Auf seinen Reisen hörte Percy Fawcett immer wieder Geschichten und Gerüchte über versunkene Städte und alte Kulturen, die es in Amazonien geben solle. Auch stieß er auf Felsmalereien und Steinmetzarbeiten mitten im Dschungel. In den Überschwemmungsgebieten des Rio Beni in Bolivien fand er ausgedehnte künstliche Erdaufschüttungen, das Material, aus dem sie bestanden, war voller zerbrochener Tonscherben. Und sie waren mit kilometerlangen Dämmen verbunden, die ihn an Chausseen erinnerten.
Hinweise auf alte Kulturen gab es also. Viele seiner damaligen Schilderungen wurden nie weiterverfolgt und irgendwann vergessen.
1753 schickte ein umherziehender Bandeirante an die Obrigkeit in Rio de Janeiro einen zehnseitigen Brief, in dem er von einer verlassenen Stadt im Hinterland von Salvador da Bahia berichtete, die sie auf der Suche nach Mineralien und Edelmetallen entdeckt hatten. Der Bericht ist sehr detailliert, er beschreibt eine große ummauerte Stadt aus Stein mit einem dreifachen Torbogen und einem riesigen zentralen Platz, umstanden von Statuen und großen Tempelbauten.
Das Manuskript 512, wie es heute heißt, wanderte in Rio ins Archiv, wo es Fawcett mehr als hundert Jahre später einsehen konnte und teilweise kopierte. Er nahm dies als Bestätigung seiner Theorie und begab sich auch in der Gegend auf die Suche, allerdings fand er nichts – außer der Tatsache, dass jene Gegend mittlerweile einigermaßen erschlossen und besiedelt war, so dass eine solche Stadt wohl längst hätte gefunden werden müssen. (Aufgrund der Schilderungen in dem Manuskript konnte man die Gegend mit einer Genauigkeit von etwa drei Tagesreisen eingrenzen.)
Bis heute wird diese Stadt oft mit Fawcetts Stadt Z gleichgesetzt, dabei betonte Fawcett selbst, dass seine Stadt Z eine andere war, sie müsse sich viel tiefer im Urwald befinden.
1911, also zur selben Zeit wie sich Fawcett in Amazonien herumtrieb, entdeckte der Abenteurer Hiram Bingham die Ruinen von Macchu Picchu in den peruanischen Anden. Diese Entdeckung machte ihn schlagartig weltberühmt. Möglicherweise hat dies auch das Wunschdenken in Fawcett verstärkt, dass es auch in “seinem” Gebiet so etwas geben müsse.
Fawcett der Mystiker
Edward Fawcett, der große Bruder Percys, war ein Schriftsteller mit einem Hang zu Esoterik und Spiritismus. Er verkehrte in den Kreisen der berüchtigten Helena Blavatsky, damals eine weltbekannte Okkultistin, die sich selbst als Medium bezeichnete und die bizarre Lehre der Theosophie begründete. Edward half ihr sogar bei der Niederschrift ihres Hauptwerkes The Secret Doctrine (Die Geheimlehre, 1888). 1890 legte er auf Ceylon die Pansil ab, die fünf Gelöbnisse des Buddhismus. Percy, ganz der kleine Bruder, tat es ihm nach.
Das klingt nach einer ungeheuren Provokation, wenn Angehörige der britischen Oberschicht, des Militärs gar, die Religion des von ihnen beherrschten Volkes annahmen. Die britische Gesellschaft, so bigott und erstarrt sie auch in vieler Hinsicht war, war jedoch immer auch nachsichtig gegenüber ihren Exzentrikern und es schien kein großes Aufhebens um diese Aktion gegeben zu haben. Jedenfalls ist nicht bekannt, dass den Fawcetts dadurch irgendwelche Nachteile entstanden wären.
Außerdem war damals die hohe Zeit des Okkultismus (der stark von orientalischen Religionen beeinflusst war) und der spiritistischen Sitzungen. Auch Hypnose, Telekinese und ähnliches waren schwer en vogue, selbst anerkannte Wissenschaftler waren damals Mitglieder in parapsychologischen Vereinigungen. Kurz zuvor waren Phonograph, Telegraf und Telefon erfunden worden, Technologien, die noch eine Generation vorher als reine Magie gegolten hätten. Warum also sollten ähnliche “spukhafte Fernwirkungen” nicht auch zwischen Personen funktionieren? So hat also die Wissenschaft zur Akzeptanz des Okkultismus möglicherweise erst beigetragen.
1914 begann der erste Weltkrieg, und Percy Fawcett kämpfte in den Schützengräben Flanderns. Er erfüllte dort seine Pflicht, doch die ganze Zeit dachte er an seine nächste Expedition, er wollte sich nun ganz auf die Suche nach Z konzentrieren. Doch nach dem Krieg konnte oder wollte die Royal Geographical Society keine Expedition mehr finanzieren.
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