Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
sb-wettbewerb
——————————————

Einleitung

Ein wichtiger Bereich der menschlichen Zivilisation ist der Gebrauch von Energie. Ursprünglich war Energie gleichbedeutend mit Nahrung. Seit dem Gebrauch des Feuers sind immer weitere Energieformen hinzugekommen, die der Mensch nutzt. Dabei ist die verfügbare Menge an Energie, besonders von Nahrung, aber auch von Brennmaterial, oft ein zumindest lokal begrenzender Faktor für die menschliche Zivilisation gewesen.

In den letzten Jahrhunderten hat der Energieverbrauch der menschlichen Zivilisation ein immer größeres Ausmaß angenommen. Nahrung für Menschen, wie für Arbeitstiere und biogene Brennstoffe wie Holz wurden dabei zunehmend von fossilen Brennstoffen als Hauptenergielieferant abgelöst. In den letzten Jahrzehnten sind dabei neben der verfügbaren Menge der Energie auch negative Auswirkungen der Energienutzung wie Luftverschmutzung, Strahlenbelastung, globale Erwärmung und der Flächenverbrauch öffentlich diskutiert worden.

Es ergibt sich die Frage, sind die Argumente von Befürwortern oder Gegnern bestimmter Formen der Energieerzeugung stichhaltig oder nicht?

Ich möchte hier aus meinen Ergebnissen die zum Flächenverbrauch der Energieformen kurz anreißen. Ich hoffe, dass sie zum Nachdenken und eigenen Überlegungen Anstoß geben, sowie zum Hinterfragen von Meinungen und Aussagen führen.

In diesem Blog-Beitrag (1) beispielsweise wurden die erneuerbaren Energien und auch die Solarenergie für ihren hohen Flächenverbrauch kritisiert. Dies ist verwunderlich, da die Solarenergie selbst, nach diesen Angaben, die Quelle ist (8), die höchste Dichte der erneuerbaren Energien hat. Auffällig ist, dass bei de Angaben zur Energiedichte nichterneuerbare Energien fehlen. Sollte man nicht zunächst die Energiedichten für alle Energieformen ausrechnen, bevor man sie miteinander vergleicht? Nur die Kernenergie soll angeblich eine Energiedichte von 1000 W/m² haben. Mir kam der Verdacht auf, dass einfach nur die Fläche der Kraftwerke und Gebäude genommen und der sonstige Flächenverbrauch nicht berücksichtigt wurde. Eine kurze Überschlagsrechnung ergab, dass allein die nach dem Unfall in Tschernobyl 1986 evakuierte und aufgegebene Fläche, darunter 8000 km² landwirtschaftlich und 7000 km² forstwirtschaftlich genutzt (2), bei etwa 2600 TWh/Jahr (~300 GW) Stromerzeugung aus Kernenergie nur eine Energiedichte von 20 W/m². Das ist deutlich niedriger und im Bereich der Energiedichten der erneuerbaren Energien. Bei fossilen Brennstoffen wird der Flächenverbrauch durch den Anstieg des Meeresspiegels nicht erwähnt.

Hier möchte ich den gesamten Flächenverbrauch der Energieformen berechnen und vergleichen und dabei auch die langfristigen Auswirkungen für zukünftige Generationen berücksichtigen. Da ich hoffe, dass die Menschheit mehr als ein paar Jahrhunderte oder Jahrtausende überlebt, werde ich dabei auch Zeiträume vergleichbar mit der Lebensdauer der Menschheit auf der Erde betrachten.

Energiebedarf

Welche Energiedichte wird eigentlich benötigt? Der Primärenergieverbrauch in Deutschland ist etwa 13500 PJ im Jahr, das entspricht 1,2 W/m². Weltweit sind es gegenwärtig 583 EJ/Jahr oder 18,5 TW bzw. 0,14 W/m² auf 133 Millionen km² eisfreie Landfläche. Der weltweite Energiebedarf wird weiter steigen. Bei über 11 Milliarden Menschen Ende dieses Jahrhunderts auf 29 TW bzw. 0,22 W/m², wenn der Pro-Kopf-Verbrauch in der Welt gleich bliebe, oder auf etwa 100 TW bzw. 0,75 W/m², wenn weltweit der heutige Pro-Kopf-Verbrauch der USA erreicht würde. Da man nicht den größten Teil der Landfläche nur für die Energiegewinnung brauchen sollte, ist eine höhere Energiedichte, über 1 W/m², notwendig.

Berechnung des Flächenverbrauchs

Flächen können auch in weit entfernt liegenden Ländern oder in der Zukunft verbraucht werden. Insbesondere beim Meeresspiegelanstieg oder der radioaktiven Belastung nach Unfällen liegt sie in der Zeit nach der Energieerzeugung. Dabei können sich selbst kleine Flächen, wenn sie über einen wesentlich längeren Zeitraum als der der Energieerzeugung verbraucht werden, sich zu einem großen Flächenbedarf summieren. Wenn z.B. ein Kraftwerk von 1 GW für die Energieerzeugung eines einzigen Jahres 10 km² für 1000 Jahre benötigt, ist der Flächenverbrauch 10000 km²/GW.

Radioaktive Kontamination

Bisher gab es etwa 16000 Betriebsjahre von Kernreaktoren zur Stromerzeugung und zwei schwere Unfälle in Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011. Wenn ich annehme, dass im Mittel 30 km Radius für 100 Jahre, der Hauptgrund Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren, strahlungsbedingt nicht genutzt werden können, komme ich auf 30*30*pi*100 = 283000 km²Jahre pro Unfall oder bei einem Unfall pro 8000 Betriebsjahren auf 35 km² pro Kernreaktor. Diese Fläche sollte zum sonstigen Flächenverbrauch der Kernkraftwerke addiert werden. Nähme man die Werte von Tschernobyl als typisch, käme man auf einen noch höheren Flächenverbrauch.

