Die dritte große Gruppe der deutschsprachigen Videos die mit Wissenschaft zu tun haben, machen Mitschnitte von öffentlichen Vorträgen aus. Hat man Glück, dann ist es eine offizielle Aufzeichnung und hat man noch mehr Glück, ist sie auch qualitativ hochwertig gefilmt. Problematisch für den Einsatz in der Wissensvermittlung übers Internet ist dann meistens die Länge. Der Vortrag ist zwar im Idealfall spannend und für die Öffentlichkeit verständlich, aber er dauert eben auch seine Zeit. Denn es ist eben ein Video eines öffentlichen Vortrags der auf die Bedürfnisse des Publikums vor Ort zugeschnitten ist und nicht dafür gedacht, Zuseher vor dem Computerbildschirm zu begeistern.
Ein bisschen besser schaffen das die Videomitschnitte der „Science Slams“. Von denen findet man mittlerweile eine große Menge im Internet und dort wird auch ein breites Themenspektrum behandelt. Die fünf bis zehnminütigen Kurzvorträge junger Wissenschaftler werden vor einem meistens ebenso jungem Publikum gehalten. Und da ein Science Slam kein gewöhnlicher Vortrag ist, sondern ein Wettbewerb bei dem es darum geht, die Zuhörer für die eigene Forschung zu begeistern und sie durch eine möglichst packende und originelle Vortragstechnik zu überzeugen, sind die Science Slams zwar nicht optimal, aber doch auch vergleichsweise gut für die Wissensvermittlung über das Internet geeignet. Für mich sind sie im Laufe der Zeit zu der wichtigsten Quelle deutschsprachiger Videos geworden, wenn ich wieder einmal auf der Suche nach multimedialen Inhalten für mein Blog bin.
Aber das alles ist natürlich alles nichts gegen das, was man im englischsprachigen Raum findet! Dort gibt es natürlich ebenfalls jede Menge urheberrechtlich zweifelhafte Kopien von Fernsehsendungen, Schulungsvideos aller Art und mitgeschnittene Vorträge. Aber zusätzlich dazu existiert auch eine nicht zu vernachlässigende Szene an echten Wissenschaftsvideos, die speziell für das Medium Internet und das dort vorhandene Publikum produziert werden. Es handelt sich dabei um professionelle Produktionen in denen echte Wissenschaftler echte Wissenschaft präsentieren und das auf eine Art und Weise, die in der immer noch etwas verschlafenen deutschen Forschungslandschaft mit Skepsis beobachtet wird. Da gibt es keine alten und dozierenden Professoren, keine Tafeln und Hörsäle sondern junge Wissenschaftler, flotte Grafiken und popkulturelle Anspielungen. Es gibt keine stundenlangen Abhandlungen, sondern kurze und knappe Videos die trotzdem genau die richtige Menge an Information liefern um ein Thema spannend zu vermitteln.
Und das mit großem Erfolg! Der Kanal „ASAPScience“ der jede Woche ein neues wissenschaftliches Thema in einem zwei bis fünfminütigen Video vorstellt, hat über 4 Millionen Abonnenten. Die Videos von „MinutePhysics“ in dem physikalische Fragen in wenigen Minuten erklärt werden, hat 3 Millionen Abonnenten und Beiträge wurden auch schon von Fernsehsendern wie NBC oder Online-Medien wie der HuffingtonPost aufgegriffen. Bei „Vsauce“ informieren sich über 9 Millionen Abonnenten über Themen aus Wissenschaft und Technik; bei der britischen Produktion „Numberphile“ lassen sich 1,3 Millionen Zuseher regelmäßig Mathematik erklären und der australische Physiker Derek Muller erreicht mit den Videos seines „Veritasium“-Kanals 2,7 Millionen Menschen (und war im August 2015 sogar Präsentator der Fernsehdokumentation „Uranium: Twisting the Dragon’s Tail“ die vom ZDF übersetzt und als „Uran und der Mensch“ bei Arte ausgestrahlt wurde – ich habe hier darüber berichtet).
Das Publikum für diese Art der Wissensvermittlung wäre sicherlich auch im deutschsprachigen Raum vorhanden. Und vor allem: Es wäre ein Publikum, das sich von den üblichen Zielgruppen unterscheidet! Gerade für junge Menschen spielen die klassischen Wege der Wissensvermittlung immer weniger eine relevante Rolle. Was auf der Wissenschaftsseite der Wochenzeitung steht oder spät Abends im Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens läuft, interessiert dort keinen. Genau so wenig wie öffentliche Vorträge an Universitäten oder dicke Bücher. Genau das merke ich auch selbst bei meiner eigenen Arbeit. Neben Zeitungsartikeln und Büchern (also den etablierten Wegen der Wissensvermittlung) produziere ich seit fast 3 Jahren auch einen eigenen Podcast mit kurzen Geschichten über Astronomie die sich jeder schnell und unkompliziert aufs Smartphone laden und dort anhören kann (zusätzlich kann man den Podcast auch als Video – ohne Bild – bei YouTube konsumieren). Bei der Kommunikation mit dem jeweiligen Publikum stelle ich aber immer wieder fest, dass es da fast keine Überschneidungen gibt. Die Leute, die sich meine Astronomiegeschichten anhören lesen im Allgemeinen weder mein Blog noch meine Bücher. Und die Blog- bzw. Bücherleser hören meinen Podcast kaum. Und vermutlich gibt es ebenso viele potentiell an Wissenschaft interessierte Menschen, die weder lesen noch hören, sondern sich lieber entsprechende Videos dazu ansehen wollen.
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