Am 1. Januar 2015 habe ich die Blogleserinnen und Blogleser im Internationalen Jahr des Lichts willkommen geheißen. Dieses aus astronomischer Sicht natürlich besondere Jahr geht nun langsam zu Ende. Aber keine Sorge! Auch 2016 hat von den Vereinten Nationen wieder eine Jahreswidmung bekommen. 2016 wird das Internationale Jahr der Hülsenfrüchte sein!
Gut, das klingt jetzt vielleicht nicht so spektakulär. Hülsenfrüchte – Erbsen, Bohnen, Linsen und all die anderen Pflanzen dieses Typs – üben nicht unbedingt die gleiche Faszination aus wie die großen Entdeckungen der wissenschaftliche Pioniere die uns das Licht verstehen gelehrt haben. Aber natürlich sind Hülsenfrüchte wichtig und haben durchaus ihr eigenes internationales Jahr verdient. Diese Pflanzen stellen die Grundlage der Ernährung da; und dank ihres hohen Eiweißgehalts sind sie in vielen Regionen dieser Welt von enormer Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung. Hülsenfrüchte wie Klee oder Lupinen können den Stickstoff der Luft wunderbar binden und sie spielen deswegen in der Landwirtschaft und Viehaltung eine wichtige Rolle. Die Welt braucht die Hülsenfrüchte und das Internationale Jahr wird probieren, ihre Bedeutung ensprechend zu vermitteln.
Ich habe aber leider nicht allzuviel Ahnung von der Biologie der Hülsenfrüchte, den Problemen und Chancen der Landwirtschaft und den Fragen der weltweiten Ernährung. Über diese Themen kann ich daher nicht allzu viel mitteilen – aber dafür habe ich Ahnung von Astronomie!
Hülsenfrüchte und die Welt der Sterne scheinen keine wirklich offensichtliche Verbindung zu haben (Was nicht stimmt: Wie ich in meiner gAstronomie-Serie zeige, gibt es jede Menge Zusammenhänge zwischen Nahrung und Astronomie). Aber auch am Himmel finden wir Bohnen, Erbsen und Linsen! Sie eignen sich nicht unbedingt für den Verzehr – sind aber trotzdem enorm interessant!
Da sind zum Beispiel die Erbsen-Galaxien oder Green Pea Galaxies. Die wurden im Jahr 2007 entdeckt und zwar auf eine etwas ungewöhnliche Art und Weise. “Galaxy Zoo” ist ein Citizien-Science-Projekt, bei dem Menschen seit fast 10 Jahren die Eigenschaften von Galaxien untersuchen. Freiwillige aus aller Welt betrachten Bilder aus den Datenbanken der Astronomen und klassifizieren die Galaxien wesentlich genauer als es automatische Algorithmen tun könnten. Und vor allem sind Menschen in der Lage, auf den Bildern neue Dinge zu entdecken! So wie es die Lehrerin Hanny van Arkel im Jahr 2007 tat, als sie ein seltsam grünlich leuchtendes Dingens auf einer der Aufnahmen fand, das heute “Hannys Objekt” heißt und über das ich damals schon geschrieben habe.
Hannys Objekt stellte sich als sogenannter Reflexionsnebel heraus (dazu mehr dann später). Und die vielen Freiwilligen von Galaxy Zoo nahmen diese Entdeckung als Anlass, nach weiteren grünen Dingern auf den Aufnahmen zu suchen. Und fanden auch jede Menge davon, die – damals noch – scherzhaft “Peas”, also “Erbsen” genannt wurden.
Grün ist am Himmel ja eher eine seltene Farbe. In den Bildern des Galaxy-Zoo-Projekts deutet das auf das Vorhandensein von viel stark ionisierten Sauerstoff-Atomen hin. Die geben Licht in einem Wellenlängenbereich ab, der in den Filtern des genutzten Katalogs grün dargestellt wird.
Was als eher amüsante Freizeitbeschäftigung der Galaxy-Zoo-User begann, wurde schnell echte Wissenschaft. Carolin Cardamone von der Universität Yale und ihre Kollegen veröffentlichten eine Facharbeit mit dem Titel “Galaxy Zoo Green Peas: Discovery of A Class of Compact Extremely Star-Forming Galaxies” in der die kosmischen Erbsen genauer unter die Lupe genommen wurden. 251 Erbsen hatte man bis dahin identifiziert.
