Was passiert, wenn eine große und eine kleine Galaxie aufeinander treffen? Die kleinere wird einfach aufgefressen! Aber ein bisschen was bleibt übrig: Sogenannte “Sternströme” die noch lange nach dem Ende der kleineren Galaxie auf ihre Existenz hinweisen. Was man aus diesen letzten Resten ehemals großer Sternsysteme lernen kann, ist das Thema der neuen Folge im Sternengeschichten-Podcast
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Transkription
Sternengeschichten Folge 177: Sternströme und Zwerggalaxien
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich darüber gesprochen was bei der Kollision zweier Galaxien passiert. Solche Zusammenstöße dauern ein paar Milliarden Jahre lang; währendessen durchdringen sich die Galaxien mehrmals und verändern dabei ihre Form mehrmals. Am Ende verschmelzen beide dann zu einer großen, kugelförmigen Wolke aus Sternen, einer sogenannten elliptischen Galaxie.
Wenn aber die beiden Galaxien nicht annähernd gleich groß sind, wird aus der Verschmelzung eher eine Art des galaktischen Kannibalismus. Die größere Galaxie frisst die kleine auf und am Ende ist nichts mehr von ihr übrig. Nichts mehr, höchstens noch ein “Sternstrom” und genau darum geht es in dieser Folge.
Ein Sternstrom ist eigentlich vorerst nur eine Sternassoziation, also eine lose Gruppe von Sternen innerhalb einer Galaxie, über die ich schon in Folge 104 der Sternengeschichten mehr erzählt habe. Die Sterne eines Sternstroms zeichnen sich allerdings durch sehr ähnliche Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten aus. Ihren Ursprung haben die Sternströme in Zwerggalaxien. Diese kleinen Sternsysteme findet man als Begleiter aller großen Galaxien. Auch unsere Milchstraße hat zwei Dutzend bekannte Zwerggalaxien als Satelliten und vermutlich noch ein paar Dutzend, die wir nicht entdeckt haben.
Wenn eine Zwerggalaxie einer großen Galaxie wie unserer Milchstraße zu nahe kommt, können die Gezeitenkräfte dafür sorgen, dass sie komplett auseinander gerissen wird. Bei nahen Begegnungen zwischen großen und kleinen Galaxien können vorerst auch nur Gruppen von Sternen aus der kleineren heraus gerissen werden. Die bilden dann einen Sternstrom innerhalb der größeren Galaxie. Es müssen auch keine Sterne sein, auch die Gaswolken die sich zwischen den Sternen einer Galaxie befinden können Sternströme bilden. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte “Magellansche Strom”. Dabei handelt es sich um eine etwa eine Million Lichtjahre lange Wasserstoffwolke, die unsere Milchstraße mit den beiden Zwerggalaxien der Magellanschen Wolken verbindet.
Die Magellanschen Wolken existieren noch und können am südlichen Himmel sogar mit freiem Auge beobachtet werden. Andere Zwerggalaxien haben sich aber mittlerweile komplett verabschiedet und existieren nur noch als Gruppe von Sternen mit ähnlicher Bewegungsrichtung innerhalb der Milchstraße. Zum Beispiel der “Helmi-Strom”. Der besteht aus ein paar Millionen Sternen die eine mehrfach um die ganze Galaxis gewickelte Spur bilden.
Einer der Sterne des Helmi-Stroms ist besondes interessant. Er heißt HIP 13044 und im Jahr 2010 haben Astronomen dort einen Planeten entdeckt. Die Entdeckung eines Planeten bei einem anderen Stern ist mittlerweile keine allzu große Neuigkeit mehr. Bei HIP 13044 aber war es anders. Als Teil des Helmi-Stroms war dieser Stern mitsamt seines Planeten früher Teil einer anderen Galaxie! All die übrigen extrasolaren Planeten befinden sich in unserer galaktischen Nachbarschaft und sind daher auch in der gleichen Umgebung entstanden wie die Himmelskörper unseres eigenen Sonnensystems. Mit der aktuellen Technik haben wir so gut wie keine Chance, jemals Planeten zu beobachten, die Sterne in anderen Galaxien umkreisen. Dafür sind sie einfach zu weit weg.
Ein Sternstrom allerdings ist einerseits innerhalb unserer eigenen Milchstraße und der Beobachtung daher prinzipiell zugänglich. Allerdings hat er seinen Ursprung außerhalb unserer Galaxie. Ein Planet der einen Stern eines Sternstroms umkreist kann uns also zeigen, wie die Planeten aussehen, die in anderen Galaxien entstanden sind. Diese Entdeckung hat nur einen einzigen Schönheitsfehler: Bei weiteren Beobachtungen konnte die Existenz des Planeten von HIP 13044 leider nicht bestätigt werden.
Aber das heißt nicht, dass es solche “extragalaktischen” Planeten innerhalb unserer eigenen Milchstraße nicht gibt. Zum Beispiel die gleich fünf Planeten die den Stern Kepler 444 umkreisen. Dieser Stern ist erstaunliche 11 Milliarden Jahre alt und die Planeten gehören damit zu den ältesten Planeten die jemals entdeckt worden sind. Der Stern ist außedem noch Teil des Arkturus-Sternstroms. Bei dem ist noch nicht ganz sicher, ob er wirklich der letzte Überrest einer ehemaligen Zwerggalaxie ist oder seinen Ursprung doch in der Milchstraße selbst hat. Wenn es tatsächlich extragalaktische Planeten sind, die Kepler 444 umkreisen, dann sind es nicht nur Himmelskörper die in einer völlig anderen Region des Universums entstanden als unser Sonnensystem sondern auch noch 6 Milliarden Jahre früher!
