Tatsächlich hörte man nie mehr von ihnen. Percy Fawcett und seine Begleiter blieben verschollen.
Die Suche nach Fawcett
Dieses mysteriöse Verschwinden rief eine Menge Abenteurer und Schatzsucher auf den Plan, die sich einige Jahre später, meist miserabel vorbereitet, auf die Suche nach Fawcett begaben. Fawcett selbst hatte eindringlich vor Suchaktionen nach ihm gewarnt, die Region sei einfach zu gefährlich. Und er sollte Recht behalten: man schätzt, dass bis zu hundert Personen auf der Suche nach Fawcett selbst im Urwald ums Leben kamen. David Grann erzählt viele dieser haarsträubenden Geschichten, und man weiß oft nicht, ob man lachen oder weinen soll.
In der Esoterikerszene war es ausgemachte Sache, dass Fawcett seine Stadt Z gefunden haben muss. Bald kursierten wilde Geschichten, er sei durch ein Portal in die Unterwelt eingetreten, wo Geistwesen einer höheren Dimension auf ihn warteten … oder so ähnlich. 1968 gründete ein gewisser Udo Luckner eine Sekte namens “Magischer Nukleus” in der Gegend, in der Fawcett verschwand. Sein religiöses Zentrum im Urwald hatte einige Zeit regen Zulauf von Esoterikern aus aller Welt, dann aber machte der Hohepriester Luckner den klassischen Fehler so vieler Sektenführer: er sagte für 1982 den Weltuntergang voraus …
Wer Spaß an esoterischem Schmonzes hat, dem sei die Website phfawcettsweb.org empfohlen, wo die ganze Geschichte nachzulesen ist, verquickt mit anderen Südamerikanischen Klassikern wie den Chroniken von Akakor und dem falschen Indianerprinzen Tatunca Nara (der von Rüdiger Nehberg als Betrüger und möglicherweise Mörder aus Nürnberg entlarvt wurde).
Das letzte Kapitel
Die Gegend um den Oberlauf des Xingú ist heute ein Nationalpark und Schutzgebiet für die dort lebenden Indios, die hier eine gewisse Autonomie besitzen. So ist das 27.000 Quadratkilometer große Gebiet das größte noch intakte Waldgebiet im Süden Amazoniens (viele Regionen, die Percy Fawcett einst erforscht hat, sind heute entwaldet).
David Grann machte sich dorthin auf, um die Geschichten, die sich um Fawcett rankten, zu recherchieren. Hier traf er auch den Archäologen Michael Heckenberger, der seit Jahren bei den Kuikuro lebt und ihre Vergangenheit erforscht (Er wurde sogar vom Häuptling adoptiert und führt Kuikuro-Indianer als Co-Autoren seiner Papers auf).
Nachdem Grann ihn über Fawcett interviewt hatte, zeigte ihm Heckenberger noch die archäologische Stätte namens Kuhikugu, an der er seit Jahren arbeitete. Und hier kam erstaunliches zu Tage: lange, gerade Gräben, Erdwälle und Dämme, die Kilometerweit durch den Dschungel laufen und riesige kreisförmige Grabenanlagen miteinander verbinden. Hier war eine ganze Region von Menschenhand verändert worden, und die Anlagen waren um die tausend Jahre alt. Zwanzig Kreisgrabenanlagen hatte er bis dahin gefunden, jede stand für eine Siedlung, die jeweils um die 2-5000 Einwohner hatte. Allein in dieser Region hatten lange vor Kolumbus bis zu hunderttausend Menschen gelebt!
Und das war noch nicht alles. Im letzten Kapitel des Buches gibt Grann uns einen Überblick über die aktuellen archäologischen Entwicklungen in Amazonien. Im Gebiet des Rio Beni in Bolivien, tausend Kilometer weiter westlich, wurden die Erdwälle wiederentdeckt, die schon Fawcett beschrieben hatte, und die erst durch die Entwaldung (und durch Google Earth!) langsam in ihrem ganzen Ausmaß erfasst werden.
1971 schrieb Betty J. Meggers ihr Standardwerk Amazonia: Man and Culture in a Counterfeit Paradise in dem sie Amazonien als falsches Paradies bezeichnete, das viel zu unfruchtbare Böden habe, um mehr als eine Handvoll Indianerstämme zu ernähren. Der von ihr geprägte Begriff des Geodeterminismus (Die Geografie bestimmt die Kulturstufe der in ihnen lebenden Gesellschaften) bestimmte das Bild von Amazonien über Jahrzehnte. Erst in den letzten Jahren beginnt dieses Bild durch immer neue Funde von riesigen Kulturlandschaften im gesamten Amazonasbecken zu bröckeln. Neben Heckenberger sind es vor allem die streitbare Anna Roosevelt sowie etliche Südamerikanische Archäologen, die mit ihren Entdeckungen kräftig an Meggers’ Theoriegebäude rütteln.
Kommentare (50)