Die Verteilung der Isotope, also der verschiedenen Variatonen eines chemischen Elements, war früher nicht überall im Sonnensystem gleich. Sie hing vom Abstand zur Sonne ab und wenn Erde und Mond genau die gleichen Eigenschaften zeigen, dann ist das ein deutlicher Hinweis, dass sie in der gleichen Gegend des Sonnensystems entstanden sein müssen. Sie bestanden aus dem gleichen Material und ursprünglich war auch Theia ein normaler Planet mit einem angemessen großen Kern aus Eisen. Als Erde und Theia kollidierten, sank der Eisenkern von Theia ins Innere der Erde und verschmolz mit dem dortigen Kern. Darum haben wir heute so viel Eisen in der Erde und unser Planet die höchste mittlere Dichte im ganzen Sonnensystem. Die Trümmer der Kollision die ins Weltall geschleudert wurden, bestanden aus dem Material der äußeren Schichten und formten sich dort zum Mond.
Aber: Wie soll Theia einerseits direkt in der Nähe der entstehen, andererseits aber mit entsprechender Geschwindigkeit und im richtigen Winkel mit der Erde kollidieren können? Planeten bewegen sich ja nicht wie es ihnen gerade Spaß macht; sie unterliegen der gravitativen Wechselwirkung und können sich nur auf entsprechenden Umlaufbahnen bewegen. Unter normalen Bedingungen müsste Theia irgendwo zwischen Erd- und Marsbahn entstanden sein, damit der Planet eine für eine Kollision passende Umlaufbahn entwickeln kann. Dort kann Theia aber nicht entstanden sein, da dann die Zusammensetzung seiner Isotope ganz anders gewesen wäre und sich heute die Zusammensetzung von Erde und Mond ebenfalls unterscheiden müsste. Wäre Theia aber dort entstanden wo die Erde entstanden ist, gäbe es einerseits keine vernünftige Kollisionsbahn und andererseits hätten die gravitativen Störungen der Erde von Anfang an verhindert, dass dort überhaupt ein großer Planet entsteht!
Die Situation ist allerdings nicht so hoffnungslos wie sie erscheint. Es gibt eine Möglichkeit, bei der Theia und Erde am gleichen Ort entstehen und auf die richtige Art und Weise kollidieren können. 2004 haben der Mathematiker Edward Belbruno und der Astronom Richard Gott eine entsprechende Hypothese vorgeschlagen. Sie hat mit den Trojaner zu tun…
Dabei geht es weder um den trojanischen Krieg aus der griechischen Antike und auch nicht um irgendwelche Computerviren. Es geht um ganz besondere Himmelskörper, die ich schon in Folge 31 der Sternengeschichten vorgestellt habe. Betrachten wir die Erde, die Sonne und einen dritten, kleineren Himmelskörper, zum Beispiel einen Asteroid, dann gibt es zwischen ihnen jede Menge wirkende Kräfte. Die Sonne beeinflusst mit ihrer Gravitation die Bahn der Erde und zwingt sie auf ihre Umlaufbahn. Die Erde beeinflusst auch die Sonne ein bisschen und lässt sie zumindest ein ganz klein wenig wackeln. Sowohl Erde als auch Sonne beeinflussen aber den Asteroid, dessen Bewegung daher ziemlich komplex ist. Schon im 18. Jahrhundert hat aber der französische Astronom Joseph-Louis Lagrange einen Spezialfall gefunden, der die Sache vereinfacht.
Bleiben wir beim Beispiel von Erde, Sonne und dem Asteroid. Hier gibt es nun fünf ganz besondere Punkte an denen sich alle wirkenden Kräfte exakt aufheben. Diese Punkte werden Lagrange-Punkte genannt und wenn sich der Asteroid genau dort befindet, dann können ihm die Störungen von Sonne und Erde nichts anhaben. Drei dieser Punkte befinden sich auf der Verbindungslinie zwischen Sonne und Erde und sie sind instabil. Das heißt, dass die auf den Asteroid wirkenden Störungen zwar verschwinden, wenn er sich EXAKT im Lagrangepunkt befindet, aber sehr schnell sehr groß werden, wenn er sich nur ein klein wenig davon entfernt. Die restlichen beiden Punkte sind allerdings stabil: Hier kann sich der Asteroid auch ein kleines Stück von den Punkten entfernen ohne das die Störungen allzu groß werden. Der Asteroid bleibt dann in der Nähe der Punkte und kann dort auch für sehr, sehr lange Zeiten existieren.
Die beiden stabilen Lagrangepunkte befinden sich nun direkt auf der Bahn der Erde; einer immer 60 Grad vor der Erde, der andere 60 Grad dahinter. Und es gibt Lagrangepunkte nicht nur für die Erde, sondern bei jedem großen Himmelskörper. Und Objekte die sich IN bzw. in der Nähe der Lagrangepunkte eines Himmelskörpers aufhalten, nennt man “Trojaner”. Den ersten realen Trojaner hat man Anfang des 20. Jarhunderts in einem der Lagrangepunkte des Jupiters entdeckt; heute kennt man dort schon ein paar tausend Trojaner-Asteroiden. Auch beim Neptun und beim Mars hat man schon einige Trojaner gefunden.
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