vögel eigentlich zwei Rezeptoren mehr als Säugetiere haben (wiki(Vögel)):

  4. #4 bruno
    19. September 2015

    Vom Layout schon schön professionell gebloggt. Der Inhalt springt etwas…
    “Bei genauerem Hinsehen” fand ich gut, “Tagraubvögel” …tststs … politisch unkorrekt. (“Greifvögel” … die rauben ja schliesslich nichts).

    Und wie ist das denn mit dem Fokussieren? Selbst wenn wir einen Sensor hätten, der alle im Bildbereich befindlichen Dinge scharf abbildete – wie bewusst ist das Fokussieren?

  5. #5 BreitSide
    Beim Deich
    19. September 2015

    Sehr interessant! Es wäre schön, wenn die Techniken irgendwann tatsächlich für Makuladegenerierte oder gar Blinde eingesetzt werden könnten.

    Ein Durchlauf durch eine Rechtsschreibsoftware wäre nicht schlecht gewesen 😉

  6. #6 Jan
    20. September 2015

    @rolak: Die Bildunterschrift hatte ich anhand der Orginalabbildung erstellt. Für Florian hab ich sie heruntergeladen und neu nummeriert. Die Bildunterschrift anschließend zu ändern hab ich vergessen.

    @MartinB: Das stimmt auf jedenfall z.B. für Weißkopfseeadler. Ob das bei anderen Adlern genauso ist, weiß ich nicht.

    @bruno: Ich meinte schon Raubvögel, in Analogie zu Raubtieren, die ja auch nichts rauben. Das mit dem Fokussieren ist tatsächlich ein großes Problem. Beim normalen Auge funktioniert das Fokussieren (bzw. die Akkommodation) ja unbewusst. Parasympathische Nervenstränge stimulieren entsprechende Muskel, welche die Linse krümmen. Die Kamera kann man aber nicht einfach an das Nervensystem anstöpseln. Also ergeben sich zwei Probleme: die Fokussierung verläuft bewusst und man muss die Kameralinse irgendwie bedienen. Das würde aber im Vergleich zu unserer natürlichen Akkommodation ziemlich lange dauern und wäre weniger intuitiv. Vielleicht wäre eine bifokale Kamera möglich, also eine Kamera die für zwei Entfernungen nutzbar ist.

    @BreitSide: Es laufen wohl schon Vorbereitungen für erste klinische Studien, aber keine Ahnung wie weit die da schon sind.

    Ein Durchlauf durch eine Rechtsschreibsoftware wäre nicht schlecht gewesen

    Da hast du wohl recht.

  7. #7 Alderamin
    20. September 2015

    @Jan

    Womit dann auch endlich eine Frage von mir an den Physikprof in der Optik-Vorlesung irgendwann in den späten 80ern geklärt wäre. Dieser erzählte uns, dass die Zahl der Sehzellen an das Auflösungsvermögen des Pupillendurchmessers angepasst sei. auf meine Frage, wieso ein Greifvogel bei kleineren Pupillen trotzdem schärfer sehen können soll als wir Menschen, wusste er keine rechte Antwort, nur, dass dies dann offenbar nicht zutreffen könne. Na ja, er war ja auch kein Biologe.

  8. #8 BreitSide
    Beim Deich
    20. September 2015

    @Alderamin: Wir hatten auch so einen Prof. Der versagte bei einer Frage zur Osmose. Es ging um Lachse, die ja in See- und Süßwasser existieren. Ein Kommilitone fragte, warum er dann in der Badewanne wegen der Osmose nicht platze.

    Erst in der darauf folgenden Vorlesung meinte er dann – sichtlich genervt -, der Kommilitone sei ja kein Lachs und – finale Bemerkung – sein A***loch sei ja dicht. Sehr überzeugend… 🙄

    War natürlich auch kein Biologe… 🙂

  9. #9 Kyllyeti
    20. September 2015

    Es ist wirklich die Frage, ob wir mit superscharfe Augen so glücklich wären.

    Wir haben ja schon diese höchstauflösenden neuen Fernsehbildschirme. Für Naturdokumentationen ist sowas wunderbar, aber Maskenbildner und Requisiteure schlagen schon die Hände über dem Kopf zusammen.

    Und dann auch sonst noch überall die manchmal doch recht häßliche Realität – wer möchte da dann gezwungenermaßen so ganz genau hinschauen?.

  10. #10 BreitSide
    Beim Deich
    20. September 2015

    Ha, Kylleti, da gibt es einen “schönen” Alt-Männer-Cartoon (Brüderle hätte seine Freude daran oder – aktueller – Trump).

    1. Bild: Mann und Frau, sehr unscharf gezeichnet, beim Optiker.
    2. Bild: Mann Brille aufgezogen, sieht Frau scharf und hässlich.
    3. Bild: Mann und Frau verlassen Optiker, ohne Brille, unscharf…

    David Hamilton hatte ja angeblich seine Objektive mit Fett beschmiert oder mit Sandpapier angerauht, um den Weichzeichnereffekt zu bekommen. Ich weiß natürlich nicht, ob er der Erste war.

    Aber ich hätte diese schärfere Sicht schon gerne. Meine erste Brille war dahingehend eine Offenbarung. Trotz nicht einmal einer Dioptrie.

  11. #11 Dampier
    20. September 2015

    Spannendes Thema. Danke @Jan für diese Übersicht.
    Während es in der Science Fiction reicht, dass solche technischen Probleme “halt irgendwie” gelöst wurden, ist so ein Realitätsabgleich im Detail immer sehr aufschlussreich – und meist zeigt es uns, wie weit wir von vielen Lösungen noch entfernt sind, auch wenn sie zuerst in naher Zukunft machbar erscheinen.

  12. #12 Dampier
    20. September 2015

    @BreitSide, natürlich von Loriot 😉

  13. #13 Kyllyeti
    20. September 2015

    @BreitSide

    Aber ich hätte diese schärfere Sicht schon gerne. Meine erste Brille war dahingehend eine Offenbarung. Trotz nicht einmal einer Dioptrie.

    Da brauchst Du mich nicht zu überzeugen – hab da selbst mehr als die eine Dioptrie im Auge.

    Trotzdem ist es mitunter angenehm, die Brille auszuziehen – dann sehe ich u.a. nicht so genau die merkwürdigen Blicke derer, die mich ohne Brille sehen. 😉

  14. #14 BreitSide
    Beim Deich
    20. September 2015

    @Dampier: Danke, ich hatte an einen Franzosen gedacht…

    @Kylleti: Is nur blöd, wenn man Leute auf der anderen Straßenseite nicht erkennt. Besonders, wenn sie mich erkannt haben. Da hilft dann nur anonymes lächelndes Zurückwinken… 😉

  15. #15 Jan
    21. September 2015

    @Alderamin: Mehr Photorezeptorzellen bringen mehr Auflösung und brauchen im Prinzip auch mehr Licht, insbesonders die Zapfen (nicht Zäpfchen wie ich jetzt weiß). Aber wenn die Pupillen zu groß sind, dann wird halt überbelichtet. Deshalb verengen sich unsere Pupillen ja auch bei grellem Licht. So pauschal wie’s dein Prof gesagt hat, kann das nicht stimmen.

    @Kyllyeti #9: Schön gesagt. Genau so ist es doch 😉

    @Dampier: Danke. Der “Realitätscheck” war es auch, was mich zu diesem Blogbeitrag angestossen hat.