Das Large Synoptic Survey Telescope hat im Vergleich mit den anderen Teleskopen der nächsten Generation nur einen kleinen Spiegel. Aber es ist trotzdem einzigartig und wird in der Lage sein, unser Wissen über das Universum massiv zu erweitern. Es kann vielleicht nicht so viele Details sehen, wie seine größeren Kollegen. Aber dafür viel mehr des Kosmos viel schneller abbilden und das ist eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit!
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Transkription
Im nächsten Jahrzehnt wird in den Bergen von Chile ein neues Teleskop seinen Betrieb aufnehmen. Das Large Synoptic Survey Telescope oder kurz LSST hat einen Spiegel mit einem Durchmesser von 8,4 Metern. Verglichen mit anderen Teleskopen die in naher Zukunft fertig gestellt werden ist das wenig. Die Großteleskope der nächsten Generationen wie das European Extremly Large Telescope oder das Thirty Meter Telescope haben Spiegel mit Durchmessern von 30 oder 40 Metern. Die 8,4 Meter des LSST sind da vergleichsweise klein; das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ist zum Beispiel fast genau so groß und schon seit den 1990er Jahren aktiv. Wieso baut man also ein weiteres “kleines” Teleskop? Braucht es so etwas noch?
Ja, auf jeden Fall! Denn das besondere am LSST ist nicht die Größe seines Spiegels. Es ist sein Bildwinkel! Damit bezeichnet man die Größe des Bereichs am Himmel, denn ein Teleskop bei einer Aufnahme abbilden kann. Diese Größe gibt man in Grad an. Wenn ein Kreis der um den ganzen Himmel herum gezogen wird, 360 Grad hat, dann bedeckt zum Beispiel der Vollmond einen Abschnitt mit einer Länge von 0,5 Grad. Kann man mit einem Teleskop als gerade den ganzen Mond abbilden, hat es ein Bildwinkel mit einem Durchmesser von 0,5 Grad.
Bei den meisten großen Teleskopen ist das Bildwinkel aber nicht so groß und bemisst sich weniger in Grad sondern in Bogenminuten. 1 Grad hat 60 Bogenminuten und wenn zum Beispiel die Kamera des Very Large Telescope einen Bildwinkel von knapp 7 Bogenminuten hat, müsste man damit 5 Aufnahmen machen, um den ganzen Mond abbilden zu können.
Normalerweise ist das aber auch kein Problem. Man will ja Sterne oder ferne Galaxien beobachten und die sind im Allgemeinen sowieso nur als Punkte zu sehen. Ein kleiner Bildwinkel ist da sogar von Vorteil, weil so nicht so viel störendes Licht von anderen Himmelskörpern die Aufnahme stört. Aber beim LSST geht es um etwas ganz anderes. Da geht es gerade darum, möglichst viele Objekte auf einmal zu fotografieren.
In der Astronomie ist es zwar wichtig, einzelne Objekte möglichst genau zu untersuchen. Es ist aber genau so wichtig, einen möglichst genauen Überblick über den gesamten Himmel zu erhalten. Und vor allem zu sehen, was sich dort ändert. Macht man eine einzelne Aufnahme des Himmels, dann sieht man darauf im Allgemeinen nur jede Menge Lichtpunkte. Daraus kann man zwar viel lernen, aber nicht alles. Wenn auf diesem Bild zum Beispiel ein noch unbekannter Asteroid zu sehen wäre, entdeckt man den nicht sofort, da er sich auf den ersten Blick nicht von einem Stern unterscheidet. Es hilft auch nichts, die Daten mit einem vorhandenen Katalog zu vergleichen. Denn in diesen Katalogen findet sich zwangsläufig nur ein sehr kleiner Teil der paar hundert Milliarden Sterne unserer Milchstraße und ein weiterer Lichtpunkt kann genau so gut ein bis jetzt noch nicht katalogisierter Stern sein wie irgendetwas anderes.
Um das heraus zu finden muss man ein zweites Bild der gleichen Region des Himmels machen und zwar zu einem späteren Zeitpunkt. Die Sterne werden dann immer noch an der gleichen Position stehen wie zuvor. Ein Asteroid aber hat sich bewegt. Wenn sich am Himmel etwas verändert, ist das immer von Interesse für die Astronomen. Ein sich bewegender Lichtpunkt kann ein Asteroid sein, ein Komet oder gar ein unbekannter Planet. Ein neu auftauchender Stern kann eine Supernova-Explosion in einer fernen Galaxie sein. Die leuchten enorm hell, aber das nur vergleichsweise kurz. Wenn man den Himmel nicht regelmäßig danach absucht, verpasst man sie. Macht man lang genug Bilder des Himmels auf denen sich die Positionen genau genug vermessen lassen, dann kann man auch die Eigenbewegung der Sterne selbst vermessen und daraus wichtige Informationen ableiten.
Kurz gesagt: Es lohnt sich, den Himmel möglichst oft möglichst komplett “einfach nur so” zu fotografieren und zu schauen, was sich da alles ändert. Genau das ist die Aufgabe des LSST und diese Aufgabe wird es dramatisch viel besser erledigen als alle bisherigen Teleskope.
Sein Blickwinkel wird 3,5 Grad betragen – der Durchmesser entspricht also dem 7fachen des Vollmonds! Das ist ein ziemlich großer Bereich des Himmels. Die Kamera, die die Aufnahmen macht, hat 3,2 Gigapixel und kann bei einer Belichtungszeit von 15 Sekunden alle 20 Sekunden ein Bild machen! Das bedeutet, dass das riesige Teleskop in nur 5 Sekunden auf einen neuen Bereich des Himmels ausgerichtet werden kann. Das zu bewerkstelligen ist eine enorme technische Herausforderung: Man muss einen über 8 Meter großen Teleskopspiegel mitsamt seiner schweren Montierung so konstruieren, dass das Ding bei diesen schnellen Schwenks nicht einfach auseinander fällt. Allein die Kamera wiegt knapp 3 Tonnen und ist 3 Meter lang und das ganze Teleskop noch viel mehr!