Aber im Detail untersucht waren kaum welche davon. Die Arbeit von Cardamone zeigte, dass es sich bei so gut wie allen um kleine Galaxien handelte, die typischerweise nur aus knapp einer Milliarde Sterne bestanden (im Vergleich zu den etwa 200 Milliarden in unserer Milchstraße). Trotzdem entstanden dort besonders viele Sterne. Im Durchschnitt waren es 13 neue Sterne pro Jahr; bei den Spitzenreitern bis zu 59! Unsere viel größere Heimatgalaxie kommt dagegen gerade mal auf ein halbes Dutzend neue Sterne in jedem Jahr. All diese jungen und heißen Sterne erzeugen jede Menge UV-Strahlung die den Sauerstoff in den interstellaren Wolken ionisiert und für das grüne Licht sorgt.
So richtig verstanden hat man die Erbsen aber noch nicht. Sie gehören wohl zu der Klasse der leuchtkräftigen blauen kompakten Galaxien, unterscheiden sich von den typischen Vertretern dieser Gruppe insofern als sie in ihrem Inneren kein aktives supermassereiches schwarzes Loch haben. Es sind die kleinsten der Galaxien mit aktiver Sternentstehung und eine Art von Galaxie, die es heute nicht mehr gibt. Wir sehen die Erbsen zu einer Zeit, als das Universum noch deutlich jünger war als heute und ihre Beobachtung zeigt uns, wie die Entstehung von Sternen und auch die Entwicklung von Galaxien damals abgelaufen ist. Wir werden aus der Erforschung der kosmischen Erbsen sicher noch jede Menge lernen können (und die englische Wikipedia hat einen ausführlichen Überblick über den aktuellen Forschungsstand).
Erbsen sind aber bei weitem nicht alles, was man am Himmel finden kann. Es geht noch weiter mit den Hülsenfrüchten – zum Beispiel den Bohnen!
Im Jahr 2012 haben Wissenschaftler um den Bonner Astronomen Mischa Schirmer Galaxienhaufen untersucht. Und dabei ein weiteres seltsam grünes Ding entdeckt. Es trägt den schönen Namen SDSS J224024.1−092748 und sieht so aus:
Farbe und Form haben die Forscher veranlasst, es als “Grüne-Bohnen-Galaxie” zu bezeichnen. Und weiter zu untersuchen! Denn wie schon gesagt – “Grün” ist in der Astronomie fast immer ein Zeichen dafür, dass man irgendwas interessantes vor sich hat. Die Astronomen haben die Datenbanken nach ähnlichen Objekten durchsucht und unter knapp einer Million Einträgen gerade mal 16 weitere gefunden. Das bedeutet, dass die “Grünen Bohnen” äußerst seltene Objekte darstellen. Im Durchschnitt findet man nur eines davon pro 1,3 Milliarden Kubiklichtjahre!
In ihrer Arbeit (“A sample of Seyfert-2 galaxies with ultra-luminous galaxy-wide NLRs — Quasar light echos?”) gehen die Astronomen davon aus, dass es sich dabei um Ionisationsechos von Quasaren handelt. Also um Galaxien die – im Gegensatz zu den Erbsen – aktive schwarze Löcher in ihren Zentren besitzen. In deren Umgebung wird jede Menge hochenergetische Strahlung freigesetzt, die interstellares Gas ionisiert und grün leuchten lässt. Aber: In der von Schirmer entdeckten Galaxie ist das zentrale schwarze Loch den Beobachtungen zu Folge nicht sooo aktiv. Das grüne Leuchten ist also nur ein “Echo”; es stammt von Strahlung, die vom aktiven Galaxienkern früher mal ausgesandt wurde. Diese Strahlung braucht Zeit, um bis zum Gas zu gelangen und wir sehen jetzt nur noch ein letztes Nachleuchten des ehemals aktiven schwarzen Lochs. Weil es sich also um ein temporäres Phänomen zu handeln scheint ist es auch nicht verwunderlich, wenn die grünen Bohnen so selten sind.
