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Im Jahr 1973 kam es zur weltweit ersten Ölpreiskrise, da die OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) als Druckmittel im Nahostkonflikt ihre Fördermengen herabsetzte. Die erdölimportierenden Länder versuchten dieses Embargo durch verschiedene Methoden zu kompensieren, in Deutschland z.B. mittels des Energiesicherungsgesetzes, was u.a. eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h auf den Autobahnen vorsah. Trotzdem hielt sich der Spareffekt in Grenzen. In der Folge kamen Biokraftstoffe auf, teilweise gefördert durch staatliche Programme wie dem “Proálcool” in Brasilien. Man versuchte dort die Erdölabhängigkeit zu senken, indem man Zucker aus Zuckerrohr zu Ethanol vergor, welchen man dann dem Benzin beimengte.
Biokraftstoffe sind Treibstoffe, die in irgendeiner Form aus Biomasse gewonnen werden und machen derzeit etwa einen Anteil von ~3% an allen im Transportwesen genutzten Kraftstoffen aus.[1] (Bio)Ethanol ist einer der ersten Biokraftstoffe und wird auch gleichzeitig den Biokraftstoffen der ersten Generation zugeordnet. So werden hauptsächlich die Biokraftstoffe genannt, die aus essbaren Pflanzenteilen hergestellt werden. Eine Ausnahme davon bildet die Purgiernuss, denn sie ist aufgrund ihrer Giftigkeit zum Verzehr nicht geeignet, ihr Öl eignet sich aber zum Betreiben von Lampen oder eben Kraftfahrzeugen mit entsprechend modifizierten Motoren. Ihr Anbau wird derzeit in Ländern mit ertragsarmen Böden gefördert, obwohl das nicht heißt, dass sich der Anbau dann bei guten Marktpreisen auf solche Flächen beschränkt.
Die Nutzung von Agrarflächen zum Anbau von Energiepflanzen stellt einen großen Nachteil der Biokraftstoffe dar, denn sie konkurrieren dabei direkt mit dem Anbau von Nahrungsmittelpflanzen und verdrängen diesen bei entsprechender Subventionierung und Förderung. Außerdem gelten für sie damit die gleichen Probleme, die sich auch für Monokulturen aller Pflanzen ergeben. Zudem ist ihr Beitrag zur Umweltverträglichkeit d.h. zur Reduzierung des Kohlenstoffdioxidausstoßes geringer als vielleicht gemeinhin angenommen wird, denn z.B. für die Düngung, das Ausbringen von Schädlingsbekämpfungsmitteln und natürlich die Ernte muss ja wieder Energie aufgewendet werden.
Diesen Problemen versucht die Industrie mit der Weiterentwicklung und der Beforschung von Biokraftstoffen zweiter und dritter Generation Herr zu werden. Zweiter Generation werden alle Biokraftstoffe bezeichnet, die auf Cellulose oder Lignocellulose (also Holz) beruhen, d.h. von nahrungsmitteltechnisch bisher nicht verwendbaren Pflanzenteilen wie Stängel, Blätter und so weiter.[1] Dazu müssen diese erst in einen flüssigen oder gasförmigen Zustand überführt werden, denn so ein Holzscheit ist, wie man sich vielleicht vorstellen kann, schwierig in einen Tank hineinzubekommen und dann dort für einen Verbrennungsmotor von eher geringem Nutzen. Das kann auf technischem Weg unter hohen Temperaturen und hohem Druck sowie unter Zugabe von Wasserstoff passieren, ähnlich wie das Recycling von Erdöl aus Plastikabfall. Eine andere Möglichkeit ist ein biotechnologischer Weg, bei dem gentechnisch veränderte Bakterien eingesetzt werden, die in der Lage sind die langkettigen Zuckermoleküle aus denen Cellulose besteht zu Einfachzuckern zu metabolisieren und diese dann zu Ethanol zu vergären. Alternativ könnte man sich vorstellen, dass die Bakterien dann auch gleich Benzin statt Ethanol produzieren, denn die gentechnisch veränderte Vorlage dafür existiert bereits. Mit Cellulose statt Glucose (bzw. Stärke) als Energiequelle hätte man auch gleich das Problem der Nahrungsquelle für die entsprechenden Fermenter gelöst. Das Problem solcher Anlagen besteht derzeit eigentlich eher in ihrer geringen Wirtschaftlichkeit. Viele sind zu groß konzipiert worden um eine dauerhaft ausreichende Befüllung zu gewährleisten, so dass Holz-, Stroh- und andere Biomüllabfälle aus einem großen Umkreis herbeigeschafft werden müssen, welche eigentlich meist schon anderweitig genutzt werden. Eine Möglichkeit die mangelnden Ausgangsstoffe sicherzustellen, wäre der Anbau schnell wachsender Pflanzen wie z.B. Pappeln. Doch hier wird sich voraussichtlich wieder das Problem der Anbauflächenkonkurrenz zu Nahrungsmittelpflanzen einstellen.
Für ein weiteres tieferliegendes Problem müssen wir jetzt in die Biochemie und Biophysik von Pflanzen einsteigen und zwar in den Prozess der Fotosynthese.[2] Die Fotosynthese besteht grob gesagt aus zwei Teilreaktionen (es sind natürlich noch viel mehr): der Lichtreaktion und der Dunkelreaktion und findet in speziellen Zellorganellen statt: den Chloroplasten.