Aber wenn alles nach Plan läuft, wird man mit dem LSST etwa 200.000 Aufnahmen pro Jahr machen können. Es dauert also nur ein paar Nächte, um den gesamten sichtbaren Himmel abzufotografieren und LSST wird das mindestens 10 Jahre lang machen. Die Datenmengen die dabei anfallen, sind enorm und die Konstruktion der entsprechenden Computer zur Datenauswertung und Speicherung ist mindestens ebenso kompliziert wie der Bau des Teleskops selbst.
Das musste ebenfalls auf eine spezielle Art und Weise konstruiert werden, damit man ein so großes Blickfeld erhält, in dem trotzdem noch überall scharfe Abbildungen möglich sind. Beim LSST klappt das nur, weil man drei einzelne Spiegel entsprechend kombiniert. Hätte man nur einen einzigen Spiegel, dann könnte der beispielsweise unter der sogenannten “sphärischen Abberation” leiden. So bezeichnet man den Abbildungsfehler den man bei sphärischen Spiegeln erhält, weil Lichtstrahlen die auf dessen Rand treffen nicht exakt in den gleichen Punkt reflektiert werden wie Lichtstrahlen die ihn nahe des Zentrums treffen. Dieses Problem könnte man lösen, in dem man einen parabolischen Spiegel verwendet. Dann bekommt man aber Problem mit der Koma. Also einem Abbildungsfehler der durch Lichstrahlen verursacht wird, die schräg zur optischen Achse des Systems einfallen und ein leicht verzerrtes Bild verursachen. Und auch der Astigmatismus macht Ärger, ein Abbildungsfehler unter dem auch unsere Augen manchmal leiden und den wir dann mit einer Brille korrigieren.
Bei Teleskopen kann man durch den Einsatz mehrerer Spiegel ebenfalls dafür sorgen, dass die Abbildungsfehler möglichst gering ausfallen. Beim LSST hat man dafür gleich drei Spiegel verwendet, es handelt sich um einen sogenannten “Drei-Spiegel-Anastigmat”. Zwei Spiegel sind nötig, um den Effekt von sphärischer Aberration und Koma zu eliminieren und der dritte dient quasi als “Brille” um den Astigmatismus zu verringern.
Wenn das Teleskop, dessen Bau im Jahr 2011 auf dem Gipfel des 2682 Meter hohen El-Peñón im nördlichen Chile begonnen hat, dann in den 2020er Jahren seinen Betrieb aufnehmen wird, wird es hoffentlich scharf genug sehen, um sein wissenschaftliches Programm problemlos absolvieren zu können. Man plant, mindestens 10 Milliarden Sterne und 10 Milliarden Galaxien zu katalogisieren. Dabei wird das LSST natürlich auch jede Menge neue Objekte in unserem Sonnensystem entdecken. Ein paar Millionen Asteroiden und Kometen sollten von der Kamera aufgenommen werden; also 10 bis hundert Mal mehr als man derzeit kennt! Das beinhaltet auch die PHAs, also die “potentially hazardous Objects”; Asteroiden die der Erde nahe kommen und ihr gefährlich werden können. LSST sollte bis zu 90% dieser Himmelskörper finden können sofern sie größer als 140 Meter sind.
Der Katalog der Sterne der Milchstraße den LSST erstellt, wird ebenfalls deutlich umfassender sein als alles, was bisher existiert und wird es den Astronomen erlauben, die Entwicklung unserer Galaxis viel besser zu verstehen als es jetzt der Fall ist.
LSST wird auch jede Menge nahe und ferne Supernova-Explosionen entdecken und so neue Erkenntnisse über die Natur der dunklen Energie liefern. Also die Tatsache, dass das Universum im Laufe der Zeit immer schneller expandiert. Dass es das tut, wissen wir ja schon länger. Aber noch nicht warum. Aus der Vermessung einer Supernova können wir ableiten, wie schnell sich das Universum ausdehnt und je weiter weg eine solche Explosion stattfindet, desto weiter blicken wir auch die Vergangenheit zurück. Wir können mit dieser Methode, die ich in Folge 26 der Sternengeschichten genauer erklärt habe, also bestimmen, wie schnell sich der Kosmos früher ausgedehnt hat. Je mehr wir darüber wissen, desto eher werden wir auch eine Erklärung dafür finden.
Auch über die dunkle Materie wird LSST neue Erkenntnisse liefern. Bei der Beobachtung der vielen Galaxien werden auch die durch die von der dunklen Materie ausgeübten Gravitationskraft verursachten Effekte sichtbare. Zum Beispiel der Gravitationslinseneffekt, bei dem die Masse der dunklen Materie das Licht ferner Galaxien ablenkt und verzerrt.
Und dann sind da noch die allerwichtigsten Entdeckungen: Diejenigen, von denen wir noch absolut keine Ahnung haben, das wir sie machen werden! Wenn man das Universum nur intensiv genug beobachtet, wird man immer etwas finden, das man noch nicht kannte und mit dem niemand gerechnet hat! Wenn ein Instrument wie das Large Synoptic Survey Telescope 10 Jahre lang Nacht für Nacht fast den gesamten Himmel absucht, wäre es höchst überraschend, wenn es dabei nicht irgendetwas völlig neues finden würde. Vermutlich wäre das sogar die erstaunlichste Entdeckung von allen…
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