Facebook ist für mich ein sehr gutes Instrument um eine möglichst große Menge an Leuten mit meiner Arbeit zu erreichen. Es ist dort extrem leicht, Informationen zu verbreiten und eigentlich ein idealer Kommunikationskanal für Wissenschaft. Leider ist es aber auch genau so leicht, Unsinn zu verbreiten und genau das geschieht auf Facebook in einem Ausmaß, das erschreckend ist. Ein Klick auf “Teilen” reicht, und schon hat ein Bild oder ein Text wieder ein Stück mehr Aufmerksamkeit bekommen. Da macht man sich nicht immer die Mühe, vor dem Klicken auch zu Überlegen, ob das, was man da teilt, überhaupt wahr ist oder nur Unfug. Aktuell verbreitet sich beispielsweise ausgehend von der Fan-Seite eines CSU-Politikers eine Meldung über den “Wintermarkt” am Münchner Flughafen:
“Eigentlich mag man es gar nicht glauben! Es meint wohl auch der Flughafen der Landeshauptstadt München aus dem traditionellen Christkindlmarkt oder dem Weihnachtsmarkt einen “Wintermarkt” machen zu müssen… Völlig daneben! Toleranz gegenüber Traditionen und Religionen bedeutet NICHT, gerade diese preiszugeben, sondern sie anzunehmen! Viele ausländischen Gäste kommen gerade deshalb gerne nach Bayern, weil es hier eben noch Traditionen zu erleben gibt.”
Ja, da kann man sich schon drüber aufregen, nicht wahr? Da wird der schöne deutsche “Weihnachtsmarkt” einfach in “Wintermarkt” umbenannt, nur damit man die Gefühle der Andersgläubigen nicht verletzt. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir unsere eigenen Traditionen so verleugnen!
Nur: Die ganze Geschichte ist 1) völliger Unsinn. Und war das 2) auch schon letztes Jahr, als diese Geschichte, die nun wieder auftaucht, erstmals verbreitet wurde. Schon damals hat der Flughafen München eine entsprechende Stellungnahme veröffentlicht und erklärt, was es damit auf sich hat:
“Der alljährliche Markt im München Airport Center wird bereits seit dem Jahr 2006 unter dem Namen Wintermarkt veranstaltet. Der Grund für diese Benennung war seinerzeit, dass die Öffnungszeiten des Marktes im MAC verlängert wurden. So blieben die Stände im MAC in der Saison 2006/2007 erstmals bis zum 7. Januar offen – und damit zwei Wochen länger als die klassischen Weihnachtsmärkte. Mit der neuen Bezeichnung sollte sichergestellt werden, dass der Wintermarkt am Flughafen mit seiner längeren Öffnungsdauer von den Weihnachtsmärkten unterschieden wird.”
Also kein Kniefall vor der angeblich so bösen politischen Korrektheit, sondern ein guter Grund für den Namen “Wintermarkt” und ein Ereignis, über das sich seit fast 10 Jahren niemand aufgeregt hat.
Aktuell wurde diese “Information” von der Facebook-Seite des Anonymous Kollektiv verbreitet. Die halten viele Leute für diese “mutigen Internetaktivisten”, die gegen alles Schlechte im Netz kämpfen… Aber zumindest die Typen, die diese Seite betreiben sind nur rechte Deppen, die jede Gelegenheit nutzen um ein wenig zu hetzen und Verschwörungstheorien zu verbreiten- und das mit Erfolg. Die Story vom Wintermarkt am Münchner Flughafen die “Anonymous” kürzlich wieder verbreitet hat, wurde schon zehntausende Male geteilt und geliked. Und natürlich haben sich Unmengen an Facebook-Usern, teilweise mit erschreckend ausländerfeindlichen Kommentaren, über den “Skandal” in München aufgeregt.
Die Geschichte vom Wintermarkt ist nur eine von vielen unsinnigen Falschinformationen, Hoaxes und hetzerischen Artikeln die sich auf Facebook völlig unkritisch und in einem rasenden Tempo verbreiten. Ich will da jetzt auch nicht weiter drauf eingehen. (Es hat mich allerdings erschreckt, dass doch überraschend viele Menschen aus angeblich “humanistischen” bzw. “skeptischen” Gruppierungen diese Nachricht nicht nur weiter verbreitet sondern geteilt und entsprechend kommentiert haben. Kritik an Religion ist durchaus angebracht und wichtig – aber definitiv nicht wenn sie nur als Vorwand für das Ausleben der eigenen Fremdenfeindlichkeit dient!)
Viel wichtiger ist die Frage: Was kann man dagegen tun? Nicht viel, leider. Wenn so eine Meldung erstmal viral durchs Netz jagt, kann man sie nicht mehr einholen. Man kann höchstens noch probieren, den entsprechenden Klarstellungen zu einer ebenso großen Aufmerksamkeit zu helfen. Und hier kann ich euch das Projekt “Zuerst denken – dann klicken” nur sehr dringend ans Herz legen! Mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit und Geduld werden dort Tag für Tag die unsinnigsten Facebook-Falschmeldungen richtig gestellt, die Hintergründe erläutert und entsprechende Recherchen zur Aufklärung durchgeführt. Auf der zugehörigen Internetseite kann man das dann alles ausführlich nachlesen; so wie auch im Fall des Münchner “Wintermarkts”.
“Zuerst denken – dann klicken” ist ein Grundsatz, denn man viel öfter beherzigen sollte. Vor allem dann, wenn ein gedankenloser Klick so schnell so viele Leute beeinflussen kann wie bei Facebook. Ansonsten hilft dann wohl nur noch konsequentes Entfolgen aller Leute, die dieses Prinzip wiederholt nicht beherzigen. Zumindest hilft es der eigenen psychischen Hygiene, wenn man diesen Mist nicht mehr täglich in der eigenen Timeline lesen muss…
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