Meeresspiegelanstieg

Weitere Flächen werden verbraucht, wenn durch thermische Ausdehnung und vor allem das Abschmelzen der dem Land aufliegenden Eisschilde und Gletscher der Meeresspiegel steigt und Küstengebiete überflutet. Dies ist insbesondere für fossile Brennstoffe ein bedeutender Faktor, da bei deren Verbrennung zusätzliches Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt, welches die optische Dichte im Infraroten erhöht, dadurch die Ausstrahlung vermindert und die globale Mitteltemperatur erhöht; der sogenannte Treibhauseffekt. Außerdem werde ich noch den Einfluss der Abwärme und die Veränderung der Albedo (des Reflektionsvermögens des Sonnenlichts) berücksichtigen.

Da das etwas komplizierter ist, zerlege ich es in mehrere Teile.

Zunächst gilt es herauszufinden, um wieviel der Meeresspiegel steigt, wenn sich die Temperatur erhöht. Die heute noch vorhandene Eismenge an Land entspricht 66 m Meeresspiegeländerung (5). Während des letzten glazialen Maximums vor etwa 20000 Jahren war es im globalen Mittel knapp 5 °C kühler, als im Mittel der letzten Jahrtausende und der Meeresspiegel lag 125 m unter dem heutigen. Im letzten Interglazial vor etwa 125000 Jahren, war es 1 bis 2 °C wärmer als während der letzten Jahrtausende und der Meeresspiegel 6 bis 9 m höher. Dagegen lag während der Pliozänen Warmzeit vor etwa 3 Millionen Jahren bei 2 bis 3 °C wärmeren Temperaturen der Meeresspiegel etwa 10 bis 20 m höher.

In diesem Diagramm sind die Eismengen bei verschiedenen Temperaturen dargestellt. Die Punkte sind: Holozän, Mittel der letzten Jahrtausende; Emm-Interglazial vor 125000 Jahren; Marine Isotopic Stage (MIS) 11 vor 405000 Jahren; Pliozän vor 3 Millionen Jahren. Die Ausgleichsgerade hat einen Anstieg von -5,7 m/°C für die Eismenge (rot) bzw. +5,7 m/°C für den Meeresspiegel. Ein größerer Anstieg ergibt sich, wenn man das Maximum der letzten Eiszeit vor 20000 Jahren mit berücksichtigt (blau)

In diesem Diagramm sind die Eismengen bei verschiedenen Temperaturen dargestellt. Die Punkte sind: Holozän, Mittel der letzten Jahrtausende; Emm-Interglazial vor 125000 Jahren; Marine Isotopic Stage (MIS) 11 vor 405000 Jahren; Pliozän vor 3 Millionen Jahren. Die Ausgleichsgerade hat einen Anstieg von -5,7 m/°C für die Eismenge (rot) bzw. +5,7 m/°C für den Meeresspiegel. Ein größerer Anstieg ergibt sich, wenn man das Maximum der letzten Eiszeit vor 20000 Jahren mit berücksichtigt (blau)

Durch abschmelzendes Eis steigt der Meeresspiegel um 5,7 m/°C. Die thermische Ausdehnung des Wassers trägt zusätzlich mit 0,4 m/°C zum Meeresspiegelanstieg bei. Mit anderen Worten, wenn die Erwärmung auf 2 °C begrenzt werden kann, steigt der Meeresspiegel in den nächsten Jahrtausenden nur um 12 m an und der größte Teil des Antarktischen Eisschildes bleibt erhalten.

Ausschnitt von obigem Diagramm. Ohne das letzte glaziale Maximum.

Ausschnitt von obigem Diagramm. Ohne das letzte glaziale Maximum.

Jetzt muss noch die überflutete Fläche pro Meter Meeresspiegelanstieg bestimmt werden. Aus eigenen Berechnungen komme ich auf Werte zwischen 200000 und 220000 km²/m für große Meeresspiegeländerungen. Für kleine Änderungen von bis zu 6 m sind es 320000 km²/m (4). Ich werde hier mit 211000 km²/m weiterrechnen.

Es werden auch Landflächen durch das abschmelzende Eis freigelegt. Pro Meter Meeresspiegelanstieg durch abschmelzendes Eis sind es etwa 183000 km², wobei man sich fragen sollte, ob diese Flächen die überfluteten Flächen im Wert aufwiegen. Wenn ich diese Flächen abziehe, verringert sich der Flächenverbrauch auf 43000 km² pro Meter Meeresspiegelanstieg, wenn man berücksichtigt, dass für thermische Ausdehnung keine Eisfläche frei wird. Ob letztendlich der Flächenverbrauch durch den Meeresspiegelanstieg überwiegt, ist schwer zu sagen. Beim Abschmelzen von Gletschern überwiegt der Flächengewinn, werden dagegen dicke Eisschilde dünner, der Flächenverbrauch.

Der Meeresspiegel steigt durch Abwärme um 0,011 mm pro GW an. Ein Anstieg des Kohlendioxidgehalts um 1 ppm (Teile pro Million), das sind 7,8 PgCO2, erwärmt die Erde mit knapp 7 TW und lässt den Meeresspiegel um 74 mm steigen.

Kohlendioxid ist in der Atmosphäre stabil und wird nicht abgebaut. Es wird nur teilweise in den Ozean und durch Pflanzen aufgenommen. Schließlich wird es langsam mit einer Halbwertszeit von etwa 200000 Jahren durch Verwitterung wieder aus dem Atmosphäre-Ozean-Biosphäre-System entfernt. Bei langandauernder, kontinuierlicher Emission stabilisiert sich die zusätzliche Kohlendioxidmenge der Atmosphäre erst bei einem Wert des 30000-fachen (3) der Emissionen pro Jahr.

Bildunterschrift: Anteil des Kohlendioxids, der nach gewisser Zeit noch in der Atmosphäre ist. Man beachte den logarithmischen Maßstab der Zeitachse. Er ist auch abhängig von der ausgestoßenen Menge.

