Was passiert, wenn man lange genug das Nichts anstarrt? Nun, dann kriegt man vielleicht Dinge zu sehen, mit denen man absolut nicht gerechnet hat! So ging es zumindest Robert Williams, als er 1995 zehn Tage lang in das “Hubble Deep Field” geblick hat…
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Transkription
Sternengeschichten Folge 194: Das Hubble Deep Field
Zwischen 18. Dezember und 28. Dezember 1995 blickte das Hubble-Weltraumteleskop auf eine winzige Stelle am Himmel. Sie befindet sich im Sternbild des Großen Bären und dort war nichts. Nach allem was man bis dahin wusste, war dieser Bereich am Himmel komplett leer. Dort befanden sich so gut wie keine Sterne und auch sonst nichts von Bedeutung. Und trotzdem richtete man das beste Teleskop der damaligen Zeit genau dorthin und machte insgesamt 100 Stunden lang Aufnahmen.
Die Idee für diese Aktion hatte der amerikanische Astronom Robert Williams. Es war eine Idee, die nicht unbedingt bei all seinen Kollegen auf Zustimmung stieß. Normalerweise kann man nicht einfach so nach Lust und Laune mit dem Hubble-Weltraumteleskop (oder irgendein einem anderen Großteleskop) beobachten. Man muss einen Antrag stellen und darin genau begründen, warum man eine Beobachtung durchführen will und was für Ergebnisse man sich erhofft. Der Antrag wird von einer Gruppe von Experten geprüften. Da es immer mehr Anträge als Beobachtungszeit gibt, stehen die Chancen gut, dass er abgelehnt wird. Und selbst wenn man Erfolg hat, bekommt man im Allgemeinen nur für ein paar Stunden lang die Möglichkeit, das Teleskop zu nutzen.
100 Stunden einfach so mal ins Nichts zu schauen um sehen was sich dort tut ist genau die Art von Projekt, die keine Chance auf Genehmigung hat. Aber Williams musste keinen Antrag stellen. Er war zu dieser Zeit Direktor des Space Telescope Science Institutes, also der Einrichtung die das Hubble-Weltraumteleskop verwaltete. Und als Direktor standen ihm 10 Prozent der Beobachtungszeit von Hubble zu mit der er tun konnte, was er wollte. Und Williams wollte die leere Stelle am Himmel betrachten.
Natürlich hatte er sich die Sache vorher schon überlegt. Williams war an der Entwicklung von Galaxien interessiert. Das schöne an der Astronomie ist ja, dass man hier in die Vergangenheit schauen kann. Je weiter entfernt ein Objekt ist, desto länger braucht das Licht bis zu uns und desto älter ist das Bild, das wir sehen. Es ist aber nicht immer so einfach, weit hinaus ins All zu blicken. Die Sterne der Milchstraße, unserer eigenen Galaxien, überstrahlen die viel fernenen Objekte. Staub und Gas verstellen uns ebenfalls die Sicht. Und genau deshalb war Williams auf der Suche nach einer Region am Himmel, in der sich absolut nichts befand. Kein Staub, keine Gaswolken, keine Sterne. Wenn man dort lange genug mit einem wirklich guten Teleskop Licht sammelt, dann dürfte man nur noch die fernen Galaxien sehen können, die für die normalen Teleskope zu schwach leuchten.
Es dauerte ein bisschen, bis er eine passende Region gefunden hatte. Sie musste nicht nur so leer wie möglich sein, sondern auch immer im Blickfeld von Hubble liegen damit man wirklich lange beobachten konnte. Am Ende einigte man sich auf ein Gebiet im Sternbild Großer Bär, das ein Stückchen oberhalb der Deichsel des großen Wagens liegt. Es ist wirklich winzig und ungefähr so groß, wie uns ein Tennisball aus 100 Meter Entfernung erscheinen würde.
Während der zehn Tage im Dezember 1995 machte Hubble 342 Einzelaufnahmen dieser Region. Die wurden dann nachträglich zu einem einzigen Bild zusammengesetzt und all das gesammelte Licht wurde kombiniert. Das fertige Bild war höchst beeindruckend. Da war nichts mit “leerem Weltall”! Das ganze Bild war voller Lichtpunkte – die aber keine Sterne waren! In der winzigen, scheinbar leeren Region des Universums hatte Williams über 3000 Galaxien fotografiert!
