Das war zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich und diese Universalität bei der Beschreibung der Natur sollte erst im 17. Jahrhunder mit Isaac Newton ihren eigentlich Durchbruch erleben. Newton zeigte, dass die gleichen Kräfte, die einen Apfel vom Baum zu Boden fallen lassen, auch die Bewegung der Himmelskörper im Universum bestimmen und hat so eine umfassende universale Beschreibung der Natur geschaffen. So wie Grosseteste es in seiner Arbeit über das Licht und die Entstehung der kristallenen Sphären getan hat.
Und dass es sich dabei nicht nur verworrene Gedanken sondern eine in sich konsistente Theorie gehandelt hat, lässt sich sogar zeigen. Ein Team aus Historiker, Geisteswissenschaftlern, Mathematikern und Astronomen hat die Arbeit von Grosseteste ganz genau analysiert und soweit es möglich war, in eine moderne wissenschaftliche Sprache übersetzt. Was der Bischof aus Lincoln in mittelalterlichen Latein über die Ausbreitung von Licht und die Wechselwirkung mit der Materie aufgeschrieben hatte, konnte so in mathematischen Formeln ausgedrückt werden. Und die Entstehung des Kosmos mit seinen Kristallsphären konnte man so am Computer simulieren und beobachten.
Dabei zeigte sich, dass es extrem auf die Anfangsbedingungen ankommt. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie man lux und lumen ein Universum bilden lassen kann und die meisten davon führen nicht zum gewünschten Resultat. Da gibt es dann viel zu wenig oder viel zu viele Kristallsphären oder Sphären, die sich gegenseitig durchdringen. Nur in wenigen, speziellen Fällen entsteht tatsächlich das Universum das sich Grosseteste vorgestellt hatte und das dem damaligen Weltbild entsprach. Dass die Computersimulationen einer Theorie aus einem mittelalterlichen Text dieses Ergebnis liefern, ist schon beeindruckend genug und zeigt, wie ausgearbeitet die Vorstellungen von Grosseteste waren. Noch faszinierender aber ist, dass sich mit seinem Modell von lux und lumen nicht nur ein einziges Universum beschreiben lässt, sondern viele verschiedene. Auch damit ähnelt es der modernen Kosmologie: Auch hier kommt es darauf an, welche Anfangsbedingungen man wählt. Die grundlegenden Konstanten in unserem Universum müssen ganz bestimmte Werte haben, ansonsten entsteht ein Kosmos, der nichts mit dem unseren zu tun hat. Und genau wie bei Grosseteste lassen sich auch mit den modernen kosmologischen Theorien viele Universen beschreiben und nicht nur ein einziges.
Wie gesagt: Man darf nicht den Fehler machen und glauben, der Theologe aus dem Mittelalter hätte damals schon die Gedanken der Gegenwart vorweg genommen. Robert Grosseteste hat weder den Urknall, noch die Expansion des Alls und auch nicht eine Multiversums-Theorie vorhergesagt. Seine Thesen waren voll und ganz in der damaligen Zeit verhaftet. Aber er hat gezeigt, dass es möglich ist, eine Theorie zu schaffen, mit der sich die Enstehung des Universums beschreiben lässt. Eine Theorie, die in sich konsistent ist und keine mythologische inspirierte Fantasie. Eine Theorie, die viele grundlegenden Prinzipien der späteren wissenschaftlichen Methodik andeutet und vorweg nimmt. Grosseteste hat sich bemüht, die Welt um ihn herum physikalisch zu erklären und nicht theologisch – und gezeigt, dass das Mittelalter nicht ganz so dunkel war, wie man vielleicht glauben möchte…
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