Die Krebsfrüherkennung gilt im allgemeinen Verständnis als eine fraglos positive Geschichte: Wenn Krebserkrankungen früher diagnostiziert werden, kann man sie früher behandeln und dann ist die Prognose günstiger. Manchmal ist das so. Manchmal aber auch nicht. Manchmal leben die Patient/innen auch nur länger mit der Diagnose, aber nicht länger, als sie ohne die Diagnose gelebt hätten. Manchmal folgen auf einen „positiven Screeningbefund“ (der für die Betroffenen nie „positiv“ ist, weil man ja etwas gefunden hat) weitere mit medizinischen Eingriffen verbundene Untersuchungen mit dem Ergebnis, dass es sich um einen „falsch positiven Befund“ gehandelt hat, also um einen Fehlalarm. Das gehört zu einem Screening wie die berühmten Späne zum Hobeln: Screening-Untersuchungen sollen zunächst einmal möglichst viele Verdachtsfälle herausfiltern. Und manchmal wird operiert oder bestrahlt, obwohl der festgestellte „Krebs“ die Lebenserwartung der Leute nicht beeinträchtigt hätte. Sie wurden unnötig behandelt. Um es kurz zu machen: Früherkennungsuntersuchungen haben immer zwei Seiten, Nutzen und Risiken.

Beim Prostatascreening ist man schon vor längerer Zeit vorsichtig geworden. Ein erhöhter PSA-Wert löst heute oftmals zunächst nur ein „watchful waiting“ aus: Man beobachtet engmaschig, operiert aber noch nicht gleich. Beim Mammographie-Screening, seit wenigen Jahren in Form eines qualitätsgesicherten Screenings mit Einladungswesen Kassenleistung, wogt seit Jahren ein Streit unter Fachleuten, wie Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen sind. Wer will, kann sich in die widersprüchliche Studienlage, diverse Cochrane-Reviews eingeschlossen, vertiefen. Das Ergebnis wird vermutlich eine gewisse Ratlosigkeit sein.

In Deutschland erkranken derzeit jährlich ca. 70.000 Frauen und mehr als 500 Männer neu an Brustkrebs, ca. 18.000 Frauen und ca. 150 Männer sterben daran, wobei die Sterberate (altersbereinigt) leicht rückläufig ist. Es geht also um eine häufige Krebserkrankung, so dass einerseits auch eine bei der einzelnen Frau nur gering erhöhte Wahrscheinlichkeit, durch das Screening Krebs im Frühstadium zu erkennen, bevölkerungsmedizinisch große Vorteile bieten kann, andererseits sind bei einem bevölkerungsweiten Screening aber auch sehr viele Frauen durch Fehlalarme und unnötige Behandlungen betroffen. Ein wichtiger Punkt der Diskussion dürfte sein, wie man künftig DCIS (duktale Carcinoma in situ) – das sind kleine Veränderungen in den Milchgängen der Brust, die zu invasiven Krebserkrankungen werden können, aber nicht müssen – besser hinsichtlich ihrer potientiellen Bösartigkeit klassifizieren kann und wie sich die Behandlungsmethoden weiterentwickeln. Viele Problemebenen, viele Unwägbarkeiten.

Vor diesem Hintergrund hat das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin in einer Pressemitteilung nun dazu aufgerufen, offener über Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings zu diskutieren und auch die Informationen für die Frauen anders zu gestalten. Im Folgenden ist diese Pressemitteilung dokumentiert, zur Diskussion ist eingeladen. Ich bin allerdings bekanntlich weder Frauenarzt noch Onkologe und auch kein Krebsepidemiologe, d.h. ich werde fachliche Fragen bei diesem Thema vermutlich nur ab und zu beantworten können. Aber in der Kernfrage, wie weiter mit dem Mammographie-Screening zu verfahren ist, scheint es ja den Fachleuten nicht viel anders zu gehen.

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Pressemitteilung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e.V.
Berlin, den 08.05.2015