Bildunterschrift: Anteil des Kohlendioxids, der nach gewisser Zeit noch in der Atmosphäre ist. Man beachte den logarithmischen Maßstab der Zeitachse. Er ist auch abhängig von der ausgestoßenen Menge.

Die Wirkung anderer, nicht stabiler Treibhausgase wie Methan ist wegen der kurzen Verweildauer in der Atmosphäre geringer, und wird hier einfachheitshalber nicht betrachtet.
Auch andere Veränderungen wie die Ausbreitung der Wüsten berücksichtige ich hier nicht.

Flächenbedarf der einzelnen Energieformen

Kommen wir nun zu dem Flächenbedarf einzelner Kraftwerke zur Stromproduktion. Emissionen bei der Herstellung von Kraftwerken usw. habe ich den sie verursachenden Energieformen zugerechnet und nicht den damit gebauten Kraftwerken.

Ich beginne mit der Kernenergie, die ja mit ihrer Energiedichte von angeblich 1000 W/m² Auslöser meiner Überlegungen war. Für ein Kraftwerk von 1 GW sind 1 km² für das Kraftwerk und weitere kerntechnische Anlagen plausibel, dazu kommen noch im Mittel 35 km² radioaktiv belastete Gebiete, die nicht genutzt werden können. Und die Abwärme verursacht bei einem Nettowirkungsgrad von 33% einen Meeresspiegelanstieg von 0,026 mm, der 5,5 km² überflutet; zusammen sind das 42 km² Flächenbedarf. Bei einer Auslastung von 80% sind das 19 W/m² elektrischer Energie.

Die Wirkungsgrade bei der Photovoltaik liegen zwischen 10 und 20%, bei 11% Auslastung in Deutschland. Dach- oder gar Fassadenanlagen haben den geringsten Flächenbedarf. Bei Freiflächenanlagen muss mit einem zusätzlichen Flächenbedarf durch Staffelung gerechnet werden, da sonst nördliche Anlagen durch die südlicheren verschattet werden. Es gibt aber auch Anlagen die weitgehend flach sind und dabei weniger Strom pro Modul produzieren aber auch weniger Fläche verbrauchen. Die zusätzliche Aufnahme von Sonnenenergie verringert die Albedo, sie kann aber je nach Untergrund geringer sein, als die Stromerzeugung. Sie verursacht 0,003 mm Meeresspiegelanstieg für eine mittlere Leistung von 1 GW. Eine Freiflächenanlage mit 14% Wirkungsgrad und mittlerer Staffelung braucht 132 km², das sind 7,5 W/m². Während für 1 GW (9 GWp) Dachanlagen ohne Staffelung nur 46 km² benötigt werden. Das Gebäude unter dem Dach kann noch genutzt werden, dann wäre es noch weniger, auch auf den Produktionsanlagen kann man PV installieren, also ergibt das 21 W/m².

Bei Windkraftanlagen braucht man genügen Abstand, damit sie sich gegenseitig nicht im Windschatten stehen. Man kann etwa 10 MW auf einen 1 km² aufstellen. Bei einer Auslastung von 20% sind das 2 W/m². Allerdings kann die Fläche darunter z. B. noch landwirtschaftlich genutzt werden, nur etwa 1% werden für die Türme und Anfahrtswege benötigt. Bei offshore-Anlagen wird nur Meeresfläche benötigt, abgesehen von den Produktionsanlagen an Land.

Bei der Wasserkraft gibt es zwei Größen für die Energiedichte. Zum einen die Größe des Einzugsgebietes für den Niederschlag. Sie bestimmt die auf einer Fläche erzielbare Gesamtleistung. Sie ist für Deutschland gering, weswegen hier nicht, wie in Norwegen, die gesamte Stromerzeugung aus Wasserkraft erfolgen kann. Bei 789 mm Jahresniederschlag, von dem ein Drittel abfließt, einer mittleren Höhe von 287 m und einem Wirkungsgrad von 90% ergibt das eine Leistung von 0,021 W/m². Man könnte jetzt noch berücksichtigen, dass der Niederschlag nicht gleich verteilt ist, oder dass Wasser aus höhergelegenen Ländern nach Deutschland fließt. Allerdings wird die Fläche des Einzugsgebietes nicht verbraucht und auch nicht in der Nutzung eingeschränkt wie bei der Windkraft. Deswegen ist hier der Wert für das Kraftwerk und den Stausee wichtiger, der natürlich sehr vom Gelände abhängig ist. Im Mittel komme ich auf 15 W/m². Damit ist für Wasserkraft trotz des geringen Flächenbedarfs die Energiedichte gering, da nicht einfach weitere Kraftwerke daneben gebaut werden können, auch wenn genügend Platz wäre, da dafür nicht genügend Wasser vorhanden ist.

Der Flächenverbrauch der Biomasse wird hauptsächlich durch die Anbaufläche bestimmt. Der Ertrag ist im Mittel etwa 0,5 W/m². Beim Ackerbau erhöht sich die Albedo, besonders im Winter bei Schneebedeckung, im Vergleich zu natürlicher Vegetation. Dies überwiegt langfristig anfängliche Kohlendioxidemmisionen aus der Landnutzung. Bei der Umwandlung in Strom bleiben, je nach Wirkungsgrad nur etwa 0,2 W/m² übrig. Der zusätzliche Flächenbedarf durch die Anbaufläche kann deutlich verringert werden, wenn nur ohnehin anfallende Abfälle wie Stroh oder Reste der Holzproduktion verwendet werden. Allerdings ist deren Menge ebenfalls begrenzt.