Die Lichtreaktion ist, wie der Name schon andeutet, lichtabhängig, d.h. mit Hilfe von Photonen werden spezielle Moleküle in einen angeregten Zustand versetzt, was sie befähigt Wasser zu spalten und an einer Membran einen Protonengradienten aufzubauen. Dieser kann dann genutzt werden um biochemische Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) herzustellen, die dann universell in der Zelle verwendbar ist. Als Nebenprodukt dieser Reaktion entsteht Sauerstoff, aber wenn sie unvollständig abläuft auch sogenannte reaktive Sauerstoffspezies wie Wasserstoffperoxid, welche u.a. die oben erwähnten Proteine des Fotosystems angreifen und zerstören. Das führt dazu, dass die Pflanze diese Proteine ständig erneuern muss, was sie einen nicht geringen Anteil ihrer fotosynthetisch gewonnenen Energie kostet. Des weiteren sind die Fotosysteme schon an mäßig hellen Tagen maximal ausgelastet, d.h. die volle Lichtleistung der Sonne kann gar nicht genutzt werden. Auch wird der grüne Teil des Lichts von den meisten Pflanzen reflektiert, da ihre Fotosysteme nur in der Lage sind rotes und blaues Licht zu absorbieren und für die Lichtreaktion zu verwenden. Dem könnte mittels gentechnisch veränderter Pflanzen entgegengewirkt werden, die in der Lage wären grünes Licht zu absorbieren, nur hätten diese dann schwarze Blätter und würden sich sehr wahrscheinlich nicht das Wohlwollen der Bevölkerung zuziehen.
Die Dunkelreaktion nutzt die biochemische Energie des ATPs aus der Lichtreaktion um Kohlenstoffdioxid (CO2) in einfachen Zuckermolekülen zu fixieren. Dabei spielt das Enzym RuBisCO (Ribulose-1,5-bisphosphat-Carboxylase/-Oxygenase) eine limitierende Rolle, denn es katalysiert diesen entscheidenden Schritt. Die RuBisCO ist das wohl häufigste Enzym auf diesem Planeten aber gleichzeitig auch eins der langsamsten, denn es katalysiert nur 3 bis 4 Reaktionen pro Sekunde. Des weiteren arbeitet die RuBisCO eher ungenau, denn in etwa jeder vierten Reaktion wird Sauerstoff statt CO2 eingebaut und etwa ein Drittel der Fotosyntheseenergie wird darauf verwendet das so entstandene falsche Produkt wieder abzubauen. Ein paar Algen und Hornmoose versuchen dieses Problem zu umgehen, indem sie das CO2 in spezialisierte Substrukturen der Chloroplasten namens Pyrenoide pumpen.[2] Diese Pyrenoide sind mit RuBisCO vollgestopft, was zusammen mit einer Anreicherung des CO2 zu einer effizienteren Dunkelreaktion führt.
An der Möglichkeit Algen für die Herstellung von Biokraftstoffen (Biokraftstoffe der dritten Generation) zu nutzen wird ebenfalls intensiv geforscht und das schon seit mehreren Jahrzehnten. Trotzdem ist auf diesem Gebiet noch kein Durchbruch zu verzeichnen. Dabei sind Algen in einem Photobioreaktor recht einfach zu halten, da sie nur Wasser, ein paar Salze, CO2 und Licht benötigen. Zusätzlich sind sie auf eine gewisse Durchwirbelung angewiesen, zur Verteilung des CO2 und damit die Algen am Rand nicht im Licht verbrennen, während die Algen im Inneren davon abgeschirmt sind. Dennoch spielt die alleinige Produktion von “Algensprit” derzeit keine Rolle, sondern dieser wird eher als Nebenprodukt einer eventuellen Nutzung von gentechnisch veränderten Algen zu Herstellung von Medizinprodukten gesehen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die moderne Photovoltaik im Vergleich zur Fotosynthese unter optimalen Bedingungen das Sonnenlicht etwa zwanzigmal effektiver nutzt, was eine Umstellung kraftstoffbetriebener Mobilität auf Elektromobilität empfiehlt. Auch ist die CO2-Fixierung, die Biokraftstoffe mit sich bringen, nur temporär und wird zudem noch durch Bewirtschaftung von Agrarfläche geschmälert. Dessen ungeachtet ist in näherer Zukunft keine Abwendung von Kraftstoffen absehbar und die Förderung von Biokraftstoffen wirkt sich zumindest positiv auf die Entwicklung strukturschwacher Gegenden aus. Deswegen lohnt es sich diese wenigstens als Übergangstechnologie beizubehalten und weitere diesbezügliche Forschung zu fördern.
Quellen:
[1] Reinhard Renneberg, Viola Berkling “Biotechnologie für Einsteiger” 4. Auflage, Springer Verlag Berlin Heidelberg (2013)
[2] Elmar Weiler, Lutz Nover “Allgemeine und molekulare Botanik” Georg Thieme Verlag (2008)
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Hinweis zur Autorin: Dieser Artikel wurde von Pterry eingereicht. Sie ist Biochemikerin.
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