Das vorher negativ geladene Kohlenstoffatom bindet ein vorbeifliegendes Sauerstoffmolekül (O2), das im nächsten Schritt einen Ring bildet. Der eingekreisten Atomgruppe CO2 wird es gleich an den Kragen gehen.

Das vorher negativ geladene Kohlenstoffatom bindet ein vorbeifliegendes Sauerstoffmolekül (O2), das im nächsten Schritt einen Ring bildet. Der eingekreisten Atomgruppe CO2 wird es gleich an den Kragen gehen.

Ringe aus vier Atomen sind sehr instabil, vor allem wenn darin zwei benachbarte Sauerstoffatome vorkommen. Die Bindungen zwischen den Atomen müssen hier plötzlich Winkel bilden, die ihnen eigentlich viel zu klein sind: Es herrscht eine gewaltige Spannung. Die Luciferase greift durch und stellt wieder Ordnung her, indem sie ein Kohlenstoffdioxidmolekül aus dem Ring schneidet und somit eine vereinfachte Version unseres Ursprungsmoleküls erhält, das Oxyluciferin:

Die Luciferase hat das Luciferin zu Oxyluciferin umgewandelt. Der Stern markiert den angeregten Zustand, in dem das Molekül sich befindet

Die Luciferase hat das Luciferin zu Oxyluciferin umgewandelt. Der Stern markiert den angeregten Zustand, in dem das Molekül sich befindet

Und nun kommen wir endlich zum eigentlichen Zweck des ganzen Zaubers: Eines der Elektronen befindet sich noch auf einem Energieniveau, das für die instabilen Zwischenstufen ganz in Ordnung war, aber für unser Oxyluciferin viel zu hoch ist. Es saust sozusagen mit erhöhter Geschwindigkeit durch die Gegend und stellt plötzlich fest, dass inzwischen wieder Ruhe eingekehrt ist: Die Reaktion ist abgeschlossen und wir haben schon das Ortseinfahrtsschild passiert. Das Elektron beruhigt sich und kehrt zu seinem sogenannten Grundzustand zurück.
Dabei wird Energie frei, und diese Energie wird in Form von Licht abgegeben. Da der Unterschied zwischen dem angeregten und dem Grundzustand immer exakt gleich ist, hat das ausgestrahlte Licht auch immer exakt dieselbe Wellenlänge und wir sehen somit immer dieselbe Farbe. Zumindest bei ein und demselben Tier. Im Falle unseres Glühwürmchens liegt die übliche Wellenlänge im Bereich von 550 Nanometer, es leuchtet grün. Das entspricht in etwa einer Energiedifferenz von 2,25 Elektronenvolt, oder 218 Kilojoule pro Mol. Etwas veranschaulicht: Hätten wir 500 Gramm Glühwürmchenluciferin und würden diese komplett zum Leuchten bringen, würden wir bei einer Energie von etwa 390 Kilojoule landen. Mit dieser Energiemenge könnte man zum Beispiel 93 Milliliter Wasser um ein Grad erhitzen – nicht gerade beeindruckend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ein Glühwürmchen nur etwa 200 Milligramm wiegt. Es bräuchte also eine ganze Legion für ein halbes Kilogramm Leuchtstoff.
Für rotes Licht ist noch weniger Energie notwendig, während wir aber ein Stück Eisen auf über 800 °C erhitzen müssten, um eine hellrote Glühfarbe zu erreichen. Kein Wunder, dass die Tierwelt sich einvernehmlich für das kalte Leuchten entschieden hat.
Dass die Lichtfarben der Käfer usnd Quallen, Krebse und Fische, Pilze und Bakterien durchaus sehr unterschiedlich ausfallen, liegt immer an der speziellen Energiedifferenz zwischen angeregtem und Grundzustand. Aus mehreren Gründen variiert diese Differenz: Das Luciferin ist bei jeder Spezies unterschiedlich aufgebaut; die Luciferase des einen Käfers zerrt etwas stärker am Luciferin als die des anderen und sorgt damit für eine leicht unterschiedliche Elektronenenergie; auch der pH-Wert der Umgebung spielt eine Rolle. Manche Tiere machen es sich sogar noch komplizierter und schalten fluoreszierende Substanzen dazwischen, die das erzeugte Licht aufnehmen und in eine andere Farbe konvertieren. Das Grundprinzip ist aber überall dasselbe: Ein Luciferin wird von einer Luciferase erst deprotoniert, dann oxidiert und muss sich danach erstmal wieder abregen.