Kommen wir nun zur Nutzung fossiler Brennstoffe. Kohlekraftwerke haben 40% Wirkungsgrad, Erdgaskraftwerke können bis zu 60% Wirkungsgrad erreichen. Die Fläche des Kraftwerks ist klein, ich nehme 0,1 km² an. Die Braunkohlentagebaue nehmen in Deutschland 2400 km² (6) Fläche ein, die fast ausschließlich zur Gewinnung von 160 TWh Strom pro Jahr verwendet wird. Das sind etwa 100 km² pro GW-Kraftwerk. Der Kohlendioxidausstoß je kWh ist für Kohle-, Erdöl- bzw. Erdgaskraftwerke etwa 900, 600 bzw. 360 g. Aufgrund der langen Verweilzeit des Kohlendioxids im System aus Meer, Atmosphäre und Biosphäre wird nach der Rechnung oben der Kohlendioxidgehalt um 16 ppm, 11 ppm bzw. 6,5 ppm sowie der Meeresspiegel um 1,9 m, 1,3 m bzw. 0,8 m für eine Dauerleistung von 1 GW für Kohle-, Erdöl- bzw. Erdgaskraftwerke erhöht. Das überflutet 410000 km², 270000 km² bzw. 160000 km² Landfläche für den jeweiligen Kraftwerkstyp. Das heißt, ein 1,25 GW (bei 80% Auslastung) Kohlekraftwerk über hunderttausende von Jahren betrieben erhöht den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre um 16 ppm, den Meeresspiegel um fast zwei Meter und überflutet dabei mehr als die Fläche Deutschlands. Wenn man die durchs Eis freigelegte Fläche abzieht, sind es immer noch 84000 km², 56000 km² bzw. 35000 km².

Zu den Geothermiekraftwerken. Der geothermale Wärmefluss ist im Mittel 0,08 W/m². Doch selbst, wenn man eine zeitweilige Übernutzung in Kauf nimmt, wird es nicht viel besser. Der Kohlendioxidausstoß in vulkanischen Gebieten liegt bei etwa einem Zehntel eines Kohlekraftwerks. Die Abwärme trägt, wie bei den anderen Kraftwerken, zum Meeresspiegelanstieg bei, doch wird sie hier der Erdkruste entzogen und kühlt diese aus. Die unterschiedliche Temperatur der ozeanischen Kruste ist für die Heraushebung der ozeanischen Rücken und die Absenkung der Tiefsee verantwortlich. Ebenso senkt eine großflächige Wärmeentnahme von z.B. 1 W/m² die kontinentale Erdkruste um etwa 1 m in 3000 Jahren ab. Je nach dem, ob die Fläche auf Meeresspiegelhöhe liegt oder nicht, wird entweder eine große Fläche überschwemmt oder nicht.

Wenn Biomasse unter Windkraftanlagen angebaut wird und in windschwachen Zeiten zur Stromproduktion genutzt wird ergibt das 2,2 W/m² Stromproduktion.

Energiedichte (oben) und Flächenverbrauch (unten) der einzelnen Energieformen im Vergleich. Gelb ist die Fläche dargestellt, die durch das Abschmelzen der Eisschilde wieder frei wird. Grau sind Flächen dargestellt die eigentlich nicht richtig verbraucht werden, wie die Einzugsgebiete von Wasserkraftanlagen, die Flächen unter Windrädern, aber trotzdem zur Verringerung der Energiedichte beitragen. Eine hohe Energiedichte haben Wind-, Sonnen- und Kernenergie. Ein hohen Flächenbedarf haben Geothermie und fossile Brennstoffe. Genaue Zahlen befinden sich in der Tabelle unten.

Energiedichte (oben) und Flächenverbrauch (unten) der einzelnen Energieformen im Vergleich. Gelb ist die Fläche dargestellt, die durch das Abschmelzen der Eisschilde wieder frei wird. Grau sind Flächen dargestellt die eigentlich nicht richtig verbraucht werden, wie die Einzugsgebiete von Wasserkraftanlagen, die Flächen unter Windrädern, aber trotzdem zur Verringerung der Energiedichte beitragen. Eine hohe Energiedichte haben Wind-, Sonnen- und Kernenergie. Ein hohen Flächenbedarf haben Geothermie und fossile Brennstoffe. Genaue Zahlen befinden sich in der Tabelle unten.

Der Flächenverbrauch einer Kombination von 40% PV und 50% Windkraft, die mit 10% Erdgas gepuffert werden, wäre immer noch etwa 10% der von 100% Erdgas und gäbe nur 0,06 W/m² Stromerzeugung, weniger als ein Biomassekraftwerk.

Langfristiger Meeresspiegelanstieg in m pro Gigawatt erzeugter elektrischer Energie für die verschiedenen Energieformen. Hauptursache ist die lange Verweildauer des Kohlendioxids. Durch die Entfernung des Kohlendioxids aus der Atmosphäre z.B. mittels Speicherung des bei der Verbrennung von Biomasse freigesetztem Kohlendioxids, kann der Meeresspiegelanstieg wieder rückgängig gemacht werden. Rot ist die mittlere Auswirkung der Landabsenkung der tiefen Geothermie dargestellt.

Langfristiger Meeresspiegelanstieg in m pro Gigawatt erzeugter elektrischer Energie für die verschiedenen Energieformen. Hauptursache ist die lange Verweildauer des Kohlendioxids. Durch die Entfernung des Kohlendioxids aus der Atmosphäre z.B. mittels Speicherung des bei der Verbrennung von Biomasse freigesetztem Kohlendioxids, kann der Meeresspiegelanstieg wieder rückgängig gemacht werden. Rot ist die mittlere Auswirkung der Landabsenkung der tiefen Geothermie dargestellt.

Daneben gibt es noch die Möglichkeit, Kohlendioxid abzuscheiden und unterirdisch zu speichern, genannt Carbon Capture and Storage (CCS). Dabei hofft man 80 bis 90% des Kohlendioxids aufzufangen um den Preis eines deutlich verringerten Wirkungsgrades. Dies würde den Flächenbedarf der fossilen Brennstoffe deutlich reduzieren. CCS auf Biomassekraftwerke angewendet würde letztendlich Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, da der von den Pflanzen aufgenommene Kohlenstoff größtenteils nicht wieder in die Atmosphäre gelangt. Da die überflutete Landfläche größer als die Anbaufläche wäre, könnten hier Kohlendioxidemissionen der Vergangenheit flächensparend wieder rückgängig gemacht werden. Die Kombination fossiler Brennstoffe mit Biomasse und CCS würde kohlenstoffneutrale Kraftwerke ermöglichen, bei gleichzeitig verringerter Anbaufläche.

