Wie schaffte es Percy Fawcett trotzdem, diese Gebiete zu bereisen und lebend zurückzukehren? Die Antwort ist simpel: indem er die Indios wie ein Gentleman behandelte.
Fawcett reiste mit einfachsten Mitteln und kleinem Gepäck. Seine Expeditionen bestanden nur aus einer kleinen Handvoll Männern und jeder Teilnehmer musste sein Zeug selbst tragen. Er schärfte seinen Männern ein, niemals zu schießen, wenn sich Indianer näherten. Das war eine hochriskante Strategie, aber sie sollte sich auszahlen.
Einmal bemerkten sie die Anwesenheit von Indianern in unmittelbarer Nähe. Sie setzten sich auf eine Sandbank, und begannen zu musizieren und zu singen. (Costin hatte ein kleines Akkordeon dabei, einer blies auf einem Kamm und Fawcett spielte Flageolett, eine kleine Flöte). Dies hielten sie bis Sonnenuntergang durch, dann trauten sich ein paar Indios aus der Deckung. Fawcett ging unbewaffnet auf sie zu und bot ihnen sein Halstuch als Geschenk an. So schlossen sie Freundschaft und wurden von den Indios eingeladen und mit Nahrung und ortskundigen Führern versorgt. Ein andermal lief Fawcett mitten in einem Pfeilhagel mit erhobenen Händen auf die Angreifer zu und rief alle Indianischen Wörter für “Freund”, die er kannte. Auch hier funktionierte es, und wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
(An der Stelle muss ich immer an Heinz Rox-Schulz und seine Mundharmonika denken, der hat das in derselben Gegend später ganz ähnlich gemacht. Sein Buch “Verrückter Gringo” hat mich als Jugendlichen sehr geprägt. Ich bin sicher, dass er die Geschichten von Fawcett kannte.)
So kam Fawcett in Kontakt mit Indianervölkern, die noch kein Weißer vor ihm besucht hatte. Vielen von ihnen bescheinigte er eine hohe Kultur und Intelligenz, und oft zeigte er mehr Respekt vor ihnen, als vor den verkommenen Siedlern der Urwaldstädte. Er schreibt:
True, they were hostile and vengeful; but look at the provocation! My experience is that few of these savages are naturally ‘bad’, unless contact with ‘savages’ from the outside world has made them so.
Exploration Fawcett, S. 49
Aber auch Fawcett war geprägt von der “Rassenlehre” seiner Zeit, die ja damals noch als Wissenschaft galt. Die Indianer teilte er nach Hautfarbe ein: je hellhäutiger, desto mehr Kultur war er bereit, ihnen zuzubilligen. Er betrachtete Indios nicht pauschal als minderwertig; wie bei vielen Entdeckern in der Geschichte – zumindest seit der Zeit der Aufklärung – war sein Ansatz nicht primär rassistisch geprägt, sondern ständisch: Die Führungseliten der Wilden wurden als Aristokraten respektiert (“Edle Wilde”), mit denen man (nahezu) auf Augenhöhe verkehren konnte. Das ‘Fußvolk’ beider Seiten wurde dagegen eher geringgeschätzt.
Fawcett war überzeugt, dass man die wahren Entdeckungen Amazoniens abseits der großen Flüsse machen konnte, und dass in diesen besonders unzugänglichen Gebieten die ältesten und am höchsten entwickelten Indiostämme zu finden seien. Die meisten Forscher hielten sich an die Flüsse als Verkehrswege und bekamen diese Gebiete daher nie zu Gesicht.
So entdeckte er eines Tages zum Beispiel die Maxubis, diese lebten in hübschen sauberen Siedlungen in einem besonders abgelegenen Gebiet. Sie waren ungewöhnlich zahlreich, Fawcett beschreibt sie als kultiviert, intelligent und von ausgesuchter Höflichkeit. Sie hatten Namen für alle (sichtbaren) Planeten, pflegten einen wundervollen Chorgesang und stellten feinste Töpferwaren her. Und ihre Legenden besagten, dass ihre Vorfahren früher noch viel zahlreicher, und ihre Siedlungen noch weit größer und schöner waren.
Fawcett war überzeugt, hier die Abkömmlinge einer alten Hochkultur vor sich zu haben.
Die versunkene Stadt Z
Irgendwann setze sich die fixe Idee einer versunkenen Stadt bei Percy Fawcett fest. In seinen eigenen Schriften schildert er zum Beispiel, wie er angesichts einer Höhle mit Felszeichnungen und Inschriften in einer unbekannten Sprache ins Grübeln kommt:
… scraps of information and stories of ancient traditions picked up from the indians, rubber pickers, and wandering white men seemed to fit together, forming a pattern with a growing meaning. Could it be, I pondered, that besides the Incas there were other ancient civilisations in this continent (…)?
Exploration Fawcett, S. 113
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