Das kollektive Schweigen zum Mammographie-Screening
Mammographie-Screening-Programme sollen gestoppt werden, empfiehlt das Swiss Medical Board (1), ein Schweizer Expertengremium aus Medizin, Ethik, Recht und Ökonomie, in einer aktuellen Ausgabe des führenden Wissenschaftsjournals The New England Journal of Medicine (2). Eine überfällige Aufforderung sei dies, eine ernsthafte öffentliche Diskussion zu beginnen, so kommentieren Ingrid Mühlhauser und Gabriele Meyer vom Deutschen Netzwerk für evidenzbasierte Medizin e.V. (DNEbM). Zu beunruhigend seien die wissenschaftlichen Ergebnisse aus den letzten Jahren, die einen Nutzen des Mammographie-Screenings in Frage stellen und den bisher unterschätzten Schaden des Screenings deutlich machen. Auch der Hauptredner der gut besuchten Jahrestagung des DNEbM (3), Peter Gøtzsche, forderte in seinem Plenarvortrag „Why Mammography screening should be stopped” ein Ende des Mammographie-Screenings. Der Schaden an gesunden Frauen durch Überdiagnosen und Übertherapien sei nicht länger hinnehmbar. Vertreter der Medien und politischer Gremien waren bei der Tagung in Halle (Saale) präsent: „Aber richtiges Medienecho oder Reaktionen auf politischer Seite seien bisher ausgeblieben“, konstatiert die DNEbM-Vorsitzende Gabriele Meyer.

Nutzen und Schaden werden falsch eingeschätzt

Die Gründe für das kollektive Schweigen in Deutschland sind vielfältig. „Eine Hauptursache liegt jedoch in den immer noch vorherrschenden Fehleinschätzungen und Trugschlüssen der Bevölkerung zum Nutzen und Schaden des Mammographie-Screenings“, so Ingrid Mühlhauser, Sprecherin des DNEbM Fachbereichs für Patienteninformation. Aktuelle Untersuchungen bestätigen, dass Frauen in Deutschland den Nutzen des Screenings massiv überschätzen und den Schaden teils gar nicht kennen oder deutlich unterschätzen (4). Die Informationsprozesse im deutschen Screening-Programm sind nicht geeignet den Frauen informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Immer noch würden die rosa Schleifen die Meinungsbildung dominieren anstatt ausgewogene und verständliche Information, resümiert Gerd Gigerenzer, Leiter des Max-Planck Instituts für Bildungsforschung in Berlin, in der aktuellen Ausgabe des British Medical Journal. Er fordert daher Frauen und Frauenorganisationen auf, die rosa Schleifen zu zerreißen und stattdessen sich in Kampagnen für ehrliche Informationen zum Mammographie-Screening einzusetzen (5). Das DNEbM will nicht nur die Zivilcourage gestärkt sehen, sondern appelliert nachdrücklich an die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger: „Wir brauchen einen öffentlichen Diskurs über eine Neubewertung des Nutzens und Schadens des Mammographie-Screenings. Bürgerinnen (und auch Bürger) in diesem Land haben das Recht, verständlich und nachvollziehbar über die zu erwartenden Effekte des Screenings informiert zu werden und auch natürlich über die Gründe, das Screening weiterzuführen oder aber ggf. einzustellen. Auch die Kostenimplikationen des Programms sind offen zu legen“, das ist das Fazit der zwei DNEbM-Vertreterinnen.

Referenzen
1) Swiss Medical Board: Systematisches Mammographie-Screening. https://www.medical-board.ch/fileadmin/docs/public/mb/Fachberichte/2013-12-15_Bericht_Mammographie_Final_rev.pdf
2) Biller-Andorno N, Jüni P: Abolishing mammography screening programs? A view from the Swiss Medical Board. N Engl J Med 2014: Apr 16 [Epub ahead of print]
3) Deutsches Netzwerk für evidenzbasierte Medizin: 15. Jahrestagung des DNEbM 2014. https://www.ebm-netzwerk.de/was-wir-tun/jahrestagungen/2014
4) Dierks ML, Schmacke N: Mammografie-Screening und informierte Entscheidung – mehr Fragen als Antworten. Gesundheitsmonitor 1/2014. Newsletter. https://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-35C1977B-FE483367/bst/xcms_bst_dms_39349_39350_2.pdf
5) Gigerenzer G: Breast cancer screening pamphlets mislead women. BMJ 2014; 348: g2636

Ansprechpartnerin
Prof. Dr. Gabriele Meyer
Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.
Geschäftsstelle
Kuno-Fischer-Straße 8
14057 Berlin
E-Mail: kontakt@ebm-netzwerk.de

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Kommentare (37)

  1. #1 Hugo Casutt
    Chur
    10. Mai 2014

    Hey…eine Seite mit den ehrlichsetn Inhalten die ich in letzter Zeit gelesn habe. Danke dafür. Es gibt keine Sicherheit im Leben…ausser einer…

  2. #2 Christian Weymayr
    10. Mai 2014

    Danke, Joseph, für Deinen bedachten Kommentar und die Aufforderung zur Diskussion, der ich hiermit nachgehen möchte. Ich beziehe mich konkret auf die Pressemitteilung.

