Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der ich das Buch “Was ich jahrzehntelang verschwiegen habe”* von Erich von Däniken bespreche. Die bisher erschienenen Teile der Serie sind hier zu finden. Eine ausführliche Erläuterung zum Sinn und der Vorgehensweise meiner Rezension ist hier nachzulesen.
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Bis jetzt war das, was Erich von Däniken “jahrzehntelang verschwiegen” hat nur das, was er auch in seinen anderen Bücher schon lang breit erzählt hat. Es ging um UFOs, Religion und Pyramiden. Kapitel 4 trägt den Titel “Belogen – betrogen – missbraucht” und es ist das erste, in dem ich eine für mich neue Geschichte gelesen habe (aber gut, ich habe jetzt Dänikens Arbeit nicht allzu intensiv verfolgt; kann gut sein, dass die auch schon anderswo zu lesen stand).
Und interessanterweise war es eine Geschichte, in der sich einer der Alien-Typen als Betrüger herausstellt. Es geht um Tatunca Nara, einen angeblichen Häuptling des Ugha-Mongulala-Stamms im brasilianischen Dschungel. Eines Stammes, der von jeder Menge hochtechnischer Geräte einer außerirdischen Zivilisation mitten in der Wildnis weiß. Zum Beispiel einen Gürtel, der einen unsichtbar macht… Außerdem treibe sich in der Alien-Schatzkammer jemand herum, der sich “der Erhabene” nennt. Und ein Bekannter Dänikens, ein gewisser Ferdinand Schmid sei mit Tatunca Nara zu diesem “Akahim” gereist, allerdings kurz davor mit dem Boot bei einem Wasserfall gekentert. Er konnte gerade noch eine “künstliche Pyramide” sehen, bevor er sein Leben retten musste und Fotos gab es leider auch keine. Däniken machte sich natürlich auf, die Sache zu erforschen. Aber Tatunca Nara wollte ihn dann doch nicht zu den Alien-Schätzen führen (die Alien-Götter hatten angeblich was dagegen).
Tja. Aber Tatunca Nara war Däniken angeblich sowieso von Anfang an irgendwie unsympatisch. Was ein großes Glück war, denn der Typ hieß eigentlich Günther Hauck und war ein deutscher Hochstapler aus Coburg, der vermutlich auch jede Menge Leute umgebracht hat. Der Spiegel hat im letzten Jahr einen interessanten Bericht veröffentlicht, bekannt waren die Betrügereien aber schon seit den 1980er Jahren. Auf “Tatunca Nara” reingefallen ist allerdings der ARD-Korrespondent Karl Brugger (eventuell ebenfalls eines der Mordopfer des Hochstaplers), der die Alien-Geschichten geglaubt und damals auch gleich ein Buch darüber geschrieben hat: Die Chronik von Akakor: Erzählt von Tatunca Nara, dem Häuptling der Ugha Mongulala*.
Also nix mit der Alienschatzkammer in Brasilien? Wer weiß, schreibt Däniken. Denn da ist ja noch die Pyramide von Ferdinand Schmid, der außerdem regelmäßig “mentaltelepathische Botschaften aus den himmlischen Sphären” erhält. Außerdem gibts auch noch andere Alien-Schätze in Südamerika! Zum Beispiel die “Metallbibliothek” des Pater Carlos Crespi aus Cuenca in Ecuador. Der hat sich so sehr um die Indios gekümmert, dass sie ihm jede Menge Schätze gebracht haben die sie “jahrhundertelang vor den Weißen versteckt gehalten hatten”. Leute, die sich mit Kunstgegenständen der Region auskennen halten den Kram von Crespi zwar mehrheitlich für “Imitationen, wie man sie dutzendweise in den Souvenirläden von Cuenca kaufen kann”, wie der Spiegel schon 1972 geschrieben hat (der Artikel enthält auch ein paar interessante Fakten zu Dänikens Expeditionen in angebliche andere Alien-Schatzkammern).
Aber für Däniken ist das natürlich alles nur Show. Die Fachleute und Wissenschaftler wollen das Wissen um die Aliens unterdrücken und reden nur deswegen von Fälschungen…
Das vierte Kapitel ist bei weitem das längste des ganzen Buchs. Und demonstriert hervorragend zwei Arten von Scheinargumenten, die man auch anderswo in der Pseudowissenschaft-Szene immer wieder findet. Einerseits die Anekdotische Evidenz. Däniken erzählt jede Menge Geschichten, die durchaus interessant sind. Aber halt auch nicht wirklich nachprüfbar. Das heißt definitiv nicht das die Geschichten gelogen sind! Aber eben, dass sie nicht geeignet sind, allgemeine Schlüsse daraus zu ziehen. Es ist das gleiche wie bei den Leuten, die irgendein Leiden haben und sich ein paar homöopathische Mittel besorgen. Das Leiden verschwindet und sie erzählen begeistert: Homöopathie wirkt. Das klingt oft sehr überzeugend, ist es aber nicht. Ich zum Beispiel hatte einmal fiese Ohrenschmerzen. Eine Apothekerin hat mir dagegen ein homöopathisches Mittel verkauft (was ich aber nicht gleich gemerkt habe). Ich habe es genommen – und meine Ohrenschmerzen blieben so fies wie sie waren. Ist das jetzt ein Beweis, dass Homöopathie nicht funktioniert? Nein – und kein Homöopathiefan akzeptiert meine Geschichte als solchen (obwohl ihre eigenen Erfolgsgeschichten sehr wohl als Beweis präsentiert werden). Aber es sind eben nur Geschichten; Anekdoten. Um verlässliches Wissen zu erhalten, muss man objektiv und nachprüfbar vorgehen.
Wenn die Anekdoten aber gut erzählt sind und so massenhaft auftauchen wie in Dänikens Buch, können sie sehr überzeugend wird. Däniken erzählt in den Kapitel nicht nur die Geschichten aus Brasilien und Ecuador sondern noch einen ganzen Schwung weiterer Erlebnisse. Hier hat er einen General überredet ihn zu einer geheimnisvollen Ruine zu fliegen, dort ein “Lochstreifenmuster” in den Felsen von Peru entdeckt, und so weiter. Anekdote folgt auf Anekdote; Scheinargument auf Scheinargument und am Ende ist man davon komplett erschlagen. Diese Taktik nennt sich Argumentum ad nauseam bzw. “Argument durch Wiederholung” und funktioniert genau so wenig wie die anekdotische Evidenz.
Aber zumindest habe ich mich bei diesem Kapitel das erste Mal im Buch halbwegs unterhalten gefühlt…
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