Durch verbesserte Wirkungsgrade kann die Energiedichte erhöht werden. Sicherere Kernkraftwerke könnten den Flächenbedarf durch Unfälle verringern. Kernfusionskraftwerke könnten in Zukunft eine Energiedichte ermöglichen, die um etwa den Faktor 10 über der heutiger Photovoltaikkraftwerke liegt.

Ich hoffe deutlich gemacht zu haben, dass Energiedichten im Bereich von 10 W/m² keinesfalls als “diffus” anzusehen sind, sondern zu den höchsten heute erreichbaren Energiedichten gehören. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:
Tabelle1

Qualität von Flächen

Daneben müsste man auch noch die Qualität des Flächenverbrauchs berücksichtigen. Handelt es sich dabei um gutes Ackerland oder Wüste? Ist 1 km², der durch das Abschmelzen von Gletschern oder Eisschilden freigelegt wird, soviel Wert wie 1 km² einer Deltaregion, der überflutet wird? Ich bezweifle das, daher habe ich in der Tabelle und den Diagrammen beide Werte angegeben.

Bei manchen Flächen, wie der für ein Photovoltaikkraftwerk, kann man sich heraussuchen, welche Fläche verbraucht wird, bei anderen wie dem Meeresspiegelanstieg ist das schon schwieriger, aber man weiß vorher wo und wann. Bei Unfällen von Kernkraftwerken ist auch das wo, wann und das Ausmaß vorher unbekannt.

Heutiger Flächenverbrauch

Der Flächenverbrauch der heutigen Energieversorgung in Deutschland, Daten von (7), ist ca. die 128-fache Fläche von Deutschlands. (Die 27-fache, wenn man die vom Eis freigegeben Fläche rausrechnet.) Dabei wird fast die gesamte Flächenverbrauch durch den Meeresspiegelanstieg infolge Kohlendioxidemissionen fossiler Brennstoffe verursacht. Auf Platz zwei liegt der Anbauflächenbedarf von Biomasse mit ca. 54000 km² für 856 PJ. Ein derart hoher Flächenverbrauch von dem Vielfachen der Landesfläche ist nur möglich, weil der Flächenverbrauch teilweise ins Ausland und vor allem in die Zukunft verlagert wurde. Mit anderen Worten, für die Energieerzeugung eines einzigen Jahres in Deutschland werden im Mittel 1/1560 (bzw. 1/7500) der Fläche Deutschlands für etwa 200000 Jahre benötigt.

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jh. wurde die Fläche Deutschlands für den Energieverbrauch überschritten. Stattdessen wäre es heute möglich, die Energieversorgung von Deutschland mit einem Flächenverbrauch von etwa einem Zehntel (Nahrungsmittelanbau ausgenommen) der Fläche Deutschlands zu decken, also nur etwa der Fläche eines Bundeslandes. Einer Fläche, die seit mehr als 1000 Jahren nicht mehr unterschritten wurde.

Zusammenfassung

Ich hoffe, ich konnte verständlich machen, warum es notwendig ist, nicht nur die Fläche des Kraftwerks beim Vergleich des Flächenverbrauchs und der Energiedichte zu berücksichtigen. Nicht nur in anderen Ländern (z.B. Anbaufläche importierter Biomasse) sondern vor allem auch in der Zukunft, kann der Großteil des Flächenverbrauchs eines Kraftwerks liegen. Daher sollten bei einem Vergleich neben der Fläche des Kraftwerkes auch die Anbaufläche, Tagebaue, radioaktiv kontaminierte Gelände und der Meeresspiegelanstieg berücksichtigt werden.

Referenzen

(1) Brave new climate: Is Renewable Energy looking like a ‘new religion’?
(2) Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – Wikipedia
(3) Archer, D., 2009, “Atmospheric lifetime of fossil fuel carbon dioxide.” Annu. Rev. Earth Planet. Sci., 37, 117–134., siehe auch archer.2005.fate_co2.pdf und ein Kohlenstoffkreislaufmodell.
(4) Xingong Li, et.al. “GIS Analysis of Global Impacts from Sea Level Rise”, Photogrammetric Engineering & Remote Sensing, Vol. 75, No. 7, July 2009, pp. 807–818.
(5) IPCC, 2013: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 1535 pp.,
(6) Braunkohlebergbau – Wikipedia
(7) ageb_jahresbericht2014.pdf
(8) MacKay, D., Sustainable Energy – without the hot air, UIT Cambridge, 2008
————————————————-
Hinweis zum Autor: Dieser Artikel wurde von “UMa” verfasst: “Ich interessiere mich für extrasolare Planeten, Astrophysik, Geowissenschaften und verwandte Themen. Wenn mich etwas interessiert oder mir seltsam vorkommt, rechne ich das nach. Meist bin ich im Astronews.com Forum aktiv.”

Kommentare (23)

  1. #1 gaius
    5. Oktober 2015

    Beeindruckender Artikel! Popcorn liegt bereit …

  2. #2 rolak
    5. Oktober 2015

    Sauber ausgefummelt, die ganzen Daten!

  3. #3 phunc
    5. Oktober 2015

    Schöner Artikel, der unter anderem auch deutlich macht wie komplex dieses Thema eigentich ist. Das Wissen das hier vermittelt wird – und darüber hinaus, wenn man sich noch intensiver mit der Energieversorgung beschäftigt – sollte eigentlich auch von Politik und Wirtschaft kommuniziert und im öffentlichen Raum zur Faktenlage beigesteuert werden.

