Dieser Text entstand eigentlich für ein anderes Medium; aus der Publikation dort wurde dann aber doch nichts weswegen ich ihn nun hier in meinem Blog veröffentliche
Ich bin Wissenschaftsautor. Viele meiner Texte veröffentliche ich ganz klassisch in Zeitungen, Magazinen oder in Büchern. Viele werden aber auch online im Internet publiziert und ich bemühe mich in diesem Fall immer, die Möglichkeiten des Mediums optimal auszunutzen. Multimediale Inhalte wie Videos gehören hier auf jeden Fall dazu. Wenn ich einen längeren Artikel zu einem bestimmten Thema schreibe, dann möchte ich meinen Leserinnen und Lesern gerne auch ein passendes Video anbieten, in dem die Inhalte noch einmal vertieft oder bestimmte Aspekte besonders eindringlich dargestellt werden. Aber wenn ich das versuche, stoße ich immer auf das selbe Problem: Diese Videos existieren nicht.
Zumindest nicht in deutscher Sprache. Als ich vor vielen Jahren anfing, ein eigenes Internetblog zu astronomischen beziehungsweise anderen wissenschaftlichen Themen zu schreiben, habe ich mich ganz bewusst dafür entschieden, meine Texte auf deutsch zu verfassen. Englisch ist zwar die Sprache in der alle Naturwissenschaftler miteinander kommunizieren. Aber meine Zielgruppe waren ja keine anderen Wissenschaftler sondern die Öffentlichkeit und zwar die Öffentlichkeit in Deutschland zu der ich auch ohne Internet einen direkt Kontakt haben kann. Ich will vor allem Menschen erreichen, die bis jetzt noch keinen Zugang zur Astronomie gefunden haben und ihnen zeigen, wie faszinierend die Beschäftigung mit dem Himmel sein kann. Ich will die Menschen erreichen, die Wissenschaft indifferent oder ablehnend gegenüberstehen und ihnen zeigen, wie wichtig die Erkenntnisse der Forschung für uns alle sind. Ich möchte Kinder und Jugendliche erreichen, in der Hoffnung in ihnen eine Begeisterung für die Wissenschaft zu wecken, die ein Leben lang anhält und sie unter Umständen sogar dazu inspiriert, selbst eine Laufbahn in der Forschung einzuschlagen.
Um das zu erreichen muss mein Angebot möglichst direkt sein und darf keine unnötigen Hürden vor dem Publikum aufbauen. Eine Fremdsprache ist aber genau so eine Hürde und jedes Mal wenn ich auf Videosuche gehe stellt sie sich mir erneut in den Weg. Natürlich: Jeder lernt heute in der Schule englisch. Aber nicht alle lernen es gut genug, um auch wissenschaftlichen Erklärungen folgen zu können. Viele Kinder haben die Fremdsprache noch nicht gut genug gelernt und viele Erwachsene haben das Gelernte schon wieder vergessen. So wichtig Englisch auch für die internationale Kommunikation zwischen Forschern ist, so wichtig ist Deutsch hierzulande für die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit!
Was Bücher, Zeitungsartikel und mittlerweile auch Internetblogs angeht, herrscht kaum ein Mangel an passenden Angeboten. Aber bei den Videos sieht die Sache immer noch trostlos aus. Wenn ich bei YouTube nach Material in deutscher Sprache zu einem astronomischen Thema suche, dann bekomme ich als typisches Ergebnis meistens zuerst einmal jede Menge Videos mit Dokumentationen aus dem Fernsehen. In so gut wie allen Fällen wurden die aber nicht von den Fernsehsendern selbst online gestellt sondern von irgendwelchen anonymen Nutzern ohne entsprechende Berechtigung hochgeladen, wodurch ich sie natürlich für meinen Zweck nicht mehr benutzen kann (alleine schon deswegen, weil solche Videos früher oder später gelöscht und damit auch die Verweise in meinen Texten obsolet werden). Handelt es sich um ein Thema, das auch auf den Lehrplänen der Schulen steht, findet man neben den unrechtmäßig kopierten Fernsehsendungen meistens auch Videos die aus Online-Nachhilfekursen, Fernschulen oder ähnlichen Quellen stammen. Dort sieht man dann Leute, die irgendwas auf Tafeln oder Whiteboards schreiben und dabei dem Anlass angemessen seriös und professoral vor sich hin dozieren. Das ganze wird mit einer Kamera und einer einzigen Einstellung gefilmt und der Ton mehr schlecht als recht aufgenommen. So scheint man sich in Deutschland die Vermittlung von Wissenschaft eben immer noch viel zu oft vorzustellen: Frontalunterricht, durchgeführt von einer seriösen Autoritätsperson (die im Allgemeinen männlich und ausreichend alt zu sein hat). Mit Videos dieser Art kann man vielleicht tatsächlich lernen – aber mit Sicherheit weder Begeisterung für die Wissenschaft noch die der Forschung innewohnende Faszination vermitteln.
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