Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
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In diesem Beitrag will ich euch einen kleinen Einblick über ein
Forschungsthema geben, das mich seit längerem interessiert und in dem ich
auch meine Masterarbeit geschrieben habe. Es soll in den nächsten
Seiten um Spinwellen und deren (potentielle) Anwendungen gehen.
Ich habe versucht die Sachverhalte so einfach wie möglich darzustellen –
man verzeihe mir deswegen etwaige Ungenauigkeiten.

Bevor wir uns in das Thema Spinwellen vertiefen möchte ich zunächst
erklären warum manche Stoffe überhaupt magnetisch sind und andere nicht.
Schon die alten Griechen haben festgestellt, dass Magnetit (Fe3O4) an
Eisen haftet. Den wahren Grund dafür wissen wir aber erst seit der
Entwicklung der Quantenmechanik im 20. Jahrhundert.

Wie bei vielen Effekten in der Festkörperphysik liegt die Ursache für den
Magnetismus bei den Elektronen der Atome. Neben der Ladung besitzen die
Elektronen auch noch eine Eigenschaft namens Spin. Um zu erklären, was der
Elektronenspin genau ist, reicht der Platz hier nicht (es gibt aber z.B.
hier einen Artikel). Für unsere Zwecke reicht es, wenn man sich den Spin als
Elementarmagnet vorstellt.

Die Materie ist also aus Atomen (bzw. deren Ionen) aufgebaut, die in einem
Gitter fest angeordnet sind. Je nach Element sitzt eine unterschiedliche
Anzahl an Elektronen auf der äußersten Schale des Atoms (die sog.
Valenzelektronen). Interessant wird es jetzt, wenn wir eine ungerade
Anzahl an Valenzelektronen haben. Denn dann hat eines der Elektronen
keinen Partner und sein Spin wird nicht kompensiert. Damit bleibt also
ein Elementarmagnet übrig und das Atom ist magnetisch.

Wenn diese Atome nun in ein externes Magnetfeld gebracht werden (z.B. in
einem Elektromagneten) dann richten sich alle Elementarmagnete parallel
zum Magnetfeld aus und verstärken dieses (siehe Bild 1). Man sagt, dass
das Material eine endliche Magnetisierung hat. Entfernt man das
Feld wieder, dann sorgen thermische Fluktuationen dafür, dass sich die
Spins wieder zufällig verteilen und die Magnetisierung verschwindet. Diese
Art von Magnetismus nennt man Paramagnetismus.

schreibwettbewerb-paramagnet

Bei bestimmen Materialien tritt aber etwas besonderes auf: Hier bleiben
die Magnetisierung bestehen, wenn man das Feld entfernt. Man spricht
davon, dass diese Materialien eine spontane Magnetisierung
besitzen (siehe Bild 1). Man nennt sie Ferromagneten. Eisen, Kobalt und
Nickel und unsere Kühlschrankmagnete sind beispielsweise Ferromagneten. Es
gibt aber noch eine ganze Reihe anderer Verbindungen die ferromagnetisch
sind, beispielsweise Neodym-Eisen-Bor (auch als “Supermagnet” bekannt).

schreibwettbewerb-ferromagnet

Der physikalische Grund warum Ferromagneten eine parallele Ausrichtung
bevorzugen ist die sogenannte Austausch-Wechselwirkung. Die
Austausch-Wechselwirkung sorgt dafür, dass sich die Energie des Materials
minimiert, wenn sich die Spins parallel ausrichten.
Man kann sich das ganze bildlich vorstellen, indem man die
Elementarmagnete mit kleinen Federn verbindet. Nur wenn die
Elementarmagnete parallel ausgerichtet sind, werden die Federn nicht
ausgelenkt und das System ist in Ruhe.

Stellen wir uns nun eine Kette von Spins vor, die mit Federn verbunden
sind. Was passiert nun, wenn wir dem ersten Spin unserer Kette einen
Schubs geben? Klar, durch die Verbindung mit der Feder wird auch der
nächste Spin ein wenig ausgelenkt. Dessen Auslenkung überträgt sich wieder
auf den nächsten Spin und so weiter und so fort. Und das ist auch schon
das ganze Geheimnis hinter einer Spinwelle. Eine Spinwelle ist also nichts
anderes als eine kollektive Schwingung von Spins, die miteinander in
Wechselwirkung stehen.

Um Spinwellen experimentell zu untersuchen schubst man nun den Spin nicht
einmal an, sondern immer wieder. Dabei ist es wichtig, mit der richtigen
Frequenz anzuregen. Das kann man mit dem Anschubsen einer Schaukel
vergleichen: Schubst man nur einmal pro Minute an, macht es dem
Schaukelnden genausowenig Spaß, wie wenn man ihm jede Sekunde einen
kleinen Stoß gibt. Bei der sog. ferromagnetischen Resonanz macht man genau
das: Man bringt das Material in ein magnetisches Wechselfeld und schaut
bei welcher Frequenz die Auslenkung (und damit Absorption) maximal ist.