Manche von ihnen waren nahe, manche weit entfernt und an ihnen ließ sich wunderbar die Entwicklungsgeschichte von Galaxien ablesen. Die weiter entfernten Galaxien entstanden kurz nach dem Urknall und aus ihrer Struktur und Farbe konnten die Astronomen herausfinden, wie viele Sterne damals in ihnen entstanden. Junge Sterne leuchten anders als alte und ein Vergleich mit den näheren, älteren Galaxien zeigte, dass die Rate der Sternentstehung im Universum im Laufe ihren Höhepunkt schon überschritten hat. 8 bis 10 Milliarden Jahren nach dem Urknall entstanden in den Galaxien die meisten Sterne, von da an ist die Entstehung von Sternen wieder zurück gegangen.
Die Kosmologen waren begeistert von der Datenfülle, die dieses einzelne Bild enthielt. Fast 500 Fachartikel wurden bis heute darüber verfasst und es ist eine der wichtigsten Informationsquellen was die Entwicklung des Universums und der Galaxien angeht. Das “Hubble Deep Field”, wie das Bild offiziell heißt, war einer der größten Erfolge des Weltraumteleskops und ein paar Jahre später wiederholte man das Projekt. Dieses mal suchte man sich eine Stelle am südlichen Himmel aus, die dem originalen Deep Field möglichst genau gegenüber lag. Dieses “Hubble Deep Field South” sah dem ursprünglichen Deep Field enorm ähnlich. Die Galaxien zeigten das gleiche Verhalten und die gleiche Entwicklung.
Dadurch wurde auch das sogenannte kosmologische Prinzip bestätigt (über das ich in Folge 113 der Sternengeschichten schon mehr erzählt habe): Das Universum sieht im wesentlichen überall gleich aus. Es gibt keine besonderen Orte; egal in welche Richtung man schaut.
Zwischen September 2003 und Januar 2004 wurde das Experiment ein weiteres Mal wiederholt. Ein Stück westlich des Sternbilds Orion beobachtete das Hubble-Weltraumteleskop erneut ein winziges Stück leeren Himmel. Diesmal betrug die kombinierte Belichtungszeit 11,3 Tage und man hat 800 Einzelaufnahmen zusammengesetzt. Auf dem fertigen Bild – dem Hubble Ultra Deep Field – waren mehr als 10.000 Galaxien zu sehen! Von den entferntesten Galaxien die auf der Aufnahme enthalten sind, hat das Licht über 13 Milliarden Jahre zu uns gebracht, sie gehören also zu den jüngsten Objekten, die kurz nach dem Urknall entstanden sind.
Das Hubble Ultra Deep Field bestätigte auch eine Beobachtung die man schon beim ersten Deep Field gemacht hatte: Je weiter man zurück blickte, desto mehr irreguläre Galaxien waren zu sehen. Außerdem sind die Galaxien umso kleiner, je weiter weg – also je jünger sie sind. Die ersten Galaxien im Universum waren also anscheinend eher vergleichsweise kleine Anhäufungen von Sternen die noch nicht die ausgeprägte Spiralform von später entstandenen Galaxien wie unserer Milchstraße hatten.
Lange Zeit war das Hubble Ultra Deep Field die tiefste hochaufgelöste Aufnahme des Himmels. Hätte Hubble den kompletten Himmel mit dieser Auflösung beobachten wollen, hätte es dafür über eine Million Jahre gebraucht…
Die bisher letzte tiefe Aufnahme des Himmels ist das Hubble Extreme Deep Field. Es wurde im September 2012 veröffentlicht und aus Aufnahmen zusammengesetzt die man in den 10 Jahren davor gesammelt hatte. Insgesamt entspricht das Bild einer Beobachtungsdauer von 23 Tagen; die abgebildete Region ist aber ein wenig kleiner als das Hubble Ultra Deep Field und enthält nur 5500 Galaxien. Die sind dafür aber wirklich weit weg. Man kann dort Galaxien sehen, deren Licht zehn Milliarden Mal schwächer leuchtet als das, was unsere Augen sehen können. Manche dieser Galaxien sind so weit weg, dass wir sie in einem Zustand sehen, den sie nur 450 Millionen Jahre nach dem Urknall hatten.
Die Deep Field Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops gehören zu den wichtigsten Bildern, die die beobachtende Astronomie bis jetzt produziert hat. Manchmal lohnt es sich eben, wenn man lange genug ins Nichts blickt…
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