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Forscher sind vermutlich nicht gerade die einfachsten Menschen, wenn es darum geht, eine Gesellschaft aufzubauen. Tatsächlich könnte man auch sagen, dass Forscher deshalb Forscher werden, weil sie gewisse ungesellige Eigenschaften besitzen und sich daher in regelmäßigen Abständen so weit wie möglich von ihren Mitmenschen entfernen müssen.
Ein ungenanntes Mitglied der Royal Geographical Society
Ich möchte euch drei Bücher vorstellen, die zusammen eine unglaubliche Geschichte erzählen.
Alles begann mit einem Buchtipp hier im Blog (danke nochmal ;), wo Leser peer ein wunderbares Abenteuerbuch empfahl: Die versunkene Stadt Z von David Grann (2005). Mich hat lange kein Sachbuch mehr so begeistert.
Grann erzählt die Geschichte von Percy Fawcett und seiner Suche nach einer versunkenen Stadt im Amazonasurwald, von deren Existenz er nach langjährigen Forschungen überzeugt war. Ich muss das klug aufgebaute Buch ein wenig spoilern, wenn ich hier darüber berichten will, aber ich halte das für nicht so entscheidend, ich selbst habe das Buch auch beim zweiten und dritten Mal noch mit Gewinn gelesen.
Am Ende führte es mich zu einem weiteren Buch, welches die ganze Geschichte quasi zuende erzählt und von aktuellen Forschungsergebnissen berichtet, die in ihrer Rasanz und Tragweite ähnlich aufregend sind wie die Entdeckung der Exoplaneten. Aber der Reihe nach.
David Grann ist Journalist, schrieb u. a. für den New Yorker und andere große Zeitungen der USA. Er schrieb dieses Buch auf eine Art und Weise, wie ich sie besonders liebe (wenn es denn gelungen ist): er reiste selbst zu den Orten des Geschehens und berichtet auch darüber im Stil einer Reisereportage. Dieser große persönliche Einsatz und die Schilderung seiner eigenen Befindlichkeiten während der Recherche machen seinen Bericht besonders glaubwürdig, und diese Zwischenkapitel sind, da Grann ein guter Erzähler ist, ein Gewinn für das Buch.
(Ein Meister dieses Genres ist Tony Horwitz mit seinem Buch über James Cook. Unbedingte Empfehlung am Rande!)
Wie alles anfing
Percy Fawcett wurde 1867 im englischen Torquay geboren. Seine Familie gehörte der (verarmten) Aristokratie an und er wurde in guten Privatschulen und auf der Militärakademie zum klassischen viktorianischen Gentleman erzogen. Mit neunzehn wurde er als Artillerieleutnant auf Ceylon stationiert, wo er sich die Zeit damit vertrieb, im Urwald umherzustreifen und alte Tempel und verfallene Städte aufzusuchen. Einmal gelangte er sogar in den Besitz einer vermeintlichen Schatzkarte und machte sich auf die Suche. Einen Schatz fand er nicht, aber die Recherche, u. a. Gespräche mit Teepflanzern und einem regionalen Häuptling, mögen ihm einen unwiderstehlichen Vorgeschmack auf ein Leben als Forscher gegeben haben.
Das Viktorianische Zeitalter neigte sich dem Ende zu, Percy war noch streng viktorianisch zum Gentleman erzogen worden; Höflichkeit, Abstinenz, absolute Selbstbeherrschung, Sportlichkeit und Patriotismus wurden den Jungs in Schule und Militär eingeprügelt.
Eine Gesellschaft, die unter dem Schleier bürgerlichen Anstands für Fawcett immer auch ein gewisses dickenssches Grauen barg.
Grann, S. 54
Seine Helden waren die großen Entdecker seiner Zeit wie Burton, Speke und Livingstone – Exzentriker allesamt. (Richard Francis Burton z. B. war bekennender Atheist, beschrieb die Sexualpraktiken der von ihm bereisten Völker mit schockierender Offenheit – er vermaß unter anderem Penislängen – und übersetzte das Kamasutra ins Englische.) Trotzdem wurden sie von der viktorianischen Gesellschaft geradezu verehrt, während sie sich ihren Zwängen weitestgehend entziehen konnten.
Bald wurde ihm die Welt der Royal Artillery zu eng, und er wandte sich an die Royal Geographical Society in London, um seinen Traum zu verwirklichen. Dort konnte man damals tatsächlich eine Ausbildung zum Forschungsreisenden machen, sogar mit Diplom.
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