    Den Ausdruck „kollektives Schweigen“ finde ich unangebracht. Denn er suggeriert, dass Journalisten in gemeinsamer Absprache etwas unter den Teppich gekehrt oder verschwiegen hätten. Das sehe ich gar nicht so.
    Zum einen war der Auftritt Herrn Götzsche in meinen Augen alles andere als vertrauensfördernd. Seine Beschimpfungen des NICE, des NHS und des NEJM (des „führenden Wissenschaftsmagazins“, wie es in der PM heißt) hätten mich als Journalisten jedenfalls eher erschreckt als überzeugt. Ich würde mich fragen: Wie seriös ist dieser Mann?

    Zum anderen ist mir nicht klar, und es wird auch in der PM nicht klar, finde ich, worum es in diesem Diskurs eigentlich gehen soll. Folgende Szenarien bieten sich an:
    1. Geht es darum, ob das Screening überhaupt einen Nutzen hat? Wenn nicht müsste man es in der Tat wieder einstellen.
    2. Oder geht es darum, dass zwar ein Nutzen besteht, man die Nutzen-Schaden-Abwägung aber anders gewichtet als bei Einführung des Programm?
    2.1. Dabei kann man entweder ethisch argumentieren („der Schaden überwiegt den Nutzen“) oder
    2.2. ökonomisch („das Programm lohnt sich nicht“).

    Ich habe nicht wirklich verstanden, welches der Szenarien das DNEbM für diesen Diskurs einfordert. Götzsche hat in seinem Vortrag zwar gesagt, dass die Programme gestoppt werden sollen, aber er hat keine klare Stellung bezogen, welche der Szenarien er befürwortet. Es lief eher auf eine Mischung aus allem hinaus, scheint mir. Die Stellungnahme aus der Schweiz ist da klarer, indem sie dem Screening einen Nutzen attestiert, aber dann ethisch und ökonomisch argumentiert.

    Die Frage ist: Wie lässt sich das auf Deutschland übertragen? Welchen Diskurs soll man also konkret führen? Auch Ingrid Mühlhauser gesteht in ihren Aussagen dem Screening bislang einen Nutzen zu, also ist wohl nicht Szenario 1 gemeint. Die “neuen” Studien sind nach EbM-Lehre in ihrer Aussagekraft schwächer als die Studien, die selbst nach Götzsches Cochrane Review einen Nutzen belegen. Szenario 2.2. spielt in der bisherigen Gesundheitspolitik keine Rolle. Wenn das DNEbM dieses Fass aufmachen möchte, stünde es sehr schnell am Pranger, weil es aus Kostengründen jährlich hunderte Frauenleben opfert. Deshalb vermute ich, dass das DNEbM diese Diskussion nicht führen und schon gar nicht eröffnen möchte.

    Läuft es also auf Szenario 2.1. hinaus? Ich denke, hier sind sich inzwischen alle einig, dass die Teilnahme oder Nichtteilnahme eine Werteabwägung zwischen Nutzen und Schaden ist, die den Frauen überlassen bleiben sollte. Genau dies ist seit vielen Jahren die Politik der Kooperationsgemeinschaft Mammographie, des GBA, des ÄZQ, der Krebshilfe, der Krebsgesellschaft, des KID und anderer. Will das DNEbM hier wirklich eine paternalistische Haltung einnehmen und für die Frauen diese Werteentscheidung treffen?

    Was also realistischerweise bleibt, ist die Frage, ob und wie diese Entscheidungsfindung verbessert werden kann. Wie Herr Gigerenzer pauschale Vorwürfe zu perpetuieren und zu ignorieren, dass es in den vergangenen Jahren Fortschritte beim Informieren der Frauen gab, halte ich hier eher für kontraproduktiv. Ich denke, dass die offiziellen Aufklärungsbroschüren eine gute Qualität haben, wenn man sie an den geforderten Standards misst. Zudem fühlen sich die meisten Frauen laut Untersuchung von Dierks und Schmacke auch über mögliche Schäden gut informiert und aufgeklärt. Ich vermissen in der Kritik deshalb konkrete Vorschläge, wie man die Materialien verbessern könnte.

