Massenaussterben sind fies. Einmal natürlich, weil dabei jede Menge Lebewesen den Löffel abgeben. Aber auch, weil sich die Wissenschaftler seit Jahrzehnten nicht darauf einigen können, ob diese katastrophalen Ereignissen rein zufällig oder nach einem gewissen Rhythmus stattfinden. Angefangen hat das ganze in den 1980er Jahren. Ich habe die Geschichte hier beschrieben: Geologische und fossile Daten haben damals nahegelegt, dass Massensterben seltsamerweise nicht einfach irgendwann in der Vergangenheit der Erde stattgefunden haben, sondern im Abstand von 26 Millionen Jahren. Daraus entwickelte sich die Nemesis-Hypothese: Unsere Sonne ist nicht alleine, sondern eigentlich Teil eines Doppelsternsystems. Ihr Begleiter, der Stern Nemesis, sollte alle 26 Millionen der Sonne vergleichsweise nahe kommen und mit seiner Gravitationskraft die Kometen in Oortschen Wolke so durcheinander bringen, dass mehr von ihnen als üblich ins innere Sonnensystem gelangen und dort mit der Erde kollidieren.
Entdeckt hat man Nemesis noch nicht. Aber das heißt nicht, das er nicht existiert. Um so einen fernen Begleitsstern einwandfrei zu identifizieren muss man sehr viele Beobachtungen und Messungen machen; die Abständen von hundertttausenden Sternen bestimmen, usw. Das ist aufwendig und es ist durchaus möglich, das uns Nemesis bis jetzt entwischt ist (obwohl es langsam knapp wird: Teleskope wie GAIA sollten ihn bald finden, wenn er da ist). Aber es gäbe neben Nemesis auch andere Mechanismen, die für periodische Massensterben sorgen können. Die Sonne bewegt sich auf ihrem Umlauf um das Zentrum der Milchstraße nicht immer in der gleichen Ebene, sondern in einer Art Wellenbewegung auf und ab. Dabei durchquert sie in regelmäßigen Abständen Bereiche unserer Galaxie in denen sich mehr interstellare Materie befindet als anderswo, was ebenfalls zu Störungen der Kometen in der Oortschen Wolke führen kann.
Aber bevor man sich über einen Mechanismus Gedanken machen kann, muss man zuerst einmal einwandfrei nachweisen, dass da überhaupt ein Phänomen ist, zu dessen Erklärung ein Mechanismus nötig ist. Und das ist in diesen Fall schwierig. Sowohl die Daten über Einschlagskrater auf der Erde als auch die fossile Spuren aus denen sich Informationen über Massensterben nachweisen lassen, sind schwer zu bekommen und vor allem lückenhaft. Krater verschwinden im Laufe der Zeit; werden erodiert oder durch geologische Vorgänge zerstört. Für Fossilien gilt das gleiche. Wir haben zwar jede Menge Daten; wir wissen aber nicht, was uns an Daten noch fehlt. Und mit lückenhaften Datenreihen wird Statistik kompliziert.
2011 beispielsweise präsentierten Wissenschaftler eine neue statistische Auswertung die zeigte, dass Asteroiden doch nicht periodisch auf der Erde einzuschlagen scheinen. Und vor wenigen Tagen haben amerikanische Forscher eine Arbeit veröffentlicht (“Periodic impact cratering and extinction events over the last 260 million years”) die genau das Gegenteil besagt. Michael Rampino von der New York University und Ken Caldeira haben die vorhanden Daten noch einmal neu ausgewertet. Und mit neuen Daten gearbeitet – denn natürlich ändern sich im Laufe der Zeit auch die Methoden, mit denen man zum Beispiel das Alter von Einschlagskratern bestimmt. Heute wissen wir viel besser und genauer Bescheid, wie alt diese geologischen Struktur sind als früher. Rampino und Caldeira haben für ihre Analyse nur die Daten genommen, bei denen der Fehler in der Altersbestimmung gering ist; das ganze mit neuen statistischen Methoden analysiert und kamen dabei zu dem Ergebnis, dass Asteroideneinschläge mit einer Periode von 25,8 Millionen Jahre stattfinden. Mit den gleichen Methoden analysierten sie die fossilen Daten und fanden eine Periode bei den Massensterben von 27 Millionen Jahren. Und beide stimmten gut überein, wie dieses Diagramm aus der Arbeit zeigt:
Die durchgezogene Linie gibt die Menge an Kratern an, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Und die Pfeile zeigen die Zeitpunkte an, an denen es Massensterben gab. Die Wissenschaftler haben auch nachgesehen, ob sich an dem Ergebnis etwas ändert, wenn man den prominentesten Krater aus der Datenreihe entfernt: Den Chixulub-Krater der vor 65 Millionen Jahren entstand als u.a. die Dinosaurier ausgestorben sind. Aber auch ohne diese gesicherte Verbindung zwischen Asteroideneinschlag und Massensterben bleibt die Periodizität von 26 Millionen Jahren bestehen.
Kommentare (44)