Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
——————————————
Während meiner Zeit im Labor arbeitete ich einige Jahre neben einem relativ unscheinbaren, allerdings nicht ganz kleinen Stein. Jetzt sind Steine in einem Labor nicht unbedingt selten, so lange es sich um ein Geologielabor oder dergleichen handelt.
Ich arbeitete allerdings auf einem Mikrobiologieinstitut und da sind kleinere Felsen nicht unbedingt häufig. Irgendwann sah ich mich genötigt einen Kollegen zu fragen, was es denn mit dem Stein auf sich hat.
Es stellte sich heraus, daß es sich bei dem grünbräunlichen Brocken um einen Steinsalzblock aus einem Salzbergwerk in Bad Ischl in Österreich handelt.
Steinsalz wird seit tausenden von Jahren dort gewonnen bzw. abgebaut. Sowohl seine Eigenschaft als Würzmittel als auch die konservierende Wirkung machten Salz als Rohstoff interessant. In Österreich ist es vor allem das Salzkammergut und hier die Orte Hallstatt und Bad Ischl, die für den Abbau von Salz bekannt sind.
Die Salzstöcke sind alte Hinterlassenschaften von relativ flachen äquatornahen Schelfmeeren, in einem entsprechen warmen Klima.
Aufgrund der hohen Temperaturen war auch die Verdunstungsrate hoch und es kam wiederholt zur Verdampfung zu mindestens großer Teile der Meeresbecken. Diese Eindampfzyklen sind in den geologischen Schichten gut erkennbar, da aufgrund der unterschiedlichen Löslichkeit der Salze diese auch in einer bestimmten Reihenfolge abgelagert wurden. Zuerst fielen Karbonate aus, dann Gips später Halit (Natriumchlorid). Wie auch immer, die Lebensbedingungen scheinen in diesem flachen Meere, vor allem durch den hohen Salzgehalt, sehr lebensfeindlich gewesen zu sein. Fossilien sind immer nur in den Schichten zu finden die einen geringen Salzgehalt hatten. War ein gewisser Salzgehalt durch Verdunstung erreicht, wurde der Lebensraum für Mehrzeller unbewohnbar.
Die Bildung dieser sogenannten Salinare erfolgte in Österreich im Perm und Untertrias vor etwa 250 Millionen Jahren. Während nördlichen Salzlagerstätten in Polen, England und Deutschland durch das verdunstende Zechsteinmeer (https://de.wikipedia.org/wiki/Zechsteinmeer) entstanden, erfolgte die Bildung alpiner Salzlagerstätten etwas später im Randbereich der Tethys.
Die Salzablagerungen nahmen durch das wiederholte Trockenfallen und Wiedereinbrechen des Meeres in die Region immer mehr zu und wurde durch die spätere alpine Gebirgbildung überdeckt. Da sich aber Salzlager ab einem bestimmten Druck plastisch verhalten, kam es an manchen Stellen vor, daß der Salzstock wieder gegen die Erdoberfläche gedrückt wurde und so auch wieder mehr oder weniger zum Vorschein kam.
Aufgrund dessen kommen manche Salzlagerstätten wieder mit Grundwasser in Berührung und es treten an manchen Stellen stark salzhaltige Wasserquellen an die Oberfläche, sogenannte Solequellen (mit einen Natriumchloridgehalt von mehr als 10g/l). Diese natürlichen Salzquellen waren wahrscheinlich seit jeher ein Anziehungspunkt für Tiere und daher auch für den Menschen.
Im Fall der alpinen Salzvorkommen hielt sich der Mensch in der Gegend vor ca. 7000 Jahren auf, wie anhand von Werkzeugfunden vermutet wird.
Bereits in der Bronzezeit um 1500 v Chr. sind in Österreich Salzbergwerke nachweisbar, wobei es sich dabei bereits um sehr aufwendige Schachtanlagen, die bis zu 100m tief sein konnten, handelt. Salz wird bis heute in dieser Region abgebaut, und immer wieder stießen Knappen dabei auf die Hinterlassenschaften ihrer antiken Vorgänger.
Ein Höhepunkt der letzten Jahre war zweifellos der Fund einer vollständigen Holztreppe, die Untertage bei Hallstatt gefunden werden konnte. Aufgrund der dendrochronologischen Untersuchungen konnte diese Stiege auf ca. 1344 oder 1343v Chr. datiert werden und ist damit die älteste Holzstiege der Welt.