    Als Mitglied des Fachbereichs Patienteninformation im DNEbM ist für mich die spannende Frage: Was heißt eigentlich „verbessern“? Ist das Ziel, gute Informationen anzubieten oder ist das Ziel, dass am Ende jede Nutzerin und jeder Nutzer die Informationen eins zu eins wiedergeben kann? Wenn man den bestehenden Infomaterialien eine gute Qualität bescheinigen möchte, dann gibt es nach der Untersuchung von Dierks und Schmacke bei vielen Frauen offenbar die Haltung eines „Sich-die-Maßnahme-schönreden-wollen“. Ich habe das Gefühl, wir müssten darüber nachdenken, ob das nicht auch eine Haltung ist, die man zur Kenntnis nehmen und vielleicht auch tolerieren müsste, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Dann käme zum Recht der Patienten auf „Nicht-behandelt-werden-wollen“ und auf „Nicht-wissen-wollen“ noch das Recht auf „Sich-etwas-schönreden-wollen“ hinzu.
    Dr. Christian Weymayr
    (www.christian-weymayr.de)

    Interessenkonflikt: Ich habe gegen Honorar Informationsmaterialien für die Kooperationsgemeinschaft Mammographie sowie das Merkblatt zum Mammographie-Screening als Sachverständiger im Gemeinsamen Bundesausschuss verfasst.

  3. #3 Ludger
    10. Mai 2014

    Wir Gynaekologen stehen dem Mammographiescreening wohlwollend gegenüber, so jedenfalls die mir zur Zeit bekannte Empfehlung des Berufsverbandes. Bei mir ist das so. Das liegt nicht nur an der derzeitigen Rechtsprechung:

    https://www.jm.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseOLGs/archiv/2013_02_Archiv/09_09_2013/index.php
    Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Klagebegehren weitgehend entsprochen und der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 € zugesprochen. Der Beklagte hafte, weil er der Klägerin nicht bereits bei der Vorsorgeuntersuchung im Jahre 2008 zur Teilnahme an einem Mammographiescreening geraten habe. Zu dieser Zeit sei eine Mammographie als einzig sichere Methode zur Senkung des Mortalitätsrisikos anerkannt gewesen.

    Das Mammographiescreening hat gegenüber der Diagnostik vor mehr als 10 Jahren einige Vorteile:
    1.) Die Verantwortung, eine Mammographie zu veranlassen, liegt bei den 50 – 80-jährigen Frauen nicht mehr beim Gynaekologen sondern bei den Frauen selber. Dadurch sind die Gynaekologen etwas von dem Vorwurf entlastet, ein Mamma-Ca. bei der Vorsorge übersehen zu haben.
    2.) Die Mammographie wird heute immer mit einem digitalen Verfahren gemacht und nicht mehr mit der alten Filmtechnik. Dadurch sind digitale Bildverarbeitungsverfahren möglich, auch zur Erkennung von Mikrokalk und Befunddiskussionen. Parallele Doppelt-Befundungen sind vorgeschrieben und Routine. Das scheint Sensitivität und Spezifität der Methode verbessert zu haben.
    3. ) Gewebsproben werden fast ausschließlich ambulant und in örtlicher Betäubung durch gezielte Hochgeschwindigkeitsstanzen gewonnen. Offene Biopsien kommen kaum noch vor.
    4.) Die histologischen Befunde sind standardisiert. Um Mamma-Biopsate befunden zu dürfen, muss der Facharzt für Pathologie eine Zusatzausbildung und eine gesonderte Zulassung haben.
    5.) Therapieempfehlungen werden in interdisziplinären Konferenzen diskutiert und beschlossen.
    Sie merken: diese Punkte haben nichts / wenig mit einer Verbesserung der Brustkrebsmortalität zu tun. Trotzdem bringt das Mammographiescreening eine gefühlte Besserung der Situation. Oder auch “Verschlechterung”: Bei der zuständigen Oberärztin einer Universitätsfrauenklinik hat sich die Verwaltung erkundigt / beschwert (wie sie uns mündlich mitteilte), warum es rückläufige Zahlen bei der (finanziell sehr lukrativen) adjuvanten zytostatischen Behandlung gebe. Die Ursache sei darin begründet, dass durch das Screening zunehmend Frauen mit sehr frühen Tumorstadien zur Behandlung kämen, bei denen sich eine adjuvante zytostatische Therapie erübrige.
    Ein wirkliches Problem ist das DCIS, also das vom Milchgang (Ductus – D) ausgehende Karzinon (Carcinoma – C) am Entstehungsort (in situ – IS), also Krebszellverbände, welche die Basalmembran zum Bindegewebe hin noch nicht durchbrochen haben. Diese DCIS pressen sich wie ein Bratwurstbrät in der Pelle in das verzweigte Milchgangsystem hinein. Man weiß nicht sicher, ob und wann und wo ein Einbruch ins Gewebe passiert. Die Entstehung eines invasiven Tumors gibt es zu etwa 50%, die anderen 50% bleiben gesund. Bei einer brusterhaltenden Therapie weiß man nie 100%ig , ob man auch die letzten Ausläufer erwischt hat, eine Strahlentherapie senkt das Entstehungsrisiko eines invasiven Tumors aus so einem Ausläufer auch nur um weitere ca. 50%. eine adjuvante Zytostase scheint ineffektiv zu sein, bleibt die adjuvante Behandlung mit dem Antiöstrogen Tamoxifen.
    Die begrenzte Effektivität des Mammographiescreenings war schon vor der Einführung bekannt. Wenn 1000 Frauen sich zwischen 50 und 70 Jahren alle zwei Jahre im Screening untersuchen lassen (entspricht 10.000 Mammographien), kann man die Brustkrebssterblichkeit größenordnungsmäßig von 3,6 Frauen auf 2,9 Frauen vermindern, hat also 0,7 Frauen das Leben gerettet. Man muss das aber mal hochrechnen auf die Bundesrepublik! Ziel ist es, die Brustkrebssterblichkeit in dieser Altersgruppe um 25% zu vermindern. Ob das gelingt, kann man angeblich nur nachweisen, wenn mindestens 75% aller Frauen im fraglichen Alter am Screening teilnehmen, weil die Statistik bei den zu erwartenden Effekten eine zu geringe Power habe.
    Zusammenfassend ist das Mammographiescreening zur Zeit das Beste, was wir haben, aber noch lange nicht eine Lösung des Brustkrebsproblems.
    Disclaimer: Es handelt sich bei dem Beitrag um meine (derzeitige-vorläufige) Meinung, nicht um eine Arbeit mit wissenschaftlichen Anspruch. Das ist das, was ich im Hinterkopf habe, wenn ich arbeite. Für fundierte Korrekturen bin ich immer dankbar.