    Persönlich finde ich es echt bescheiden, wie sehr auf trivialen Argumenten herum geritten wird, deren einziger Zweck es ist, Entscheidungsträger (sowie Wähler) in die eine oder andere Richtung zu lenken, wobei der eigentliche Sinn der Debatte stets beiseite geschoben wird.

    Mittlerweile bin ich mir nicht sicher, ob es eine aufgeklärte Gesellschaft gibt, wohl eher eine verklärte, die es sich sehr einfach macht über Dinge zu urteilen und Entscheidungen zu treffen wie es grade sinnvoll scheint. Viel zu rekationär, auf Symptombehandlung fokussiert, kaum kritisch, konsum- und trendorientiert, den Kern sowie die vielen Facetten einer Problematik ignorierend. Nicht nur die Schlachtrufe (wenn es dann mal eine Demo gibt) sind plakativ, sondern auch die Denke dahinter.

    Ich hoffe aber, dass ein Artikel wie dieser dazu beitragen wird zumindest auf digitaler Ebene etwas produktivere Diskussionen führen zu können. In diesem Sinne: vielen Dank für die Aufarbeitung dieser Thematik!

  4. #4 BreitSide
    Beim Deich
    5. Oktober 2015

    Wau, eine riesige Datenflut für einen Beitrag!

    Die Dinge sind halt doch nicht ganz so einfach. Manchem werden einige Werte ziemlich sauer aufstoßen. Und das ist auch gut so.

    Ich glaub, den Beitrag verlinke ich mal auf Georg Hoffmanns “neues Dies+Das” 🙂

  5. #5 Dampier
    5. Oktober 2015

    Wow, was ne Rechnerei! Hochinteressanter Ansatz. Ich konnte das jetzt auf die Schnelle nicht im Detail verifizieren 😉 aber der Artikel hat mir gefallen.

    Stattdessen wäre es heute möglich, die Energieversorgung von Deutschland mit einem Flächenverbrauch von etwa einem Zehntel (Nahrungsmittelanbau ausgenommen) der Fläche Deutschlands zu decken, also nur etwa der Fläche eines Bundeslandes. Einer Fläche, die seit mehr als 1000 Jahren nicht mehr unterschritten wurde.

    Auch wenn das möglicherweise aus deinen Daten hervorgeht, würde mich nochmal interessieren, wie das genau aussehen könnte.

  6. #6 Wizzy
    6. Oktober 2015

    Genialer Artikel! Nach Prüfung der Kalkulationen meines Erachtens wissenschaftlich veröffentlichungsreif (sofern es noch kein ähnliches Paper gibt)! Auf jeden Fall werde ich diesen Artikel überaus freudig in mein Repertoire aufnehmen, neben den Zahlen zu Kosten sowie Todes- und Krankheitsfällen je GWh nach Energieerzeugungsmethode, was bereits untersucht und publiziert wurde.

  7. #7 Crazee
    6. Oktober 2015

    Im Bezug auf die Zusammenfassung gebe ich dem Artikel recht. Den Berechnungen kann ich jetzt auf die Schnelle so nicht folgen, sie WIRKEN auf mich aber recht spekulativ (nicht dass die vorherigen Rechnungen da besser wären.

    Auf jeden Fall beeindruckend.

  8. #8 UMa
    6. Oktober 2015

    Danke für das Interesse an meinem Beitrag. Ich freue mich über eure Antworten.

    Oh ja, komplex ist das ganze Thema, auch wenn ich mich wirklich nur auf den Flächenverbrauch konzentriert habe.
    Sowohl die Begrenzung der Zeit, also der Abgabetermin und das ich ja nur neben Arbeit und Urlaub daran gearbeitet habe, als auch die maximale Zeichenzahl haben mir ganz schön zu schaffen gemacht. Das Thema ist einfach zu umfangreich, um es halbwegs vollständig in so einem Artikel zusammenfassen zu können.

    @Dampier: Auf deine Frage, wie eine Energieversorgung von Deutschland aussehen könnte, kann man natürlich unterschiedlich ausführliche Antworten geben. Ich versuche es erstmal mit einer kurzen.

    Das Grundprinzip ist natürlich, von den Energieformen, die einen hohen Flächenverbrauch haben, möglichst wenig zu verwenden, während diejenigen mit einer Energiedichte von (elektrisch) über 5 W/m² die Hauptlast tragen müssen.

    Auf fossile Brennstoffe und Biomasse (außer ohnehin anfallenden Abfällen) wird man weitgehend verzichten müssen, es sei denn man fängt das Kohlendioxid auf und speichert es (CCS). Idealerweise verwendet man so viel Biomasse, dass man insgesamt weniger Kohlendioxid emmitiert als durch die Biomasse aufgenommen wurde. Tiefe Geothermie kann man machen, solange Flächen ausgespart werden deren langfristige Absenkung ungünstig wäre und man das Kohlendioxid wieder zurück in die Erde bekommt. Wasserkraft hat einen geringen Flächenverbrauch und sollte genutzt werden, da die Enzugsgebiete für den Niederschlag ja nicht verbraucht werden. Zusammen würden diese Energieformen aber langfristig nicht Hauptlast der Energieversorgung tragen können.

    Da es noch kein einsetzbares Kernfusionkraftwerk gibt, bleiben noch Windenergie, Sonnenenergie (PV und Solarthermie), und Kernspaltung übrig. Diese müssen dann wohl zusammen mindestens 80% der Energieerzeugung stellen, damit Biomasse, fossile mit CCS, Wasserkraft und Geothermie den Rest schaffen können, ohne das zu viel Fläche verbraucht wird.
    Soweit nicht solar-, geothermisch oder anderweitig schon abgedeckt, müsste der Wärmebedarf sowie auch der Energiebedarf des Verkehrs (über Biotreibstoffe hinaus, da deren Flächenverbrauch zu hoch wäre) weitgehend direkt elektrisch oder indirekt über eine Treibstoffproduktion aus Strom abgedeckt werden.