Interessanterweise konnte bei archäologischen Untersuchungen der näheren Umgebung mehrere Häuser gefunden werden, deren ausschließlicher Zweck es war, Schweinefleische zu pökeln. Aufgrund von Versuchen angewandter Archäologen kann man hier davon ausgehen, daß das Schweinefleisch nach dem Pökeln in den Salzstollen zum Trocknen und Räuchern aufgehängt wurden. https://www.anisa.at/Pucher%20Viehwirtschaft%20ANISA%20Internet%202010.pdf
Es wäre daher sogar vorstellbar, daß man eines Tages bronzezeitlichen Prosciutto im Berg findet.
Wie man sieht, dreht es sich immer darum, daß Salz eine konservierende, und daher auch antibakterielle Wirkung hat.
Salzseen bzw.Salzwüsten sind für das meiste Leben nicht bewohnbar. Ausnahmen bilden sogenannte Halophile oder Halotolerante (salzliebende oder salztolerierende) Lebewesen, wobei es dabei meistens um einzellige Organismen handelt. Die Problematik von Lebensräumen mit hohem Salzgehalt ist der osmotische Stress, dem die Zellen ausgesetzt sind. Unter solchen hyperosmotischen Bedingungen zu diffundieren t das Wasser aus der Zelle in die Zellumgebung. Die Zellen sterben schließlich aufgrund des osmotischen Schocks. Übrigens ist das auch das Grundprinzip des bereits vorher erwähnten Fleischpökelns. Dem Fleisch wird Wasser entzogen und es wird dabei gleichzeitig unattraktiv für Bakterien. Allerdings nicht allen Bakterien, denn es gibt wie bereits gesagt, sehr wohl einige die salztolerant sind. Abgesehen davon kann man Fleisch nicht ohne Ende salzen, da es sonst ungenießbar wird.
Womit wir nun endlich bei unserem Salzblock im Labor wären. Gewonnen wurde dieser Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in einem Bergwerk im besagten Salzkammergut, genauer in Bad Ischl. Von Salzseen, gepökelten ( ja schon wieder ) Fleisch und ähnlichen sehr salzhaltigen Lebensräumen weiß man, das halophile Einzeller, meistens Archea, recht gut gedeihen, ja sogar abhängig von hohen Salzkonzentrationen (ca. 2,5 bis 4,5 M NaCl) sind.
Es kam wie es kommen musste, Wissenschaftler sind neugierig und die Frage kam auf: „Warum sehen wir nicht mal im Salzblock selber nach?“
Gesagt getan, es wurde ein wenig Material dem Salzblock, der so unscheinbar im Labor herumlag, entnommen und in sterilen Nährmedium kultiviert. Und natürlich wuchs etwas in der Lösung. Das Bakterium bekam später den Namen Halococcus salifodinae.
Es handelt sich dabei um ein aerobes in Tetraden wachsendes Archea, das eine intensive rote Pigmentierung zeigt. Für sich genommen nun kein besonders spannender Organismus, bis auf die Tatsache, daß der Lebensraum sehr salzhaltig ist.
Aber, und das war nun das wirklich Überraschende, es war möglich lebende Organismen aus einem Salzblock zu kultivieren. Dies ist nun einmalig, da der Organismus, so er nicht aus einer Kontamination durch den Forscher stammt, entweder ebenso alt wie der Salzblock, oder aber ein direkter Abkömmling der damals im Salz eingeschossenen Archea sein müsste. Kein Klacks wenn man bedenkt, daß seitdem eine viertel Milliarde Jahre vergangen ist. Das Problem an dieser Feststellung ist aber nun, daß man das Alter der Prokaryonten eben nicht feststellen kann, da einfach zu wenig biologisches Material vorhanden ist. Späteren Untersuchungen, daß aus ähnlich alten Salzablagerungen in Deutschland und England nahe Verwandte von Halococcus salifodinae isoliert werden konnten. Es spricht daher einiges dafür, daß man es wirklich, mit in kleinen Flüssigkeitscavernen, eingeschlossenen sehr, sehr alten Organismen zu tun hat. Wie es diese Archea geschafft haben, eine so lange Zeit zu überleben, ist noch weitgehend ungeklärt. Haben Sie in als Dauerformen ähnlich zu Sporen überlebt oder konnten sie den Stoffwechsel soweit reduzieren um geologische Zeiträume zu überstehen. Die Implikation ist aber auch, daß wenn Organsimen unter diesen Bedingungen auf der Erde überleben können, dies auch in Salzablagerungen auf den Mars oder den Jupitermonden möglich ist. Es könnte also sein, daß man eines Tages Organismen am Mars findet, die Ähnlichkeiten zu den schlafenden Archea im unscheinbaren Salzblock in einer Laborecke haben.
————————————————-
Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von “Bazille” veröffentlicht.
Kommentare (16)