Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.
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Organspende und freier Wille – auf den ersten Blick doch zwei Dinge, bei denen man nicht gleich den Zusammenhang sieht. Nimmt man noch hinzu, dass ich selber Physiker bin und hier für einen Blogwettbewerb eines Astronomen schreibe, dann hat man eine fast schon explosive Mischung (Ethik, Philosophie und Physik). Aber keine Angst, im Verlauf wird sich das alles zusammenfügen (hoffe ich).
Was ich hier nicht machen will, ist über das Für und Wider der Organspende diskutieren – da gibt es für mich auch keinen einleuchtenden Grund, damit anzufangen:
Wenn ich schon jede Plastiktüte wiederverwende,
dann werde ich erst recht nicht die Organe verschwenden,
die jemanden das Leben retten können.
Die Frage nach dem freien Willen ist da schon interessanter. Das fängt schon damit an, dass – obwohl es sich wohl für jeden so anfüllt, als hätte er einen freien Willen – es keine wirklich anerkannte Definition für den freien Willen gibt.
Am Einfachsten kann es sich da der klassische Physiker machen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts herrschte die Idee vom Universum als mechanisches Uhrwerk vor. Wie in dem gezeigten Uhrwerkplanetarium bewegen sich alle Dinge auf den von den physikalischen Gesetzen vorgezeichneten und unveränderlichen Bahnen.
Wenn man also einmal zu einem Ausgangspunkt den Zustand des Universums komplett kennt, dann kann man im Prinzip genau vorausberechnen, wie sich alles entwickelt und das würde wiederum auch uns Menschen und alle unsere Handlungen und Entscheidungen einschließen. Platz für den freien Willen wäre in diesem klassischen Uhrwerkuniversum nicht mehr. Bliebe nur noch die Frage, wer diese Berechnungen ausführen könnte – die Physiker waren da kreativ und haben den Laplaceschen Dämon erfunden (herbeigerufen?).
Aber das war Stand 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert hat man zwar Fortschritte gemacht – wir könnten uns heute einen Laplaceschen Computer vorstellen, aber dafür kommt von anderen Seiten Sand in das Getriebe des Uhrwerksuniversums. Denn die am Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Quantenmechanik zeigt uns, dass die Naturgesetze nicht so deterministisch sind wie angenommen und man eben selbst bei exakt gleichem Ausgangszustand unterschiedliche Ergebnisse in einem Experiment bekommen kann. Beim Paradebeispiel der Quantenmechanik, dem Doppelspalt, kann ich weder sagen, durch welchen Spalt ein Teilchen fliegt, noch wo es auf der anderen Seite landen wird. Ich kann nur die Wahrscheinlichkeiten vorhersagen, wo sich im entstehenden Interferenzmuster mehr oder weniger Teilchen sammeln werden.
Eröffnet uns also die Quantenmechanik den freien Willen? Auch wenn manchmal so argumentiert wird (z. B. Prof. Hans Briegel), wenn Sie mich fragen, mich überzeugt das nicht. Ich sehe hier zwei Einwände:
1. Arbeitet das Hirn überhaupt so, dass zufällige, quantenmechanische Effekte eine wesentliche Rolle spielen?
Das ist eine Frage, die ein Neurologe beantworten könnte, aber allein schon, dass ich mich koordiniert bewegen oder sprechen kann oder den Weg nach Hause finde, lässt mich vermuten, dass mein Verhalten nicht so zufällig sein kann.
2. Ist allein schon die Tatsache, dass mein Verhalten nicht im Voraus determiniert ist, ausreichend zu vermuten, dass ich einen freien Wille habe?
Für mich sieht es so aus, dass ich in diesem Szenario nur den einen Meister (deterministische Naturgesetze) durch einen anderen (quantenmechanische Zufälle austausche), aber frei handeln kann dennoch nicht. Schließlich würde ich den Teilchen im obigen Doppelspalt nicht deshalb einen freien Willen zusprechen, weil ich nicht weiß, durch welchen Spalt sie an welcher Stelle des Interferenzmusters landen.
Richtig weiter sind wir mit diesen theoretischen Überlegungen auf der Suche nach dem freien Willen nicht gekommen. Wenn nun ein Physiker bzw. Naturwissenschaftler mit seinen Theorien oder Berechnungen nicht mehr weiter kommt, dann gibt es für ihn immer einen Ausweg, einen unbestechlichen Richter, den er nur richtig fragen muss, um Antworten zu erhalten:
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