Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der ich das Buch “Was ich jahrzehntelang verschwiegen habe”* von Erich von Däniken bespreche. Die bisher erschienenen Teile der Serie sind hier zu finden. Eine ausführliche Erläuterung zum Sinn und der Vorgehensweise meiner Rezension ist hier nachzulesen.
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Nach den UFOs im ersten Kapitel beschäftigt sich Däniken im zweiten Kapitel mit einem weiteren Dauerbrenner aus seinen Büchern: Der Religion. Dänikens Thesen lassen sich ja im Wesentlichen auf einen Satz reduzieren: Alle Götter waren Aliens. Dieses Thema hat er in vielen seiner Werke mehr als ausführlich dargestellt und insofern ist auch hier wieder nichts zu finden, was er “jahrzehntelang verschwiegen” hat…
In “Märchen für die Christenheit” geht es um das Grab von Jesus Christus. Denn natürlich ist das, was in der Bibel beschrieben ist und an das die Christen glauben, alles falsch. Das weiß Däniken aber zu Beginn des Kapitels noch nicht. Sagt er zumindest. Er erzählt die Geschichte seines Treffens mit Fida Hassnain aus dem Jahr 1974. Der habe ihn eingeladen um ihm zu erzählen, dass Jesus in Srinagar in Kaschmir begraben liegt. Dänikens empörte Antwort: “Herr Professor, ein Jesus-Grab existiert nirgendwo. Jesus ist in den Himmel aufgefahren.” Däniken spielt in seiner Geschichte die Rolle des Ungläubigen, der aber dann – wen wundert es – von der Macht der Argumente des indischen Gelehrten bekehrt wird.
Denn: Da gibt es ein paar Wörter aus dem Aramäischen (der Sprache Jesu) die so ähnlich klingen wie Wörter aus der Sprache Kaschmirs. Und – nicht näher spezifizierte – “alte Überlieferungen” sagen, dass das Volk Israel damals nicht durch die Wüste Sinai gewandert ist, sondern durch Kaschmir. Und Jesus wollte nach seinem (natürlich vorgetäuschten) Tod wieder zurück in die alte Heimat. Was er dann mit seiner Mutter und einem Schwung Jünger auch tat. Und darum kann man nun in Srinagar das Grab des Jesus bewundern.
Das, was Däniken hier als großes Geheimnis präsentiert, ist allerdings nicht sonderlich neu. Die im 19. Jahrhundert gegründete islamische Ahmadiyya-Gemeinschaft vertritt schon seit damals die Auffassung, Jesus wäre nach Kaschmir ausgewandert und hat auch den Roza-Bal-Schrein in Srinagar als “Grab des Jesus” identifiziert.
An Jesus-Gräbern herrscht allerdings auch anderswo kein Mangel. Über eines davon hat sogar James Cameron einen Film gedreht. Und der Titel eines Artikels in der Zeit sagt eigentlich schon alles: Die tausend Gräber Jesu.
Wenn es Jesus tatsächlich gegeben hat, dann wird er irgendwo begraben liegen. Vielleicht in Srinagar, vielleicht in Kaschmir, vielleicht in England oder sonst irgendwo auf diesem Planeten. Aber genau so wenig wie es archäologisch/historische belastbare Belege für die Existenz Jesu gibt, gibt es auch keinerlei Belege für die Authentizität irgendeines seiner vielen Gräber.
Aus der Sicht eines katholischen Schweizers der 1970er Jahre mag es durchaus aufregend klingen, das Christentum auf diese Weise anzugreifen. Aber in der Realität sind die religiösen Geschichten eben nur Geschichten und zu erklären, dass die Dinge eventuell ein wenig anders waren als in den heiligen Texten beschrieben ist bei genauerer Betrachtung nicht sonderlich spektakulär.
Däniken arbeitet in diesem Kapitel mit einer weiteren Standardmethode der Pseudowissenschaft: Dem argumentum ad verecundiam bzw. dem Argument durch Authorität. Immer wieder wird betont, was für ein großartiger Gelehrter “Prof. Dr. Fida Hassnain” ist. Zum Beispiel lehrte er laut Däniken am Kashmir Research Center for Buddhist Studies, das im Internet durch eine erstaunliche Abwesenheit jeglicher Erwähnungen glänzt. Der “freundliche, mittelgroße Mann” spricht mit einem “ruhigen Bariton” und zwar “bedächtig und im Tonfall ohne jede Rechthaberei” und immer wieder wird Däniken “verständnisvoll angeblickt”. Hassnain scheint ein durch und durch sympathischer und seriöser Mensch zu sein – was er sagt, muss also stimmen! Und ich bezweifle nicht, dass Hassnain tatsächlich ein netter Mensch und zumindest seinem Wikipedia-Eintrag nach hat er durchaus auch eine entsprechende akademische Ausbildung. Aber – und darin besteht der logische Fehlschluss – ein netter Mensch mit akademischen Titeln hat nicht automatisch recht. Genauso wenig wie ein arrogantes Arschloch automatisch unrecht hat. Recht hat, wer vernünftige Argumente und Fakten hat. Und die sind im Fall des Jesus-Grab eben nicht vorhanden.
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