Bevor das erste Licht im Kosmos leuchtete, war es dunkel (davor war es allerdings wieder hell, aber das ist eine andere Geschichte). Über dieses “dunkle Zeitalter” wissen wir nicht viel. Wie denn auch, es war ja dunkel! Aber die Astronomen wären keine Astronomen, wenn sie nicht doch ein wenig darüber in Erfahrung bringen hätten können. Und dabei sind sie auch dem ersten Licht auf die Spur gekommen.
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Transkription
Sternengeschichten Folge 193: Das dunkle Zeitalter des Universums und das erste Licht
Als unser Universum seinen Anfang nahm, vor 13,8 Milliarden Jahren, da gab es eine große und gewaltige Explosion aus Licht und Materie und Energie. So zumindest stellt man sich den “Big Bang” meistens vor – mit einer Explosion im alltäglichen Sinne hatte die Entstehung des Kosmos nicht viel zu tun. Was wirklich passiert ist in diesem allerersten Moment und ob es überhaupt einen “allerersten” Moment gab oder diese Frage eigentlich sinnvoll ist, das wissen wir noch nicht. Was man über die früheste Phase des Universums mit einiger Sicherheit weiß habe ich schon in Folge 99 der Sternengeschichten erzählt.
Zuerst war da jede Menge Energie. Aus dieser Energie entstanden die ersten Elementarteilchen die sich zu den ersten Bausteinen der Atome zusammenfanden. Bis dann aber auch tatsächlich Atome entstanden, dauerte es knapp 400.000 Jahre. Zuvor war das Universum einfach noch zu heiß und alles bewegte sich viel zu schnell als dass sich aus den Bausteinen komplette Atome bilden konnten. Außerdem war das Universum undurchsichtig. Das Licht konnte nirgendwo hin, konnte sich nirgendwo ausbreiten weil es andauernd an die damals noch freien Elektronen stieß. Erst als der Kosmos kühl genug wurde und sich die Elektronen an die Atomkerne binden konnten, war der Weg frei für das Licht. Es breitete sich aus, das All wurde durchsichtig. Und dunkel.
Und es blieb auch dunkel. Denn was sollte auch leuchten? Da waren ja nun nur Atome in der Leere des Universums. Sterne gab es noch nicht. Deswegen wird diese Phase in der Geschichte des Universums auch das “Dunkle Zeitalter” genannt. Es gibt da auch also nichts zu beobachten für uns Astronomen obwohl wir ja in der einmaligen Lage sind, in der Zeit zurück schauen zu können. Da sich Licht nur mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet, braucht es Zeit um von einem Ort zum anderen gelangen zu können. Licht, das heute unsere Teleskope erreicht kann also schon vor langer Zeit abgestrahlt worden sein und liefert uns so ein Bild der Vergangenheit in unsere Gegenwart.
Aber im dunklen Zeitalter hat nichts geleuchtet und es gibt nichts zu sehen. Es gab auch sonst nicht viel. Nach dem Urknall entstand zwar die Materie, aber die war relativ eintönig. Zu drei Vierteln bestand aus Wasserstoff, dem einfachsten aller Atome. Ein Elektron umkreist ein einzelnes Proton als Atomkern. Der Rest war Helium, das immerhin schon zwei Protonen und zwei Neutronen im Kern besitzt. Aber die komplexe Vielfalt der chemischen Elemente existierte noch nicht. Der Wasserstoff ist aber gar nicht so langweilig, wie er vielleicht wirken mag.
Das einzelne Elektron das die Hülle des Wasserstoffatoms bildet, kann in zwei verschiedenen Zuständen existieren. Je nachdem wie viel Energie es ursprünglich besessen hat, kann es “parallel” oder “antiparallel” orientiert sein. Was das genau bedeutet ist anschaulich schwer zu erklären ohne zuerst die komplette Quantenmechanik zu erläutern. Aber es reicht schon zu wissen, dass sich das Elektron spontan vom Zustand höherer Energie in den Zustand niedriger Energie begeben kann. Die dabei frei werdende Energie wird in Form von elektromagnetischen Wellen abgestrahlt und entspricht einer Radiowelle mit einer Wellenlänge von 21 Zentimetern.
Der Wasserstoff leuchtet also nicht von selbst, kann aber Radiowellen aussenden die wir mit entsprechenden Radioteleskopen detektieren können. Die Beobachtung dieser “Wasserstofflinie” – wie es in der Astronomie genannt wird – hat uns schon viel über die Verteilung dieses ersten Elements verraten. Die Astronomen haben aber auch noch etwas anderes festgestellt.
Betrachtet man Licht, das von weit, weit her kommt, also in fernster Vergangenheit abgestrahlt wurde, dann findet man darin ebenfalls Spuren von Wasserstoff. Durchquert Licht Wolken aus Atomen oder Molekülen, dann wird ein Teil davon absorbiert. Im Licht, das normalerweise eine Mischung aus allen Farben bei allen Wellenlängen ist, fehlt dann ein Teil und zwar bei einer Wellenlänge, die von der Art der Atome und Moleküle abhängen, die es blockiert haben. Wasserstoff hält einen ganz bestimmten Teil des Lichts auf. Und ionisierter Wasserstoff ebenfalls. “Ionisiert” nennt man ein Atom, wenn es ein paar seiner Elektronen aus seiner Hülle verloren hat. Das passiert aber nicht von selbst sondern nur, wenn das Elektron durch Energie von außen entsprechend angeregt wird.