Um nun funktionierende Devices aus diesen Materialien zu bauen bedient man
sich einer Menge Tricks aus dem “Nano”-Baukasten. Indem man periodische
Strukturen erstellt kann man so z.B. künstliche Bandstrukturen (wie in
einem Halbleiter) erzeugen und die Frequenzen gezielt festlegen. Und das
schöne dabei ist, dass die Bandstruktur von der Magnetisierung abhängt.
Und die Magnetisierung lässt sich ganz einfach durch ein externes Feld
steuern. Der Vorteil ist nun, dass man durch Anlegen eines Feldes somit
einfach die Bandstruktur und damit die gesamte Physik hinter dem Device
ändern kann. So könnte man z.B. ein Device bauen, was sich mit einem
Magnetfeld “umprogrammieren” lässt und man somit für verschiedene
Frequenzbereiche ein einziges Device benutzen kann.

Zu guter Letzt möchte ich noch ein paar Worte zu den potentiellen
Anwendungen von Spinwellen schreiben. Warum sind wir überhaupt an dieser
(Grundlagen)forschung interessiert?

Unsere bisherige Elektronik basiert bis jetzt nur auf der Ladung der
Elektronen. Ein Prozessor funktioniert, weil in ihm Elektronen von A nach
B verschoben werden um Informationen zu transportieren. Damit einhergehen
auch all die Nachteile, allen voran der Wärmeverlust durch den
elektrischen Widerstand.

Das interessante an Spinwellen ist nun, dass es auch isolierende
Ferromagneten gibt. Hier sind die Elektronen fest an ihre Atome gebunden
und können keinen elektronischen Strom leiten. Nichtsdestotrotz sind die
Materialien magnetisch und deshalb können Spinwellen in ihnen existieren.
Zum Anregen der Spinwellen ist aber eine verschwindend kleine Energie
nötig, sodass man Informationen übertragen könnte ohne den störenden
Wärmeverlust durch Elektronentransport.

Ein weiteres Anwendungsgebiet könnten Hochfrequenzbauteile sein, wie sie
in allen Smartphones und Notebooks Verwendung finden. Die
Anregungsfrequenz in typischen Materialien liegt nämlich im
Gigahertz-Bereich (zum Vergleich: WLAN arbeitet bei 2,4 und 5 GHz).
Während die Wellenlänge von elektromagnetischen Wellen im Vakuum bei
dieser Frequenz im Zentimeterbereich liegt, haben Spinwellen eine
Wellenlänge von Mikrometern. Man erhofft sich dadurch die
Hochfrequenzbauteile noch weiter miniaturisieren zu können.

Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Beitrag einen kleinen Einblick in die
spannende Welt der Spinwellen geben konnte. Vielleicht erleben wir es ja
schon in einigen Jahren, dass diese Technik ihren Einzug in unsere
Computer findet.

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Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von Stefan geschrieben: ” Ich studiere Physik, momentan im 10. Semester. An meinem Lehrstuhl befassen wir uns mit Spindynamik, in dem Bereich ist auch meine Masterarbeit angesiedelt.”

Kommentare (9)

  1. #1 tobalt
    20. September 2015

    Bin mal auf die antworten gespannt..schreibe selbst gerade diss über magnetismus. Und mir kommen die ganzen gelogenen motivationen die du auch ausführlich ausbreitest mittlerweile sehr lahm vor. Das dilemma: im magnetismus befasst man sich mit einem sehr kleinen detailaspekt der materie der für die menschliche wahrnehmung von stoffen so gut wie keine rolle spielt. An diesem detail ist das eigene thema nochmal ein detail.. ich habe es bisher nicht geschafft meinen mitmenschen mein thema verständlich zu machen und da rede ich immerhin von studenten. Das nervt mich am magnetismus doch sehr an. Da ist astrophysik deutlich greifbarer

  2. #2 Florian Freistetter
    20. September 2015

    @tobalt: “Das nervt mich am magnetismus doch sehr an. Da ist astrophysik deutlich greifbarer”

    Die allerdings auch ohne Magnetismus nicht wirklich gut funktioniert 😉

  3. #3 Stefan
    20. September 2015

    Hey,
    dieses Dilemma hat man aber nicht nur beim Magnetismus, sondern in vielen Bereichen der Physik bzw. Naturwissenschaft. Wenn mir ein Kollege erzählt, wie er numerische Simulationen von irgendwelchen Zellmechanismen macht, habe ich auch keine Ahnung was er erzählt.