Leuchtende Ölbaumpilze (Bild: Noah Siegel, CC-BY-SA 3.0)

Leuchtende Ölbaumpilze (Bild: Noah Siegel, CC-BY-SA 3.0)

Die Effizienz dieses Vorgangs lässt dabei jeden LED-Hersteller vor Neid erblassen: Nahezu 100% Lichtausbeute kann der Leuchtkäfer vorweisen. Die Lichtintensität ist dabei freilich nicht so groß: In einem Meter Entfernung kommt pro Quadratzentimeter Rezeptorfläche nicht einmal mehr ein Nanowatt Lichtleistung an. Für die Abendstimmung also super, um den Nachhauseweg zu beleuchten eher nicht.

Jetzt will ich auch leuchten!

Wie wir gesehen haben, ist die Biolumineszenz Ergebnis einer chemischen Reaktion, die in lebenden Organismen stattfindet. Geht das denn auch ohne Käfer, Qualle oder Bakterium? Aber hallo! Ein beliebtes Experiment im Chemieunterricht, das man auch relativ gefahrlos zuhause ausprobieren kann, ist die sogenannte Luminol-Reaktion. Luminol ist ein gelbliches Pulver, das unter ganz ähnlichen Umständen wie das Luciferin zum Leuchten gebracht werden kann:

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Kommentare (21)

  1. #1 Spritkopf
    30. September 2015

    Das Phänomen der Biolumineszenz einleuchtend dargebracht. Respekt!

  2. #2 Captain E.
    30. September 2015

    Wie verschlungen ist eigentlich der Weg zurück vom Oxyluciferin zum Luciferin? Da der Leuchtprozess den Stoff kontinuierlich verbraucht, muss er nachproduziert werden. Geschieht das unter Zuhilfenahme des Oxyluciferin, oder wird dieses mehr oder weniger weit abgebaut und das Luciferin “frisch” hergestellt?

  3. #3 meregalli
    30. September 2015

    Schön!
    Also:
    Ein Glühwürmchen ist eigentlich ein Leuchtkäfer,
    Luciferin nicht des Teufels Weib, sondern ein Protein
    und ich, da ich noch am Sessel sitze bin kein Quantenphysiker.

  4. #4 MartinB
    30. September 2015

    Brillant erklärt – ich bin auch nicht ohnmächtig geworden 😉
    Kleiner Druckfehler zum Korrigieren:
    “Das erste und zweite Elektron sind ganz nah dran, das zweite bis achte weiter draußen.”
    da muss es “dritte bis achte” heißen.

  5. #5 Nora
    30. September 2015

    Danke für die freundliche Resonanz 🙂 Freut mich, dass alle noch bei Bewusstsein sind.

    @Captain E: Das ist eine sehr gute Frage, auf die ich bei der Recherche selbst keine Antwort gefunden habe. Es hat mal eine Veröffentlichung einer japanischen Arbeitsgruppe gegeben, die das Luciferin-bildende Enzym aus amerikanischen Leuchtkäfern isoliert hat und im Labor aus Oxyluciferin das Luciferin recyceln konnte. Dabei wird das Oxyluciferin zunächst hydolysiert, d.h. mit Hilfe von Wasser wird Mercaptoessigsäure abgespalten und es bleibt von dem ganzen Ring nur eine Cyanogruppe übrig (CN); das wiederum reagiert dann mit Cystein (eine Aminosäure) unter Abspaltung von Ammoniak zurück zum Luciferin. Im Labor klappt das anscheinend prima.
    Aber ob das im lebenden Organismus auch so passiert, ist – nach meinem Kenntnisstand – noch nicht nachgewiesen. Falls irgendjemand mitliest, der/die dazu mehr weiß, würde ich mich sehr über Hinweise freuen!

    @MartinB.: Danke für den Hinweis! Das ist aber peinlich.

  6. #6 Mafl
    30. September 2015

    Am Besten finde ich es immer, wenn ich auf solche Fragen Antworten bekomme, die ich mir momentan gar nicht stelle. 🙂
    Ich werde mir den Artikel merken und kann dann nochmal nachlesen, wenn mir das nächste Mal ein Glühwürmchen begegnet (oder im nächsten Krimi Luminol auftaucht).
    Schönes Thema mit Leichtigkeit dargelegt.

  7. #7 rolak
    30. September 2015

    Das ist aber peinlich

    Ach was, Nora, So ein ObiWan-Fehler ab&zu gehört zum Leben – und die Zahl vorhandener Fehler wird bei Kontrollen bestenfalls vermindert, nicht jedoch automagisch genullt.

