Und was hat das nun mit Theia zu tun? Belbruno und Gott schlugen vor, dass auch Theia ein Trojaner war. Damals, als die Planeten entstanden, schwirrte überall im Sonnensystem jede Menge Gas und Staub herum. In der Nähe der sich bildenden Erde wurde der ganze Kram durch die gravitativen Störungen schnell entfernt. Aber in den beiden stabilen Lagrangepunkten konnte sich das Material ansammeln und dort konnte ungestört ein weiterer Himmelskörper in unmittelbarer Umgebung unseres Planeten heranwachsen. So entstand Theia als Erd-Trojaner – aber irgendwann wurde es dann kompliziert.

Als Trojaner darf man nicht zu groß werden, sonst wird es unangenehm. Die Sache mit den Lagrangepunkten funktioniert nämlich nur dann, wenn der Trojaner deutlich kleiner als die Erde ist. Wird er zu groß, dann übt er selbst ebenfalls gravitative Störungen auf die Himmelskörper in seiner Umgebung aus und macht die schöne Stabilität zunichte. Als Theia bis auf 10 Prozent der Erdmasse herangewachsen, also ungefähr so schwer wie der Mars war, war aus mit der friedlichen Koexistenz. Beeinflusst durch Störungen nicht nur von der Erde sondern auch von der benachbarten Venus verließ Theia die sichere Umgebung des Lagrangepunktes und kam der Erde immer näher. Die simple Physik von Lagrange ließ sich nun nicht mehr anwenden, jetzt wirkte die volle Kraft und das Chaos das sich immer einstellt, wenn sich mehr als zwei große Himmelskörper gegenseitig durch ihre Gravitationskraft beeinflussen. Theia kollidierte mit der Erde, zerstörte sich dabei selbst und jede Menge Trümmer wurden ins All geschleudert. Die Erde verlor auch einiges an Material, überlebte aber den Zusammenstoß. Sie war nun von einem Ring aus Trümmern umgeben, aus dem sich während weniger Jahrzehnte der Mond formte.

Manche Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass es anfangs mehr als einen Mond gab! Nach diesem Modell hat sich zuerst ein kleinerer Mond gebildet und in einem von seinen stabilen Lagrangepunkte ein weiterer, noch kleiner Mond. Dort fand das gleiche Spiel statt wie zuvor bei Erde und Theia: Der Trojaner-Mond wuchs, wurde irgendwann zu schwer und kollidierte mit dem “Hauptmond”. Diese Hypothese soll erklären, warum die eine Hälfte des Mondes sich heute so sehr von seiner anderen Hälfte unterscheidet und eine viel dickere Kruste hat.

Ob unser Mond früher einmal einen Trojaner hatte, lässt sich vermutlich heute nur noch schwer herausfinden. Dass die Erde mit ihrem Trojaner Theia kollidiert ist, erscheint dagegen ziemlich sicher. Und die Chancen stehen übrigens gut, dass da draußen immer noch eine Trojaner in den Lagrangepunkten unseres Planeten existieren. Es kann gut sein, dass nicht alle Trümmer der damaligen Kollision zum Mond verschmolzen sind. Ein paar kleine Brocken könnten noch übrig sein und als Erdtrojaner in den stabilen Lagrangepunkten die Jahrmilliarden überdauert zu haben. Zumindest einer hat das tatsächlich getan: Im Jahr 2010 wurde der Asteroid 2010 TK7 entdeckt. Er befindet sich im dem der Erde vorauslaufenden Lagrangepunkt und ist der einzige derzeit bekannte Trojaner unseres Planeten. Eine Gefahr stellt er allerdings nicht dar. Im Gegensatz zur großen Theia verhält sich der kleine Asteroid mit seiner geringen Masse unauffällig genug um nicht aus der Umgebung des Lagrangepunktes hinaus geworfen zu werden…

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Kommentare (6)

  1. #1 Captain E.
    2. Oktober 2015

    Dann wäre es wohl dringend angeraten, eine Retrieval-Mission zu 2010 TK7 zu schicken. Die Untersuchung von Bodenproben könnten ja ergeben, dass dieser Himmelskörper tatsächlich mit der Entstehung des Mondes zuammenhängt. (Ein späterer Einfang ist aber leider nicht auszuschließen.)