    Die einzelnen Energieformen haben jetzt unerschiedliche Vor- und Nachteile. Windenergie an Land hat die geringste Energiedichte. Der Flächenverbrauch hängt davon ab, ob man die zwischen den Windkraftanlagen liegende Flächen mitzählt oder nicht. Die Sonnenenergie ist im Winter nur unzureichend verfügbar. Von Tag auf Nacht könnte man Strom mit Batterien oder anderen Energiespeichern noch Speichern, von Sommer auf Winter wäre das ungleich schwerer und teuerer. Kernenergie ist in Deutschland unbeliebt und die Uranreserven sehr begrenzt. Letzteres könnte man dadurch beheben, dass man Uran aus dem Meer gewinnt oder das Uran-238 besser ausnutzt oder beides. Außerdem müsste mehr radioaktiver Abfall endgelagert werden, was in einem anderen Artikel hier diskutiert werden kann. Dafür käme man aber ohne eine drastische Vergrößerung der Stromspeicher aus.

    Ok, ist jetzt doch länger geworden.

    @Florian: Der Link, der ins Astronews-Forum führen sollte, führt auf einen deiner Beiträge hier im Blog.

  9. #9 UMa
    6. Oktober 2015

    Der Link unter ‘anderen Artikel’ sollte auf diesen Verlinken:
    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2015/09/18/rein-oder-nicht-rein-der-tanz-ums-endlager/

  10. #10 Crazee
    6. Oktober 2015

    Es gibt den ersten Prototyp einer “Solarzelle”, die auch bei Wolken, Wind und Regen Strom erzeugt: https://minkorrekt.de/minkorrekt-folge-58-kaffeepruett/

  11. #11 Uli
    6. Oktober 2015

    Noch ein Detail zur deutschen Steinkohle:

    Im Ruhrgebiet wurde so viel Kohle weggebuddelt, daß weite Teile der Gegend um mehrere Meter abgesunken sind.

    Darum laufen rund um die Uhr Pumpen, damit diese Gegend nicht absäuft. Die brauchen natürlich Strom.

    Man kann also ausrechnen, wann die Energiebilanz der deutschen Steinkohle ins Negative abrutscht.

    Natürlich hatten die Menschen damals keine Wahl. Man brauchte die Kohle für die Industrie und zum Heizen. Aber so ganz langfristig gerechnet war’s doch ‘ne blöde Idee…

  12. #12 Captain E.
    6. Oktober 2015

    Allerdings ist das Grubenwasser ziemlich warm. Daher baut man jetzt mehr und mehr Geothermieanlagen zur Nutzung dieser Wärme.

    Die Pumpen sollen übrigens nach Auslaufen des Bergbaus in ihrer Leistung reduziert werden. Die alten Schächte werden dann etwas mehr voll laufen.

  13. #13 UMa
    6. Oktober 2015

    @Uli: Der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren hängt vom Sauerstoffgehalt der Luft ab. Je nachdem, wie viel Energie in der Zukunft noch durch Verbrennung gewonnen wird, sei es durch Biomasse oder aus Strom erzeugten Treibstoffen wie Wasserstoff, wird die Energiebilanz der fossilen Brennstoffe nach einiger Zeit ins Negative rutschen allein wegen des Sauerstoffverbrauchs. Auch wenn die Veränderungen auf den ersten Blick gering aussehen.

    Als Alternative zur Kohle alles abzuholzen, wäre wohl auch nicht besser gewesen.

  14. #14 Captain E.
    7. Oktober 2015

    Der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren hängt vom Sauerstoffgehalt der Luft ab? Das halte ich für eine gewagte These, abgesehen davon, dass der Sauerstoffgehalt auf der Erde schon ziemlich lange konstant ist. Oder meintest du den Sauerstoffgehalt im Verbrennungsraum zum Zeitpunkt der Zündung?

  15. #15 bikerdet
    7. Oktober 2015

    @ Uli :
    Das stimmt. Im Schnitt ist das Ruhrgebiet um 12m abgesunken. Was dazu führt, das große Teile des Duisburger Stadtgebietes eben diese 12m unter dem Rheinlevel liegen. Dies war der Hauptgrund, warum man den Kohleabbau unter dem Rhein verboten hat. Wäre es hier ebenfalls zu partiellen Absenkungen gekommen, wäre der Rhein einfach übergelaufen und hätte Duisburg in eine sehr große Seenlandschaft verwandelt. Die auch das ‘Centro Oberhausen’ mit eingeschlossen hätte. Das liegt nämlich auch noch einen Meter unter Rheinlevel.

    Das größte Problem hier im Ruhrgebiet war, das nach den WW2 ALLE Kohle an die Siegermächte abgeführt wurde. Für die Menschen vor Ort blieb nichts übrig. Deshalb wurden illegale und undokumentierte Stollen gegraben um die Menschen vor Ort zu versorgen. Da diese Stollen auch nicht korrekt verfüllt wurden, tuen sich hier manchmal große Löcher auf. Unter Häusern / Straßen / Plätzen. Liest/hört man ja regelmäßig in den Nachrichten.
    In meiner Heimatstadt hatten wir das Glück, das Fledermausforscher die Hohlräume entdeckt und erkundet hatten. Als es zu den ersten Tagebrüchen kam, konnten die Behörden mit deren Karten das Problem schnell (naja, Beamtenschnell) in den Griff kriegen.

    @ Captein E. : Klar, im Verbrennungsraum. Wo sonst ? Ein Turbolader macht doch nichts anderes als mehr Luft, und damit Sauerstoff, in den Brennraum zu drücken. Noch effektiver ist die ‘Lachgaseinspritzung’. Da hier der Sauerstofgehalt ~ 33% gegenüber 21% der Luft besteht. Gucks Du hier :
    https://de.wikipedia.org/wiki/Lachgaseinspritzung

    UMa hat da nämlich unrecht. Es verbrennt immer eine gleiche Menge Sauerstoff und Kraftstoff. Sowohl beim Turbolader, als auch bei der Nitroeinspritzung wird also neben dem MEHR Sauerstoff auch MEHR Kraftstoff verbraucht. Eines ohne das Andere ist wirkungslos.Somit bleibt der Wirkungsgrad immer gleich, bei den Turbovarianten wird nur mehr Treibstoff gleichzeitig umgesetzt. Mit großen Belastungen für das Material. Wir alle haben schon explodierende Motoren aus der Formel 1 / Dragsterrennen gesehen ….