  4. #4 Ludger
    10. Mai 2014

    Korrektur:
    “1.) Die Verantwortung, eine Mammographie zu veranlassen, liegt bei den 50 – 80-jährigen Frauen”
    muss heißen:
    “50 – 70-jährigen”

  5. #5 Marcus Anhäuser
    10. Mai 2014

    Mal eine Frage: Gibt es eigentlich so einen Art Entscheidungsbaum für Frauen, an dem sie Fragen auf ihre Antworten finden, und an dem sie sich entlang hangeln können, um so zu einer Antwort zu kommen, ob das für sie was bringt oder nicht?

  6. #6 Christian Weymayr
    10. Mai 2014

    @ Marcus
    Meines Wissens nicht. Frauen mit Vorbelastung fallen ohnehin nicht unter das normale Screening. Ansonsten gibt es keine Risikofaktoren, die klar für oder gegen ein Screening sprechen und deshalb so einen Entscheidungsbaum sinnvoll machen würden. Man kann also letztlich nur die Nutzen- und die Schadenaspekte auflisten, um den Frauen die Möglichkeit zu geben, sie dann selbst zu gewichten. Und das tun die Informationsmaterialien der Institutionen, die ich oben genannt habe.

  7. #7 Ursula
    12. Mai 2014

    Ich finde diese Situation sehr unbefriedigend. Die gleiche Diskussion läuft auch bei uns in Österreich. Als betroffene Frau (50+) und einigen Brustkrebsfällen in der Familie (1 tödlicher Verlauf) bin ich mittlerweile sehr verunsichert. Eine eindeutige Empfehlung würde mir sehr helfen. Letztes Screening war erst vor Kurzem, mit einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis, so nicht ein falsch negativer Befund. Apropos “Falsch negativ”, drüber wird weniger berichtet als über “Falsch positiv”.

  8. #8 Ludger
    12. Mai 2014

    Ursula #7: “… betroffene Frau (50+) und einigen Brustkrebsfällen in der Familie …”

    Hallo Ursula!
    Für Sie gibt es auch außerhalb des Screenings hinreichende Gründe für regelmäßige Untersuchungen inclusive Mammographie. Die Häufigkeit der Mammograpgie und die Art der Begleituntersuchungen sollten Sie mit der Ärztin/Arzt Ihres Vertrauens besprechen.
    MfG Ludger

  9. #9 Bilbao
    14. Mai 2014

    @ Ursula. # 7
    Ich bin zwar kein Gynäkologe oder Radiologe, wundere mich aber, dass die Magnet – Resonanztomografie (MRT) zur Mammografie auch von den kommentierenden Fachleuten bisher mit keinem Wort erwähnt wurde. Fragen Sie da vielleicht einfach noch einmal nach. Sie ist der Roentgen- Mammografie deutlich in der von Ihnen nachgefragten Richtigkeit der diagnostischen Aussage überlegen, ohne deren bekannten Strahlenrisiken. Dass die Leitlinien des Screenings darüber schweigen, hat möglicherweise ökonomische Gruende. Die gesetzlichen Krankenkassen wollen wohl auch nicht das 4 – fache dafür bezahlen.