    Wie könnte man eigentlich am besten verifizieren, ob es weitere Trojaner in den Systemen Sonne-Erde bzw. Erde-Mond gibt, trojanischen Staub inklusive? Die Kordylewskischen Wolken werden zwar vermutet, sidn aber bislang alles andere als nachgewiesen, und dabei sind sie nur so um die 400.000 km von der Erde entfernt.

    Manch ein Physiker würde übrigens vielleicht darauf hinweisen, dass in den eigentlichen Lagrangepunkten ein labiles Gleichgewicht herrscht und diese daher praktisch unerreichbar sind. Aber bitte nicht falsch verstehen: Das soll dem Artikel nicht widersprechen, sondern nur erläutern, dass Objekte um die Lagrangepunkte kreisen und nicht in ihnen. Und das geht mit den beiden stabilen viel einfacher als mit den drei instabilen, die eigentlich nur für Sonden mit Antrieben geeignet sind.

  2. #2 BreitSide
    Beim Deich
    2. Oktober 2015

    Bei “Lagrange” muss ich immer an diese 3 (!) Herren denken:
    https://www.youtube.com/watch?v=lVSw5SBpZQg

    Ansonsten fand ich die Lagrange-Punkte immer schon faszinierend. Sind die notwendigen Bahnkorrekturen bei L1 und L2 vergleichbar mit denen geostationärer Satelliten?

  3. #3 AmbiValent
    3. Oktober 2015

    @Captain E.
    Ich denke, Trojaner sind nur zeitweise stabil. Der Planet, mit dem sie eine Bahn teilen, würde sie nicht selbst aus ihrem Orbit entfernen, wenn sie mit ihm und der Sonne allein im System wären. Die anderen Planeten stören aber immer noch deren Orbits, wodurch sie früher oder später doch dem “eigenen” Planeten in die Quere kommen und auf andere Bahnen gelenkt werden, vielleicht sogar ganz aus dem System geworfen werden.

    Im äußeren Sonnensystem (mit seinen größeren Abständen) könnten sich vielleicht noch Uralt-Trojaner befinden, aber ich glaube, die aus dem inneren System sind schon lange woanders. Hin und wieder könnte ein Hauptgürtelasteroid in einen Trojanerorbit gestört werden und dort eine Weile bleiben; ich nehme an, 2010 TK7 ist so einer.

  4. #4 Captain E.
    5. Oktober 2015

    Gewagte These, AmbiValent. Den Mars zählt man doch üblicherweise auch zum inneren Sonnensystem, und bei dem hat man auch Trojaner gefunden, insgesamt wohl neun Stück.

    Die von mir erwähnten “Kordylewskischen Wolken” bestünden übrigens aus vielen Minitrojanern des Erd-Mondes.

  5. […] Mond entstand bei einer gigantischen Kollision zwischen der jungen Erde und einem etwa marsgroßen Planeten (der dabei komplett zerstört wurde). Das Gold in der Erdkruste wurde beim Zusammenstoß der Erde […]

  6. #6 bikerdet
    17. November 2015

    Naja, die Marstrojaner könnten zB aus dem Asteroidengürtel stammen und erst später eingefangen worden sein.
    Bei der Erde gibt es drei und bei der Venus min. einen Körper, die sich auf einer s.g. ‘Hufeisenbahn’ (Wikipedia hilft) befinden. Diese Körper können sich ebenfalls aus den Lagrangepunkten gelöst haben und irgendwann dorthin zurückkehren. Die Übergänge zwischen Trojaner, Hufeisenobjekt und koorbitalem Objekt (wie bei 2003 YN107 oder 3453 Cruithne) sind fließend. Die Objekte wechseln mehr oder weniger regelmäßig ihren ‘Status’. Insbesondere 3453 Cruithne könne sich zu einem echten zweiten Erdmond entwickeln. Bei diesem Objekt ist die Wahrscheinlichkeit, das es ebenfalls bei der Kollision von Erde und Theia entstanden ist am größten.

    Es gibt aber noch eine zweite Möglichkeit, warum die Isotopenverteilung von Erde und Mond so ähnlich ist : Beide Körper sind komplett aufgeschmolzen worden und dieser Zustand hat lange genug gedauert, das es zu einer homogenen Verteilung der (ursprünglich unterschiedlichen) Isotope kam.

    Für die VTler war die identischen Isotopenverteilung übrigens ein Argument gegen die Mondlandung. Man war halt nicht dort gewesen und hat Steine von der Erde präsentiert ….