Moleküle sind nichts anderes als Zusammenschlüsse von mehreren Atomen zu einem neuen Stoff. Und die Strukturformel des Stoffes, mit dem unsere Glühwürmchen arbeiten, ist in der folgenden Abbildung zu sehen. Es handelt sich um ein sogenanntes Luciferin („Lucifer“ ist der Lichtträger), das für angeregte Zustände durchaus zu haben ist, wie wir gleich noch sehen werden.
Das sieht jetzt erst einmal relativ wild aus, soll uns aber nicht weiter abschrecken. Wir sehen hier eine Struktur aus 11 Kohlenstoffatomen (C), 3 Sauerstoffatomen (O), je 2 Atomen Stickstoff (N) und Schwefel (S) sowie 8 Wasserstoffatomen (H).
Wichtig ist im ersten Schritt nur die Gruppe rechts unten, die wir rot markiert haben, denn da geht es gleich zur Sache: Dort hängt eine sogenannte Carboxylgruppe, die aus einem Kohlenstoffatom, zweimal Sauerstoff und einmal Wasserstoff besteht. Die Striche zwischen den Atomen sind Bindungen; doppelte Striche sind Doppelbindungen, zwischen zwei Kohlenstoffatomen werden sie auch gerne als ungesättigt bezeichnet – den Ernährungsbewussten unter uns keine Unbekannten.
Die Carboxylgruppe ist über eine einfache Bindung mit dem benachbarten Ring verbunden. Die linke Seite des Moleküls nimmt die gleich folgenden Vorgänge eher unbeteiligt zur Kenntnis, weshalb wir sie der Übersichtlichkeit halber nicht weiter mitbetrachten.
Ihr kennt die Carboxylgruppe besser, als ihr denkt: wann immer wir so einer Gruppe in einem organischen Molekül begegnen, haben wir es mit einer Säure zu tun! Essigsäure, Apfelsäure, Fettsäuren, Aminosäuren, Buttersäure, Zitronensäure… die Liste ist beliebig lang, und sie alle haben mindestens eine solche Gruppe aus einem Kohlenstoff, zwei Sauerstoffen und einem Wasserstoffatom aufzuweisen.
Von der Säure zur Erleuchtung
Das Glühwürmchen macht nun folgendes: Als erstes produziert es ein Enzym namens Luciferase. Enzyme sind natürliche Katalysatoren, die in allen Lebewesen eine wichtige Rolle spielen, denn sie zwingen die Moleküle in unseren Zellen dazu, die jeweils erwünschte chemische Reaktion durchzuführen – sie kontrollieren unseren gesamten Stoffwechsel. Dabei handelt es sich oft um Umwandlungen, die ohne Katalysator überhaupt nicht funktionieren würden, erst recht nicht bei den milden Temperaturen und pH-Werten, die in einem Organismus so vorherrschen.
Unsere Luciferase also ist ein riesiger Naturstoff, der aus Tausenden von Atomen besteht und so ein kleines Molekül wie das Luciferin komplett umhüllen kann. Es hält das Luciferin an mehreren Stellen gut fest und reißt ihm den größten Teil seiner Säuregruppe ab, nämlich ein Sauerstoffatom und ein Wasserstoffatom sowie bei der Gelegenheit auch noch einen zusätzlichen Wasserstoffkern aus dem benachbarten Ring. Das sieht dann in etwa so aus:
Ich habe gerade Wasserstoffkern gesagt, und das war kein Versehen: Das Wasserstoffatom hat sein Elektron zurückgelassen, deshalb ist unser Molekül plötzlich negativ geladen! Diesen Vorgang nennt man auch Deprotonieren (es wird ein Proton, also das, was vom Wasserstoff ohne Elektron noch übrig ist, entfernt), und das ist das tägliche Brot von sogenannten Basen; Natronlauge oder Ammoniak zum Beispiel deprotonieren den ganzen Tag andere Stoffe und sind deshalb auch so ein beliebtes Reinigungsmittel für harte Fälle.
„ATP“ steht, nebenbei bemerkt, für Adenosintriphosphat. Lasst euch davon nicht ablenken. Diese Substanz taucht ständig auf, wenn wir es mit Stoffwechselprozessen zu tun haben; an dieser Stelle sei nur kurz erwähnt, dass ATP eine Art universeller Energiespeicher ist.
Zurück zu unserem negativen Kohlenstoffatom: Das hat jetzt zu allem Übel auch nur noch drei Bindungspartner. Er hätte aber lieber vier – so ist der Kohlenstoff eben, und deshalb wird sofort das nächste verfügbare Sauerstoffmolekül gegriffen und dort angebaut (zum Glück gibt es immer Sauerstoff, denn der Leuchtkäfer hat inzwischen ganz ruhig weitergeatmet – der kennt das ja schon). Sauerstoffmoleküle werden nicht von ungefähr als Radikale bezeichnet, denn die haben ihren eigenen Kopf. Anstatt sich unauffällig einzufügen, bauen die O’s plötzlich ihren Privatring:
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