  10. #10 Ludger
    14. Mai 2014

    Eine Verbesserung der Bruistkrebssterblichkeit wurde für das MRT bisher nicht nachgewiesen. Die höhere Entdeckungswahrscheinlichkeit (“Sensitivität”) wird mit einer deutlich schlechteren Trefferquote (“Spezifität”) erkauft. Von meinen Patientinnen fahren häufiger welche zum MRT in eine weiter entfernte Stadt zu einer “Spezialpraxis”. Dort macht man regelmäßig gleich die Stanzen aus den verdächtigen Bezirken, viel häufiger als nach Mammographie. Das mag in Einzelfällen sinnvoll sein. Für diese Entscheidung braucht es aber eine individuelle Beratung. Grundlage dafür ist z.B. der ACR-Wert. ( https://www.brustkrebsverlauf.info/bi-rads.htm ). Der Ratschlag von “Bilbao” ist insofern mit Vorbehalt zu genießen, als er gerade eine kleine Streitigkeit mit Joseph Kuhn hat.

  11. #11 Ursula
    14. Mai 2014

    @ Bilbao
    Ich habe keinerlei Angst vor einer Strahlendosis, die Untersuchung findet doch maximal 1x pro Jahr statt, zeitgleich wird auch eine Sonografie gemacht. Wozu auch noch MTR?
    Meine Ängste und wohl auch die vieler anderer Frauen sind, dass der Krebs möglicherweise nicht früh genug erkannt wird, bzw. wie ich oben schon schrieb, vor einem falsch negativem Befund. Die Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieser Brustkrebs Vorsorge schwirrt schon einige Jahre durch die Medien, mit z. T. harrsträubender Berichterstattung von der Huschi-Wuschi Fraktion und dementsprechenden “Alternativvorschlägen”. Letztendlich hab ich für mich beschlossen, dass die Mammografie fixer und sinnvoller Bestandteil meiner Vorsorgeuntersuchung ist.
    @Ludger
    Danke, glücklicherweise habe ich Ärzte und Ärztinen, die mein volles Vertrauen haben und auch Tacheles reden können.
    Ach ja, die Diskussion, zwischen Bilbao und Josef Kuhn hab ich mitverfolgt. Wer heutzutage noch in Zweifel zieht, wie großen Schaden das passiv Rauchen nach sich zieht, hat bei mir jede Glaubwürdigkeit verspielt.

  12. #12 Bilbao
    14. Mai 2014

    @Ursula #11
    Googeln Sie mal unter MRT – Mammografie. Dort finden Sie eingehendere, unverdächtige Informationen, deren wissenschaftlicher Hintergrund nichts mit Passivrauchen oder einseitiger Ausblendung von Wissenschaftsergebnissen zu tun hat.

  13. #13 Ursula
    14. Mai 2014

    @ Bilbao
    Es stimmt schon, ihr Diskussionsverhalten und ihre Argumentation andernorts hat nun wirklich nichts mit der Beurteilung über die Sinnhaftigkeit einer MRT Mammografie zu tun.

  14. #14 Ludger
    14. Mai 2014

    Bilbao #12: “Googeln Sie mal unter MRT[…]”

    Die o.a. “Spezialpraxis” ist 200 km weit weg und arbeitet nicht auf Kassenüberweisung. Der erste Satz auf ihrer Homepage zum Thema Mamma-MRT lautet:

    Die Mamma-MRT stellt inzwischen das beste Verfahren für den Nachweis von Brustkrebs dar.

    Das ist reines Marketing. Ich nehme an, dass es auch andere “Spezialpraxen” so halten. Wenn man nach Mamma-MRT googelt, wird man das Mamma-MRT überwiegend ( und unkritisch aber lukrativ ) empfohlen bekommen. “Leitlinien” werden übrigens nicht vom Gesundheitsminister oder von der Krankenkasse gemacht. In eine “Leitlinie” fließen die weltweit durchgeführten Statistiken ein. Die Empfehlungen werden interdisziplinär beschlossen und bekommt dann ein Level of Evidence. Wie gesagt, ist dass Mamma-MRT nur bei Spezialindikationen sinnvoll. Ob die vorliegen, muss man in Einzelfall abklären.
    Zur weiteren Lektüre habe ich einen Link zu einer “Patientenleitlinie” https://leitlinienprogramm-onkologie.de/uploads/tx_sbdownloader/Patientenleitlinie_Brustkrebs_Frueherkennung.pdf
    Die Herausgeber sind vertrauenswürdig. Die Fragen zur Erblichkeit sind im Fragebogen sehr weit gefasst und sollen den Grund für eine spezielle Beratung erfragen. Einen hochradigen Verdacht auf “erblichen Brustkrebs” gibt es, wenn ein Familienmitglied vor dem 30. LJ erkrankte, wenn ein Familienmitglied doppelseitig vor dem 40. LJ, oder zwei Familienmitglieder vor dem 40. LJ oder wenn ein männliches Familienmitglied an Brustkrebs erkrankte. Wer dann eventuell die Gentests auf BRCA 1 oder BRCA2 bezahlt und eventuell auch die MRTs und was man dann weiter tun soll, das sind Entscheidungsprozesse, bei denen man Hilfe in Zentren braucht. In Deutschland sind das die Humangenetischen Institute der Uni-Kliniken in Zusammenarbeit mit den Uni-Radiologien und den Uni-Frauenkliniken. Vor privat durchgeführten Gentests wird gewarnt.