Bei der Analyse ferner Lichtquellen haben die Astronomen festgestellt, dass der ursprüngliche Wasserstoff, der sich aus den ersten Elementarteilchen nach dem Urknall gebildet hat, irgendwann ionisiert worden sein muss. Man nennt das die “Re-Ionisation”, da es ja eigentlich die zweite Ionisation ist, die die Wasserstoffatome erlebt haben. Das erste Mal hatten sie keine Elektronen in ihren Hüllen, weil das Universum noch zu heiß war. Als dann 400.000 Jahre nach dem Urknall aus Elektronen und Protonen komplette Wasserstoffatome entstanden, begann das dunkle Zeitalter. Und ungefähr 100 Millionen Jahre später müssen diese Atome wieder ihre Elektronen verloren haben.
Aber wie? Welche Strahlungsquellen waren dafür verantwortlich? Das dunkle Zeitalter war ja dunkel und es strahlte keine Energie durch das Universum? Das stimmt – aber das dunkle Zeitalter dauerte auch nicht ewig. Heute ist das Universum voller Galaxien und Sterne und die müssen irgendwann entstanden sein.
Dank des Wasserstoffs wissen wir nun, dass die allerersten Sterne genau in dieser Re-Ionisationsepoche entstanden sein müssen. Die riesigen Wolken aus Wasserstoff und Helium die das junge Universum erfüllt haben, haben sich irgendwann verdichtet. Sie sammelten immer mehr Materie an bis es in ihrem Inneren heiß wurde. Die Temperatur erhöhte die Geschwindigkeit der Wasserstoffatome bis sie irgendwann so schnell waren das sie bei Kollisionen nicht mehr voneinander abprallten, sondern verschmolzen. Die erste Kernfusion fand statt und Energie wurde frei. Das Zeitalter der ersten Sterne hatte begonnen und deren Strahlung ionisierte den Wasserstoff, der sich noch im Universum befand.
Über diese allerersten Sterne wissen wir kaum etwas. Wir können vermuten, dass es sie gegeben haben muss. Irgendwann muss es ja mal die ersten Sterne gegeben haben und irgendwo muss die Strahlung zur Ionisation des Wasserstoffs ja hergekommen sein. Irgendwo müssen auch die ganzen anderen chemischen Elemente entstanden sein und das konnte nur im Inneren von Sternen geschehen. Es ist also absolut notwendig, dass im frühen Universum irgendwann mal Sterne entstehen. Aber diese ersten Sterne waren noch ein wenig anders als wir es heute gewohnt sind. Die Sonne ist ein recht kleiner Stern, die ersten Sterne waren gewaltige Riesen mit mehr als der 100fachen Masse der Sonne. Sie waren viel heißer und die Kernfusion in ihrem Inneren lief deswegen auch viel schneller ab. Während unsere Sonne circa 10 Milliarden Jahre lang lebt, haben die ersten Sterne ihr Leben in ein paar Millionen Jahren oder vielleicht sogar noch schneller hinter sich gebracht. Die kurze Lebensdauer und die enorm lange Zeit die seitdem vergangen ist, machen es wahnsinnig schwer, noch Informationen darüber zu erhalten.
Aber es gibt zumindest ein paar konkrete Spuren! Im Jahr 2015 haben Astronomen eine weit entfernte Galaxie beobachtet die die Bezeichnung COSMOS Redshift 7 trägt. Sie stammt aus der Zeit der Re-Ionisierungsepoche und die ist enorm hell! Viel heller als alle anderen Galaxien die man in diesem Bereich bis jetzt beobachtet hat und nur deswegen konnte man dort auch so gute Daten sammeln. Die Beobachtungsdaten zeigen, dass es in bestimmten Regionen dieser Galaxie sehr viel ionisiertes Helium gibt. Also muss es dort auch etwas geben, was ausreichend viel Strahlung produziert, um dieses Helium ionisieren zu können. Mindestens ebenso wichtig ist, was man nicht beobachtet hat: Nämlich irgendwelche Hinweise auf andere chemische Elemente. In den Regionen von COSMOS Redshift 7, wo man das ionisierte Helium gefunden hat, gibt es nur Helium und Wasserstoff und sonst nichts. In einer Galaxie, die aus der Zeit der Reionisierungsepoche gibt, existieren also in bestimmten Bereichen Sterne, die so enorm hell leuchten, dass die Galaxie das hellste bekannte Objekt ihrer Art ist. Es sind Sterne, die genug Strahlung produzieren um Helium zu ionisieren und es sind Sterne, die aus nichts anderem zu bestehen scheinen als Helium und Wasserstoff. Die einzigen Sterne auf die das zutrifft, sind die allerersten Sterne. Wir haben sie zwar noch nicht direkt beobachtet. Aber wir wissen, dass sie da sind. Oder besser gesagt: Da waren. Denn auch wenn wir ihre Spuren heute noch beobachten, sehen wir doch eigentlich nur, was vor unvorstellbar langer Zeit in unserem Universum passiert ist, als das dunkle Zeitalter zu Ende ging.
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