So oder so: Die zukünftige Beobachtung der Sternströme wird mit Sicherheit einige Planeten ans Licht bringen, die außerhalb unserer Milchstraße entstanden sind und wir werden daraus viel lernen können. Aber nicht nur über Planeten, auch über viele andere Phänomene im Universum. Da ist zum Beispiel die Galaxie Segue 2. “Segue” steht für “Sloan Extension for Galactic Understanding and Exploration” und es ist strittig, ob der Name “Galaxie” für diese im Jahr 2007 entdeckte Gruppe von Sternen überhaupt zutreffend ist. Sie besteht aus nur etwa 1000 Sternen, was verdammt wenig ist. Eine echte Galaxie hat ein paar hundert Milliarden Sterne; eine Zwerggalaxie typischerweise noch ein paar hunderttausend bis Millionen. 1000 ist wirklich wenig. Aber trotzdem könnte es eine Galaxie sein, denn mit ihren großen Kollegen teilt sie eine wichtige Eigenschaft: Sie ist in eine riesige Wolke aus dunkler Materie eingehüllt.
Das trifft auf alle Galaxien zu; die hell leuchtenden Sterne sind ja nur ein kleiner Teil der gesamten Materie eines Sternsystems. Das meiste davon besteht aus der in Folge 25 näher erklärten dunklen Materie. Die Gesamtmasse von Segue 2 entspricht mit ein paar hunderttausend Sonnenmassen viel eher einer typischen Zwerggalaxie. Warum es aber so wenig Sterne gibt, ist unklar. Man geht davon aus, dass sie nur noch den letzten Rest einer in Auflösung befindlichen Galaxie darstellt. Segue 2 ist eine der bekannten Satellitengalaxien der Milchstraße und befindet sich ungefähr 114.000 Lichtjahre von uns entfernt. Sie ist in der Vergangenheit unserer Galaxis sicherlich schon oft deutlich näher gekommen und hat dabei vermutlich jede Menge Sterne verloren. Die ziehen nun als Sternstrom ihre Runden innerhalb der Milchstraße und Segue 2 ist neben der dunklen Materie nur noch ein kläglicher Rest geblieben der früher oder später ebenfalls in unserer Galaxie landen wird.
Man hat sogar eine Spur aus Sternen identifiziert, die – so wie der Magellansche Strom – von uns bis zu Segue 2 führt. Es sieht alles so aus, als wäre Segue 2 tatsächlich der allerletzte Rest einer großen, “normalen” Galaxie. Die Interaktion mit der Milchstraße hat die Galaxie der meisten ihrer Sterne geraubt und am Ende bliebt nur noch der dichte Kern übrig.
Vielleicht aber ist Segue 2 auch einfach nur eine Mini-Galaxie. Aber wenn das so ist, dann sollte es davon noch viel mehr geben. Rein theoretisch sollte die Milchstraße noch von viel mehr Zwerggalaxien umgeben sein als wir kennen. Nicht alle müssen so extrem winzig sein wie Segue 2, aber geben sollte es sie auf jeden Fall. Bis jetzt hatte man aber Schwierigkeiten, sie auch wirklich zu beobachten. Nachdem was wir bisher über dier Entstehung der Galaxien wissen, sollten dabei eigentlich viel mehr kleine Galaxien wie Segue 2 produziert werden.
Die Galaxienentstehung beginnt ja mit der dunklen Materie. Sie bildet große Wolken und die Masse dieser Wolken zieht dann die “normale” Materie an, aus der normale Sterne entstehen können. Computersimulationen zeigen aber, dass sich auch um die großen Wolken herum noch viele kleinere Wolken aus dunkler Materie bilden in denen entsprechend viele kleinere Galaxien entstehen sollten. Davon sollte es ein paar hundert in der Umgebung der Milchstraße geben, wir kennen aber nur ein paar Dutzend. Das ganze nennt sich “Dwarf Galaxy Problem” und kann ein Zeichen dafür sein, dass wir die Entstehung der Galaxien nicht ganz richtig verstanden haben. Oder die Eigenschaften der dunklen Materie. Oder aber es gibt doch mehr solcher extrem schwer zu beobachtende Galaxie wie Segue 2. Vielleicht aber liegt es auch an einem noch nicht ganz korrekten Verständnis der Wechselwirkung zwischen den Galaxien. Wir müssen besser verstehen, wie sich kleine Galaxien auflösen, wenn sie auf große treffen.
Sind die fehlenden Zwerggalaxien auch durch die Gezeitenkräfte und die Interaktion mit den großen Galaxien so “leergeräumt” worden wie Segue 2 und deswegen so schwer zu sehen? Sind die Sterne, die wir in Form von Zwerggalaxien in der Umgebung unserer Galaxie suchen in Wahrheit alle schon Teil von Sternströmen innerhalb der Milchstraße? Wir wissen es noch nicht. Aber je besser wir die Sternströme beobachten und verstehen, desto eher werden wir dieses Problem lösen!
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