  15. #15 Ursula
    14. Mai 2014

    @ Ludger
    Danke für den Link. Ich hab soviel im Inet recherchiert, so viel Schwachsinn gelesen, mir unglaublich viel Blödsinn von “Esoterikern” unterschiedlichster Ausprägung angehört, die Leitlinien hab ich übersehen, bzw. nicht gewusst, was dahinter steht. Werde mir das jetzt intensiv zu Gemüte führen.

  16. #16 Bilbao
    14. Mai 2014

    @Ludger # 14
    ich glaube, dass sich Ursula damit jetzt ganz gut ein Bild machen kann.

  17. #17 hubert taber
    18. Mai 2014

    merkel : gesundheit ohne abstrich.

    und für diejenigen, denen die geistige gesundheit wichtig ist :
    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/05/12/die-perfekte-theorie-die-komplette-rezension

    mfg. hubert taber

  18. #18 Joseph Kuhn
    18. Mai 2014

    @ hubert taber:

    Es wäre hilfreich, wenn Sie den Zusammenhang zwischen Ihrem Post und dem Blogthema erläutern würden, so ist mir und vermutlich auch anderen Leser/innen die Assoziationskluft zu groß.

  19. #19 hubert taber
    18. Mai 2014

    die erläuterung :
    es gibt neben der körperlichen gesundheit auch die geistige gesundheit.

    die morbidität der von mir erwähnten inkompetenten “experten” würden fachärzte mit 100% bewerten.

    zur geistigen gesundheit gehört auch, ein bonmot (die einleitung) als solches zu erkennen.
    und das blogthema, unabhängig vom jeweiligen thread, ist die gesundheit.

    mfg. hubert taber

  20. #20 Adent
    19. Mai 2014

    @Hubert Taber
    Ich habs immer noch nicht verstanden.

    es gibt neben der körperlichen gesundheit auch die geistige gesundheit.

    Ja, das stimmt erstmal, aber was wollen sie uns damit sagen?
    1. Wo erwähnen sie inkompetente Experten und wieso sind die alle schon gestorben?
    2. Seit wann ist das Blogthema bei Astrodicticum simplex die Gesundheit?
    Wenn ich hier einen Link zur Formel 1 (oder zum Fußball, oder zu GNTM) reinkpopieren würde hätte das in etwa genausoviel mit dem hiesigen Blogthema zu tun wie ihr Post, oder?

  21. #21 Ursula
    19. Mai 2014

    @ Joseph Kuhn
    Assoziationsgrandcanyon…
    Aber irgendwie lustig, ich hab lachen müssen, und das ist der Gesundheit zuträglich heißt es doch:-)

  22. #22 hubert taber
    15. Juni 2014

    sind eure “antworten” auf demenz rückführbar oder schon auf tollwut ?

    hier noch ein link, betreffend die geistige gesundheit :
    https://cdvolko.blogspot.co.at/2014/06/godels-unvollstandigkeitssatze-einfach.html

    mfg. hubert taber

  23. #23 Joseph Kuhn
    16. Juni 2014

    ‘sind eure “antworten” auf demenz rückführbar oder schon auf tollwut ?’

    Tollwood, glaube ich, obwohl das erst am 2.7. anfängt.

    Ansonsten empfehle ich Ihnen diesen Thread:
    https://scienceblogs.de/primaklima/2014/06/13/politik-als-beruf-der-neue-dies-und-das/
    Da passen Ihre Links und unvollständigen Sätze besser.

  24. #24 Hans-Werner Bertelsen
    18. Juni 2014

    Herrlich! Ich habe Schluckauf bekommen vom Lachen!