Aber interessant sind sie trotzdem: Denn sie zeigen uns, wie aktive Galaxien sich “abschalten” und zu Galaxien mit ruhigen Zentren werden, wie ja auch unsere Milchstraße eine ist. Die Hülsenfrüchte sind also auch hier eine wichtige Möglichkeit, mehr über die Evolution der Galaxien im Universum zu verstehen.
Nach Erbsen und Bohnen brauchen wir für ein ordentliches Hülsenfrüchtegericht jetzt noch die Linsen! Die gibt es in der Astronomie natürlich haufenweise. Die Linsen waren es überhaupt erst, die die moderne Astronomie möglich gemacht haben. Allerdings nicht die pflanzliche Version sondern die Linsen aus Glas, aus denen im 17. Jahrhundert die ersten Teleskope gebaut worden sind. Ihren Namen haben die optischen Bauteile von der Form, die sie sich mit den Hülsenfrüchten teilen. Aber über Teleskope will ich jetzt gar nicht sprechen (habe ich ja außerdem schon hier getan). Bleiben wir lieber bei den Galaxien. Denn dort gibt es selbstverständlich auch Linsen!
Alle die sich mit Galaxien beschäftigen kennen das berühmte Hubble-Stimmgabeldiagramm. Es wurde vom berühmten Edwin Hubble im Jahr 1936 entwickelt und teilt die Galaxien anhand ihrer Form in verschiedene Gruppen ein (siehe dazu auch hier). Da sind zuerst die elliptischen Galaxien, die je nachdem wie stark sie von der Kreisform abweichen in die Klassen E0 bis E7 eingeteilt werden. Danach teilt sich die Sequenz in die beiden Arme der “Stimmgabel”. Den einen Ast bilden die Spiralgalaxie in den Klassen Sa, Sb und Sc (je nach Form der Spiralarme); den anderen die Balkenspiralgalaxien (zu denen auch unsere Milchstraße gehört). Genau am Schnittpunkt der Äste findet man aber noch eine besondere Gruppe von Galaxien, die man “S0” nennt. Beziehungsweise “Lentikulargalaxie” oder “Linsengalaxie”.
Die Linsengalaxien sind ein Übergangsstadium zwischen den Elliptischen und den Spiralgalaxien. Allerdings nur was die Morphologie angeht! Die Hubble-Sequenz im Diagramm bildet keinen evolutionären Vorgang ab (auch wenn man das früher manchmal vermutet hatte). Es ist nicht so, dass sich elliptische Galaxien im Laufe der Zeit über die Linsengalaxien hin zu Spiralen bzw. Balkenspiralen entwickeln! Eher im Gegenteil: Wenn zwei Spiralgalaxien kollidieren und verschmelzen, entsteht daraus im Allgemeinen eine Elliptische.
Wie genau die Linsengalaxien entstehen ist noch nicht völlig klar. Es ist möglich, dass sie ebenfalls durch die Verschmelzung zweier anderer Galaxien gebildet werden. Wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um “ausgelaugte” Spiralgalaxien handelt. Wenn die all ihr Gas in den Spiralarmen im Zuge der Sternentstehung aufgebraucht haben, dann verschwinden die Arme im Laufe der Zeit und übrig bleibt nur noch die schmale Linsengalaxie.
Hülsenfrüchte sind also eine sehr lohnenswerte Sache, nicht nur am Feld und in der Küche, sondern auch in der Astronomie.
(Und warum Pythagoras und seine Anhänger die Bohnen so sehr verachtet haben bleibt mir daher unverständlich. Kein Wunder, dass die alten Griechen so seltsame Vorstellung vom Universum hatten, wenn sie die Hülsenfrüchte so ignorieren…)
Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß in den letzten Tagen im Jahr des Lichts und noch viel mehr Spaß im kommenden Jahr der Hülsenfrüchte. Bis bald und guten Appetit!
P.S. Und wenn ihr noch weitere Verbindungen zwischen Astronomie und Hülsenfrüchten kennt: Immer her damit! (Zur Not nehme ich aber auch einfach ein paar gute Kochrezepte…)
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