    Trotzdem ist es wichtig, sein eigenes Thema anderen Leuten (auch Laien) beizubringen. Und da sind eben die “Motivationen” gut geeignet, damit man sich zumindest etwas drunter vorstellen kann.

    Ich hoffe das beantwortet deine “Frage” (die gar keine war ;). Oder willst du noch was Spezielles wissen?

  4. #4 tobalt
    20. September 2015

    Nein ich meinte die antworten von anderen lesern auf deinen beitrag. Nicht deine antwort. Trotzdem danke 😉

    Das og problem besitzen alle wissenschaften, die sog. Angewandte Wissenschaften sind. Dadurch entsteht das falsche bild dass alles was dort getan wird möglichst gestern in einem “produkt” münden solle, das man “kaufen” kann. Ich finde magnonische logik auch spannend. Aber ich denke auch das magnonen noch viel mehr hergeben als irgendeine komponente bestehender computer zu verbessern gähn. Niemand erwartet dass man sterne und schwarze löcher kaufen kann. Deshalb hat man in dem bereich ein viel größere freiheit bei der wahl des forschungsthemas ohne finanziell den ruin befürchten zu müssen.

    Wir sind der scienceblog und du bist offenbar experte für magnonen. Erhelle uns doch bitte man über deine meinung und nicht darüber was in der einleitung von jedem paper zu magnonen steht. 😉

  5. #5 BreitSide
    Beim Deich
    20. September 2015

    Faszinierende Möglichkeiten!

    @tobalt: Für Deine Diss solltest Du Dir dringend eine deutsche Muttersprachlerin zum Korrekturlesen holen. Fachkenntnis stört dabei, Kenntnisse der – zugegebenermaßen hinreichend komplizierten – deutschen Grammatik sind aber unbedingt nötig.

    Inzwischen kann ja sogar Word die Grammatik prüfen, ist dabei aber recht fehlbar. Und macht deswegen auch nur Vorschläge in Grün…

    Magnon, hübsches Wort, kannte ich bisher nicht 😉

  6. #6 gaius
    20. September 2015

    @Stefan

    Hört sich nach einem sehr spannenden Thema an!

    An der Stelle “Indem man periodische
    Strukturen erstellt kann man so z.B. künstliche Bandstrukturen (wie in einem Halbleiter) erzeugen und die Frequenzen gezielt festlegen.” werden vermutlich viele Leser abschalten, die mit Halbleitern nicht vertraut sind. Das ist schade, weil ich gerade diese Möglichkeiten elektrisierend (magnetisierend?) finde.

    Aber vielleicht unterschätze ich ja auch das naturwissenschaftliche Bildungsniveau hier 🙂

  7. #7 Chemiker
    20. September 2015

    Nett, wenn auch für meinen Geschmack viel zu kurz. ☺

    Eine Detailkritik habe ich trotzdem:

    Interessant wird es jetzt, wenn wir eine ungerade Anzahl an Valenzelektronen haben. Denn dann hat eines der Elektronen keinen Partner und sein Spin wird nicht kompensiert.

    Eisen hat 26 Elektronen; das ist gerade, und trotzdem scheint mir, daß das Ding magnetisch sein kann. Ungerade Elektronen­anzahl ist eine hinreichende aber nicht not­wendige Bedingung für Para­magnetismus (und daher auch Ferromagnetismus).

  8. #8 Dampier
    20. September 2015

    Trotzdem ist es wichtig, sein eigenes Thema anderen Leuten (auch Laien) beizubringen.

    Hallo Stefan,
    tut mir Leid, aber ich (Laie) habe es nicht verstanden. Ich finde, du eilst da sehr von Punkt zu Punkt, leider bin ich da auf der Strecke geblieben. Der Text setzt zu viele Begriffe und Vorgänge als bekannt voraus, von denen ich noch nie gehört habe.

    Um wirklich auch die Laien mitzunehmen, musst du glaube ich tiefer ansetzen, und auch die Dinge noch erklären, von denen du möglicherweise annimmst, dass es die meisten schon wissen.

    Aber ok, das ist sicher nicht so einfach, wie es hier vielleicht klingt, ich weiß auch nicht, ob ich so was komplexes so rüberbringen könnte.

    Dieser Wettbewerb zeigt mir auch nochmal, wie verdammt schwer gute Wissenschaftskommunikation ist (und was für ein Meister Florian in der Disziplin ist!)

    😉 nix für ungut, Grüße
    Dampier

  9. #9 schnablo
    23. September 2015

    Kann man derartige Systeme auch numerisch mit Spindynamik-Simulationen untersuchen?