  16. #16 UMa
    7. Oktober 2015

    Die Verminderung des Wirkungsgrades ergibt sich dadurch, dass bei gleicher Sauerstoffaufnahme mehr Stickstoff aufgenommen werden muss. Das führt zu einer niedrigeren Verbrennungstemperatur und höheren Verlusten im Abgas.

    Es gibt umgekehrt Versuche, den Wirkungsgrad durch Erhöhung des Sauerstoffgehalts der Luft zu erhöhen. Das nennt sich Oxyfuel-Verfahren. Hier ist ein Beispiel aus der Stahlindustrie:
    https://www.lindeus.com/internet.lg.lg.usa/en/images/Energieeffizienz%20und%20minderung138_10824.pdf

  17. #17 Dampier
    7. Oktober 2015

    @Captain E.

    Der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren hängt vom Sauerstoffgehalt der Luft ab? Das halte ich für eine gewagte These

    Im Hochgebirge büßen die an Leistung ein. Wenn ich mich recht erinnere, mussten wir immer den Zündzeitpunkt verstellen.

  18. #18 BreitSide
    Beim Deich
    7. Oktober 2015

    @Dampier: … bis dann die Unterdruckdose kam (bei den teureren Autos…).

  19. #19 Alderamin
    7. Oktober 2015

    @UMa

    Schöner Artikel, bis auf die zugrunde gelegte Einheit:

    Wenn z.B. ein Kraftwerk von 1 GW für die Energieerzeugung eines einzigen Jahres 10 km² für 1000 Jahre benötigt, ist der Flächenverbrauch 10000 km²/GW.

    Die Einheit wäre dann ja 10000 km²J/GW. Grundsätzlich gehe ich damit auch d’accord.

    Verlinke das aber mal bei “wasgeht”. Frank zerfetzt das voraussichtlich in der Luft. Er hat ja z.B. schon vorgerechnet, dass man die Windräder gar nicht so dicht aufstellen kann, um damit die ganze Bundesrepublik zu versorgen, weil sie sich gegenseitig den Wind wegnehmen würden.

  20. #20 UMa
    8. Oktober 2015

    @Dampier
    Im Hochgebirge ist es wieder etwas anders. Denn da hast du ja weniger Gesamtdruck und damit auch weniger Stickstoff.

  21. #21 UMa
    8. Oktober 2015

    @Alderamin:

    Die Einheit wäre dann ja 10000 km²J/GW.

    Du meinst sicher nicht J (Joule) sondern a (Jahre). Das Kraftwerk mit einer mittleren Leistung von 1 GW erzeugt in einem Jahr 1 GWa = 8766 GWh Strom. Der Flächenverbrauch ist 10 km² * 1000 a = 10000 km²a, insgesamt 10000 km²/GW. Das Jahr kürzt sich raus.
    Wenn dieses 1 GW Beispiel-Kraftwerk (mit Neubauten, da es vermutlich nicht so lange hält) über Jahrtausende betrieben wird, verbraucht es tatsächlich 10000 km² Fläche, zu gleichen Zeit.

    Du kannst gern meine Berechnung überprüfen. Über Verbesserungsvorschläge oder gar gefundene Fehler würde ich mich freuen.
    Für die Windenergiedichte ich bin mit 2 W/m² auf das gleiche Resultat gekommen, wie D. MacKay in Referenz (8).
    Im unrealistischen Fall, dass die gesamte Erdoberfläche mit Windkraftwerken zugestellt würde, würde die Energiedichte auf 0.8 W/m² sinken, siehe z.B.
    K Marvel, B Kravitz, K Caldeira: “Geophysical limits to global wind power”, Nature Climate Change, 2013
    https://www.nature.com/nclimate/journal/v3/n2/full/nclimate1683.html

  22. #22 Alderamin
    8. Oktober 2015

    @UMa

    Du meinst sicher nicht J (Joule) sondern a (Jahre)

    Natürlich. Wollte erst y (year) schreiben und dann fiel mir die Abkürzung für Lichtjahr LJ ein. Dass das J schon für Joules steht, kam mir da gerade nicht in den Sinn.

    Der Flächenverbrauch ist 10 km² * 1000 a = 10000 km²a, insgesamt 10000 km²/GW. Das Jahr kürzt sich raus.

    Ach soooo, ja dann… Vielleicht wär’s für das Verständnis trotzdem sinnvoll, das Jahr nicht herauszukürzen, sondern km²a/GWh zu rechnen. Man drückt den Hubble-Parameter ja beispielsweise auch in km/s/MPc aus, obwohl sich km und MPc rauskürzen könnten.

    Du kannst gern meine Berechnung überprüfen. Über Verbesserungsvorschläge oder gar gefundene Fehler würde ich mich freuen.

    Der Berechnung glaube ich schon, es kommt auf die Annahmen an. Soweit ich sehe, sind die aber durch Referenzen abgedeckt. Das ist jetzt nicht so mein Fachgebiet, aber Frank von “wasgeht” engagiert sich ja sehr bzgl. des Themas, deswegen der Vorschlag, ihm das mal zu präsentieren. Der Tenor in seinem Blog scheint zu sein, ohne Kernkraft geht nicht viel und erneuerbare Energien werden überschätzt.

  23. #23 Dampier
    8. Oktober 2015

    @UMa, danke für die Info, wieder was gelernt.
    Danke auch nochmal für die ausführliche ANtwort in #8!