Denn es muss nicht unbedingt ein Vorbeiflug sein; auch der Einschlag eines größeren Himmelskörpers auf der Erde könnte ausreichend Material ins Weltall schleudern, damit sich daraus ein Ring bilden kann. Man geht davon aus, dass das auf jeden Fall damals bei der Entstehung des Mondes passiert ist, als die Erde mit einem marsgroßen Himmelskörper kollidiert ist. Von diesen Ringen ist aber heute nichts mehr übrig. Ringe sind im Allgemeinen nicht langfristig (d.h. über Milliarden Jahre hinweg) stabil, vor allem nicht so nahe der Sonne. Der Druck der Strahlung pustet die kleinen Staubteilchen fort und die größeren kollidieren immer wieder miteinander, bis sie auch im Laufe der Zeit verschwunden sind. Bei der Entstehung des Mondes war außerdem so viel Material im Orbit, dass sich daraus eben der Mond gebildet hat und der hat mit seiner Gravitationskraft ebenfalls noch ein bisschen “aufgeräumt”.
Aber tun wir mal so, als hätte die Erde irgendwo her genug Material für einen Ring bekommen. Wie würde das dann aussehen? Mit ziemlicher Sicherheit nicht so wie beim Saturn. Einmal, weil die Erdringe eben nicht aus Eis bestehen können und deswegen schwächer leuchten. Aber auch, weil die Erde nicht so viele Monde hat wie der Saturn – und diese ganzen Monde sorgen für die Feinstruktur der Ringe. Die Gravitationskraft der Monde verursacht Lücken in den Ringen; anderswo fokussiert sie das ganze Material zu scharf abgegrenzten Ringstrukturen. Das funktioniert aber nur, wenn ausreichend Monde vorhanden sind, damit das komplizierte Wechselspiel der Resonanzen stattfinden kann.
Bei der Erde hätten wir es eher mit einem diffusen Staubring zu tun. Der wäre – je nach Dichte – zwar immer noch mit freiem Auge zu sehen, aber natürlich nicht so eindrucksvoll wie der des Saturn.
Und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass unser Himmel ringfrei ist. Wir Astronomen hätten ungern große Mengen an hell leuchtendem Staub direkt über der Atmosphäre der Erde. Das würde unsere Beobachtungen enorm erschweren; das ganze Streulicht würde unseren Blick auf den Rest des Universums deutlich verschlechtern. Auch die Raumfahrt hätte keine Freude mit einem Ring aus Felsbrocken, dem man ständig aus dem Weg gehen muss, wenn man die Erde verlassen will. Wie nervig so etwas ist, weiß man spätestens seit dem Projekt West Ford, das Anfang der 1960er Jahre vom amerikanischen Militär durchgeführt worden ist. Damals hat man einen Ring um die Erde erzeugt. Der bestand aus 480 Millionen winzigen Nadeln die knapp 3500 Kilometer über der Erdoberfläche im All ausgebracht wurden. Man wollte einen Ring aus Mini-Antennen erzeugen, um die globale Kommunikation per Funk zu erleichtern. Das hat sogar funktioniert – allerdings nur kurz. Schon wenige Monate nach der Konstruktion des Rings hatten sich die Nadeln so weit verteilt, dass sie für die Datenübertragung nicht mehr brauchbar waren. Seitdem fliegen sie dort oben herum und bilden eine der Hauptquelle des die Raumfahrt störenden Weltraummülls.
Also: Seien wir froh darüber, dass die Erde keine Ringe hat. Denn so ist es uns möglich, die anderen faszinierenden Ringe im Sonnensystem zu beobachten und mit Raumsonden zu erforschen!
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
Kommentare (38)