    Oh, fast vergessen: trotz komplexer TeilThemen sauber und unabschreckend erklärt, sehr schön!
    (hier wird übrigens statt Deprotonierung eher Decarboxylierung genutzt 😉 )

  8. #8 Nicole
    30. September 2015

    Toller Artikel! Sehr interessant und verständlich erklärt! Außerdem muss ich jetzt googeln wie ein Vampirtintenfisch aussieht… 🙂

  9. #9 RainerO
    30. September 2015

    Sehr schön und sogar für mich als Laien verständlich erklärt. So muss Chemie!

  10. #10 rolak
    1. Oktober 2015

    muss ich jetzt googeln

    moin Nicole, warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

  11. #11 Nicole
    1. Oktober 2015

    moin rolak, Musste googeln, um ein Bild vom Vampirtintenfisch zu finden, der Name hat mich neugierig gemacht wie er wohl aussieht!

  12. #12 Nicole
    1. Oktober 2015

    @ rolak: ah,danke für den Link, den hab ich erst jetzt gesehen…

  13. #13 Alderamin
    1. Oktober 2015

    @Nora

    Das Glühwürmchen bleibt dabei also kalt und hat streng genommen seinen Namen verfehlt.

    Hat es als Käfer sowieso. Nur die Weibchen und Larven ähneln Würmchen, allerdings mit Beinen. Da, wo ich groß geworden bin, schwirrten die Käfer auf der Suche nach Weibchen, die im hohen Gras unter Büschen und Hecken warteten und leuchteten, immer von Mitte Juni bis Mitte Juli nach ca. 23:00 Uhr in der Flussaue herum, manchmal bis vor’s Wohnzimmerfenster. Wenn man sie mit einem Netz fing, ging sofort das Licht aus. Als Jugendlicher hatte ich mal ein paar eingefangen und in ein Plastikterrarium mit übergestülptem Netz gesetzt, wusste aber nicht, womit ich die ernähren sollte (angeblich fressen sie Schnecken? Konnte ich mir schwer vorstellen) und dann wieder frei gelassen. Wohne jetzt weiter vom Wasser weg und habe leider lange keine mehr gesehen.

    Danke für den sehr schönen Artikel. Habe alle Artikel jetzt mal in die Klassen -, 0, + und ++ einsortiert. Dieser hier kommt in die ++-Klasse. Schön erklärt, schöne be-bild-ert und be-video-t, und witzig geschrieben. Kann man kaum besser machen.

  14. #14 BreitSide
    Beim Deich
    1. Oktober 2015

    Sehr schön anschaulich erklärt! Chemie-Unterricht, wie er sein könnte – und sollte!

  15. #15 BreitSide
    Beim Deich
    1. Oktober 2015

    Es gibt aber noch einen anderen Weg zu blauem Blut: Einheiraten bei Fürstens 🙂

  16. #16 centaurea
    Weinland
    1. Oktober 2015

    super geschrieben! Hätte nicht gedacht, dass ich mal freiwilig, und dann auch noch mit Genuss!!!! einen Artikel über ein Thema der Chemie lesen werde.
    So beschrieben ist Chemie eine spannende Wissenschaft. Hab da wohl echt was verpasst.

  17. #17 Dampier
    1. Oktober 2015

    Sehr guter Artikel. Lehrreich und gut geschrieben und aufbereitet. Biolumineszenz fand ich auch schon immer faszinierend. Danke :]

  18. #18 Nora
    1. Oktober 2015

    @Alderamin: Stimmt, Würmer sinds natürlich auch nicht einmal – die reinste Mogelpackung. Ich glaube, ich selbst habe in den letzten 15-20 Jahren auch ausschließlich in Leipzig welche gesehen, dort aber dafür zuverlässig. Gefangen habe ich allerdings noch nie welche… dafür hatte ich als Kind mal eine Schneckenfarm, wir hätten kooperieren können!

    @alle: Vielen vielen Dank 🙂

  19. #19 DAD
    4. Oktober 2015

    Sehr guter Beitrag zu einem Thema, das mich zunächst gar nicht so interessiert hat. Habe heute doch mal reingelesen und konnte nicht mehr aufhören. Alles sehr anschaulich erklärt und auch die Prise Humor fehlt nicht.
    So ist aus dem Mauerblümchen einer meiner Favoriten geworden.
    Vielen Dank.

  20. #20 Nanni
    Utrecht
    5. Oktober 2015

    Als Geisteswissenschaftlerin mit absolut fehlender Kompetenz in der Weite der Naturwissenschaften hab ich diesen Artikel mit Freude gelesen – das lag neben der Romantik der Glühwürmchen vor allem am humoristischen Schreibstil der überaus sympathischen Autorin… 🙂

  21. #21 Derniels
    6. Oktober 2015

    Hallo Nora, einfach hervorragend. Didaktik und Humor haben keine Generation übersprungen.