    Maschinen sind Trumpf in Deutschland. Nicht lange reden, Nähe vermeiden und hinein in die Röhre oder unter das Gerät und zwar bevor körperlich untersucht wird, bitteschön. Die jährliche Anzahl an MRT-Untersuchungen von Köln? Dafür brauchen die Franzosen das ganze Land.
    Sind die etwa völlig gewissenlos?

    https://www.dr-bertelsen.de/documents/DZW_39-13_05-06.pdf

    Der angenehme volkswirtschaftliche Nebeneffekt: Mit Röhren und Geräten steigert man gleichzeitig die Nachfrage bei Scharlatanen. Weil reden ja doch nicht schlecht ist, obwohl es hundsmiserabel bezahlt wird. Aber dafür bieten Ärztekammern Homöopathiekurse und das Anfassen der Patienten, also die Be-hand-lung wird in Kinesiologie-Kursen vermittelt. So können wir alle zufrieden sein.

  25. #25 hubert taber
    18. Juni 2014

    schluckauf beim lachen sind erste anzeichen von morbus creutzfeldt-jakob.
    später wird wirr gesprochen.

    empfehlung : weniger beef tartar.
    und versuchen komplexe probleme zu lösen.

  26. #26 Hans-Werner Bertelsen
    20. Juni 2014

    Die neuen Untersuchungen sprechen eine deutliche Sprache und bestätigen die Aussagen von Prof. Gigerenzer (“Risiko”).

    https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/MammografieScreening-Kein-Nutzen-nur-Schaden/story/23681829

    Jetzt wird es sehr schwer für die Befürworter des Massen-Screenings.

  27. #27 Ursula
    20. Juni 2014

    @ Hans-Werner Bertelsen
    Das sind genau die G’chichtln die ich so “liebe”.
    Mehr zur Verunsicherung betroffener Frauen kann man wirklich nicht mehr beitragen.
    Dass es keine 100% Sicherheit geben kann – geschenkt!
    Dass letzendlich ich selbst entscheiden muss – auch geschenkt!
    Nur verdammt noch mal auf Basis welcher Daten, wenn die Widersprüche so massiv sind.
    Ansonsten darauf hoffen, dass mein Gefühl, mein Tastsinn und der meines Gynäkologen gut genug ausgeprägt sind um auch so einen Tumor zu entdecken?
    Wozu haben wir denn bildgebende Verfahren in der Medizin?
    Trotzdem nächstes Jahr werd ich wieder zur Mammografie gehen.

  28. #28 Hans-Werner Bertelsen
    20. Juni 2014

    Die Ergebnisse der aktuellen Studie von Prof. Jüni (Bern) basiert auf einer sehr großen Anzahl von Fällen. Ich denke, eine Verunsicherung ist überflüssig.

  29. #29 Ursula
    20. Juni 2014

    Die Ergebnisse der aktuellen Studie von Prof. Jüni (Bern) basiert auf einer sehr großen Anzahl von Fällen. Ich denke, eine Verunsicherung ist überflüssig.

    Ja, ich hab das sehr wohl gelesen, und gibt mir naürlich auch zu denken. Ich werde versuchen mich am Laufenden zu halten. Mal sehen. Jedenfalls danke für die Verlinkung.

  30. #30 Hans-Werner Bertelsen
    20. Juni 2014

    Hier ist der Bericht von “Monitor”

    https://www.wdr.de/tv/monitor/

    Ab 18:30

  31. #31 Hans-Werner Bertelsen
    23. Juni 2014
  32. #32 Thorsten Heitzmann
    23. Juni 2014

    @ # 20 Adent
    Begriffsbestimmung :
    morbide = sittlicher und geistiger Verfall.
    Unter Morbidität verstehen Ärzte den prozentualen Anteil von Kranken in der Gesamtbevölkerung.
    Was also faselst Du von Verstorbenen ?

    Und den in den Links angegebenen Grundlagenforschern kam tatsächlich die geistige Gesundheit abhanden.

  33. #33 Hans-Werner Bertelsen
    24. Juli 2014

    Weitere Fakten im aktuellen Spiegel (30/2014): “Unsinn in bester Qualität”: https://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/2014/30/128239351

  34. #34 Hans-Werner Bertelsen
    1. August 2014

    Damit Zweifler nicht mehr zweifeln müssen:

    https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMp1401875

    Damit dürfte es eng werden für die systematische Mammographie…

  35. #35 Joseph Kuhn
    1. August 2014
  36. #36 rolak
    23. Mai 2019

    Zum (nur zeitlich leicht angestaubten) Thema passend schrieb heute Jann Bellamy auf SBM: FDA should pull the plug on thermography.

  37. […] die Kosten für die Untersuchungen übernehmen. Dabei sind besondere Untersuchungen im Rahmen der Brustkrebsfrüherkennung, Darmspiegelungen oder […]